Ein mobiles Lab-Truck-Labor der HG Pharma
APA/EXPA/Johann Groder
PCR-Test-Affäre

Tirol beendet Zusammenarbeit

Mit dem Rücktritt von gleich zwei Regierungsmitgliedern sowie Berichten über fragwürdige Vorgänge rund um PCR-Tests sind am Dienstag in der Tiroler Landespolitik die Wogen hochgegangen. Bei der Präsentation der neuen Landesräte am Mittwoch bestritt Landeshauptmann Günter Platter (ÖVP) einen Zusammenhang, kündigte aber gleichzeitig das Ende der Zusammenarbeit mit dem kritisierten Testlaborleiter Ralf Herwig an.

Herwig hatte bereits kurz zuvor seinen Rückzug aus dem operativen Geschäft von HG Pharma bekanntgegeben. Hintergrund sind Berichte über Ungereimtheiten bei der Vergabe und der Testauswertung. So hatte der „Standard“ berichtet, dass das Land Tirol den Auftrag zur Abwicklung von PCR-Tests im Umfang von knapp acht Millionen Euro direkt und ohne Ausschreibung an HG Pharma erteilt hatte. Das Labor soll laut den Berichten aber nicht über die fachlichen und technischen Voraussetzungen für die Testauswertung verfügen, so die Vorwürfe. Unklar war auch, wer die Tests befundet.

Zudem läuft gegen Herwig, der eigentlich Urologe ist, in anderer Sache ein Verfahren wegen des Verdachts auf schwere Behandlungsfehler. Der Vorwurf lautet auf schwere Körperverletzung und schweren Betrug. Er darf aktuell nicht praktizieren und muss sich deswegen am Freitag in Wien vor Gericht verantworten – mehr dazu in tirol.ORF.at. Herwig wies die Vorwürfe auch am Mittwoch zurück und betonte, dass die Qualität der Tests einwandfrei sei. Es gebe – anders als in den Raum gestellt – keine falsch positiven Tests. Zuvor teilte er mit, es handle sich um eine Rufmordkampagne.

Zusammenarbeit mit HG-Pharma-Chef beendet

Das Land Tirol wird die Zusammenarbeit mit Ralf Herwig von HG Pharma beenden. Das gab Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bei einer Pressekonferenz in Innsbruck bekannt.

Die Entscheidung für seinen vorläufigen Rückzug habe Herwig „aufgrund der Turbulenzen um meine Person“ getroffen. Es könne sein, dass er sich zurückziehe, bis sich die Vorwürfe aufgeklärt haben – es könne aber auch sein, dass es ein „Abschied für immer“ sei. Es würde jedenfalls schwer sein für das Land Tirol, eine Firma zu finden, die eine derartige Qualität liefern könne – sollte man sich gegen HG Pharma entscheiden. Herwig selbst gilt laut Medienberichten in Tirol als gut vernetzt.

Offene Fragen auch zu Fluchtmutante

Die HG Pharma war bisher der größte Kooperationspartner Tirols für PCR-Tests. Von den 430.000 Tests seit September wurde rund die Hälfte von HG Pharma vorgenommen. Nun laufen angesichts der Vorwürfe nachträgliche Überprüfungen. Im Fokus steht dabei unter anderem die Frage, ob auch ein außergewöhnlich starkes Auftreten der Fluchtmutante B.1.1.7+E484K in Tirol Mitte April mit fehlerhaften Auswertungen zusammenhängen könnte.

Die AGES hatte bereits am Dienstag mitgeteilt, dass bei rund 50 von HG Pharma vorsequenzierten Fällen fälschlicherweise die Fluchtmutante erkannt worden sei. Nun wird ermittelt, ob und in welchem Ausmaß noch weitere Proben fehlinterpretiert wurden. Bis Mittwochnachmittag vermeldete die AGES insgesamt 313 bestätigte Fälle der Fluchtmutante, bei 189 weiteren geprüften Fällen gab es dafür keinen Nachweis. Rund 1.600 Fälle standen noch aus.

Auch die Akademie der Wissenschaften kontrolliert derzeit einen repräsentativen Teil der aus Tirol gemeldeten B.1.1.7+E484K-Fälle nach, Ergebnisse sollen am Freitag vorliegen. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüft laut Berichten des Ö1-Mittagsjournals indes mittlerweile, ob ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Betrug eingeleitet werden soll.

Platter bestätigt erneut Kandidatur

Platter bestritt am Mittwoch, dass es Zusammenhänge zwischen den Vorwürfen und den Rücktritten von Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (beide ÖVP) gegeben habe. Die Entscheidung für die Rochade sei bereits vor Monaten getroffen worden, sagte Platter bei der Präsentation der Nachfolger, bei der er auch seine erneute Kandidatur bei der Landtagswahl 2023 bestätigte.

