Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Robert Jaeger
Gewaltschutz

Kurz verspricht mehr Geld

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat auf die Kritik, dass es für den Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt mehr Geld brauche, mit einer Zusage von mehr Mitteln reagiert. „Am Geld wird es nicht scheitern“, sagte er am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien. Opferschutzorganisationen fordern eine starke Anhebung von derzeit 14,5 auf 228 Mio. Euro.

Wenn es mehr Mittel brauche, werde die Regierung diese einsetzen. „Die finanziellen Fragen werden sich lösen lassen“, so Kurz, der aber noch keine konkrete Zahl nannte. Opferschutzeinrichtungen hatten nach dem Sicherheitsgipfel der Regierung am Montag, der als Antwort auf eine Frauenmordserie mit neun Toten seit Jahresanfang im Innenministerium stattgefunden hat, die von ihnen zuvor vehement geforderte Erhöhung der Mittel für Gewaltschutz vermisst.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) versicherte am Dienstag ebenfalls, dass man das Thema ernst nehme. Die Organisationen, die am Montag noch nicht dabei waren, werden eingebunden, und die finanzielle Ausstattung werde ein Thema sein, so Kogler. Nächste Woche soll ein runder Tisch zum Thema stattfinden, diesmal mit den Expertinnen für Gewaltschutz.

Kurz will Opferschutz mehr Mittel zuweisen

Nach dem Sicherheitsgipfel mit Gewaltschutzürogrammen für Frauen und Kinder hat die Bundesregierung neue Maßnahmen angekündigt. Nun sollen auch dem Opferschutz mehr Steuermittel zugewiesen werden.

Raab verwies erneut auf Anhebung von Budget

„Wir werden auch an der Ressourcenfrage gemeinsam mit den Opferschutz- und Gewaltschutzeinrichtungen weiterarbeiten, aber wie gesagt: Da ist in den letzten eineinhalb Jahren besonders viel passiert, so viel wie in keiner anderen Regierung zuvor, durch die Verdoppelung des Frauenbudgets, und da braucht es natürlich Ressourcen auf unterschiedlichen Ebenen“, sagte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) im ORF-Morgenjournal am Dienstag. Tatsächlich wurde das Budget um die Hälfte angehoben, nicht verdoppelt. Auf Twitter stellte die Ressortchefin ihren Fehler klar und entschuldigte sich dafür.

Anhebung ging Kürzung voraus

Das Frauenbudget, über das auch Gewaltschutzprojekte und Frauenberatungsstellen finanziert werden, beträgt aktuell rund 14,6 Millionen Euro. 2018 und 2019 habe es bei der Finanzierung einen „Backlash“ und Kürzungen für viele Einrichtungen gegeben – darauf hatten am Montag Vertreterinnen der Frauenschutzorganisationen hingewiesen. Die seither erfolgten Anhebungen müsse man vom Niveau der Kürzungen davor rechnen.

3.000 zusätzliche Beraterinnen gefordert

Insgesamt 228 Millionen Euro pro Jahr und 3.000 zusätzliche Arbeitsstellen im Opferschutz fordern nunmehr die Vertreterinnen von Österreichischem Frauenring (ÖFR), Verein Österreichische Autonome Frauenhäuser (AÖF) und Wiener Interventionsstelle. Davon war seitens der Regierung nichts zu hören, und das fehle, sagte ÖFR-Vorsitzende Klaudia Frieben im ORF-Morgenjournal am Dienstag.

Sparen könne man sich dagegen die angekündigte Motiv- und Herkunftsforschung bei Tätern: „Aus meiner Sicht ist das eine Machtfrage, und es kommt in jeder Kultur vor, egal ob es jetzt Österreicher sind oder Ausländer sind.“ Die Machtfrage sei „überall die gleiche“.

Rösslhumer: Mehr Schutz für Kinder besonders dringlich

AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer lobte, dass die Regierung Punkte wie den geforderten Ausbau der Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen aufgegriffen habe, aber es handle sich um ein Maßnahmenpaket ohne Budget. Weiters forderte sie einen zusätzlichen Fokus: „Wir brauchen unbedingt einen verbesserten Schutz für die Kinder. Die werden oft alleine gelassen und auch bei Wegweisungen werden sie oft einfach nicht wirklich unterstützt.“ Zudem wiederholte sie die Forderung nach Personenschutz für Frauen in Hochrisikosituationen.

„Man muss länger dranbleiben“

Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie begrüßte laut Morgenjournal, dass der erste Gipfel rasch stattgefunden habe. Sie vermisse einen Ausbau des Opferschutzes, für den es Geld und Personal brauche. Opfer, die sich aus Misshandlungsbeziehungen trennen, seien in sehr großer Gefahr, Gewalt zu erleiden. „Fast alle Morde und Mordversuche passieren in dieser Zeit. Man muss da einfach länger dranbleiben, die Trennung dauert oft Monate, und in dieser Zeit müssen wir die Opfer begleiten können.“

Van der Bellen im Gespräch mit Expertinnen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer tauschten sich am Dienstag mit Expertinnen und Experten in der Hofburg aus. Der jüngste Fall habe „auf dramatische und traurige Weise gezeigt, dass noch immer zu wenig getan wird, um Frauen vor Gewalt zu schützen“, sagte das Staatsoberhaupt am Rande des Gesprächs.

Bei dem nicht medienöffentlichen Termin waren unter anderem Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, Bettina Zehetner von der Frauenberatung und Erich Lehner vom Dachverband Männerarbeit Österreich (DMÖ) anwesend. „Meiner Frau Doris und mir war es wichtig, uns aus erster Hand zu informieren, wie die Lage ist und was jetzt getan werden muss“, meinte Van der Bellen zum Anlass.

„Wir müssen als Gesellschaft viel mehr tun, um Gewalt an Frauen zu verhindern“, meinte auch Schmidauer. Ein wichtiger Schritt sei dabei auch die Sprache: „Achten wir darauf, was wir sagen, wenn wir von einem Frauenmord sprechen. Das ist kein ‚Familiendrama‘. Das ist keine ‚Beziehungstragödie‘.“ Es sei schlicht Mord.

SPÖ: Lange Wartezeiten „sind gefährlich“

„Bitte nehmen Sie den Hilferuf aus den Gewaltschutzeinrichtungen ernst“, appellierte SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek in einer Aussendung. Diese seien „am Limit. Lange Wartezeiten auf Beratung und Hilfe sind gefährlich.“ Laut Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 11.652 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen.

Die Zahl der weggewiesenen Gefährder stieg laut Heinisch-Hosek von 8.254 im Jahr 2019 auf 9.689 im Jahr 2020, und die soziale Krise durch die Pandemie werde die Situation weiter verschärfen. „Durch die Kürzungen unter Türkis-Blau bei Frauenprojekten und in der Familienberatung ist große Unsicherheit entstanden. Die Frauenberatungsstellen müssen durch mehrjährige Verträge abgesichert werden“, forderte sie.

NEOS: Unterhaltsrecht reformieren

NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter betonte: „Im Justizbereich ist vor allem dafür Sorge zu tragen, dass durch eine tiefgreifende Reform des Unterhaltsrechtes die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen drastisch reduziert wird, die vielfach der Entscheidung der Frauen entgegensteht, sich von allem Anfang an gegen gewalttätige Übergriffe konsequent zur Wehr zu setzen.“

Die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) forderte Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen – mehr dazu in religion.ORF.at.

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