Der Landtagsvizepräsident und Bürgermeister von Galtür, Anton Mattle (ÖVP), wurde als neuer Wirtschaftslandesrat vorgestellt, die Geschäftsführerin des Sanatoriums Kettenbrücke, Annette Leja, als neue ÖVP-Gesundheitslandesrätin. Sie wurden einstimmig bestätigt – mehr dazu in tirol.ORF.at. Mattles Nominierung sei auch im „Einvernehmen“ mit dem Wirtschaftsbund getroffen worden, wurde extra betont. Dessen Präsident Christoph Walser (ÖVP) hatte als mögliche Besetzung für das Amt gegolten.

Platter erklärt Regierungsumbildung

Tirols Landeshauptmann Platter (ÖVP) wechselt seinen Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) aus, der das CoV-Management bisher leitete. Platter weist einen Zusammenhang mit der ausschreibungslosen Vergabe der PCR-Testungen an ein Labor zurück, das vermutlich falsche Ergebnisse lieferte und von dem sich das Land nun getrennt hat.

Gleichzeitig räumte Platter aber ein, dass die Optik „nicht gut“ sei, und kündigte an, die Zusammenarbeit mit HG-Pharma-Chef Herwig zu beenden. Ob auch die Zusammenarbeit mit der Firma aufgekündigt wird, blieb offen: Man habe den Einsatzstab mit der Neuaufstellung der Laboruntersuchungen und -befundung beauftragt, meinte Platter dazu.

Weitere Informationen erwartet

Die Causa werde nun „sensibel und genau“ geprüft, Ergebnisse sollen anschließend kommuniziert werden. Noch am Dienstag hatte das Land Tirol betont, es gebe bisher keinerlei Anhaltspunkte oder Auffälligkeiten, die an den gelieferten Ergebnissen zweifeln lassen. Platter betonte, es sei nun gerade in der Krise wichtig, dass die zentralen Ressorts Gesundheit und Wirtschaft handlungsfähig blieben. Bis zur Landtagswahl seien auch keine weiteren Personalwechsel in der Landesregierung angedacht.

Landesräte Leja und Mattle präsentiert

Der Landesparteivorstand der Tiroler ÖVP bestätigte am Mittwoch nach den Rücktritten von Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (beide ÖVP) die neuen Landesräte einstimmig.

Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) meldete sich am Mittwoch zu Wort. Er bestätigte, dass es sich bei HG Pharma um ein gelistetes Labor handle. „Die Vergabe ist in Tirol passiert, derzeit wird in Tirol aufgeklärt“, sagte Mückstein. Und: „Wir wissen nicht, wie groß das Problem mit den PCR-Testungen war.“ Derzeit gehe er davon aus, dass alle als positiv gemeldeten Tests des Labors auch positiv waren. Weitere Informationen erwarte er im Lauf des Tages und werde dann berichten.

Überraschender Doppelrücktritt

Der Doppelrücktritt am Dienstag war einigermaßen überraschend gekommen. Tilg war im vergangenen Jahr im Zuge des Coronavirus-Krisenmanagements stark unter Beschuss geraten. Bekannt wurde er durch einen Auftritt in der ZIB2, in dem er mehrmals wiederholte, dass die Behörden in Sachen Ischgl „alles richtig gemacht“ hätten. Der 53-Jährige war – wie Zoller-Frischauf – bereits seit Beginn der Ära Platter im Jahr 2008 in dessen Team.

Opposition sieht Ablenkungsmanöver

Die Grünen als ÖVP-Koalitionspartner bekräftigten die Zusammenarbeit. Klubobmann Gebi Mair betonte aber, dass das Vertrauen in Herwig „angesichts der Begleitumstände nicht mehr gegeben“ sei. Nach der vollständigen Prüfung der aufgetretenen Fragen könne über weitere Schritte betreffend HG Pharma auch in allfälliger rechtlicher Hinsicht entschieden werden, so Mair.

Klubobfrau Haselwanter-Schneider zur Regierungsumbildung

Andrea Haselwanter-Schneider, Liste-Fritz-Dinkhauser-Obfrau und Oppositionelle im Tiroler Landtag, kommentiert die Turbulenzen rund um den Rücktritt von Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP).

Die Opposition im Tiroler Landtag nahm den Personalwechsel als Indiz dafür, dass es in Tirol große offene Baustellen gibt. Die Rede ist auch von einem Ablenkungsmanöver angesichts der PCR-Test-Affäre. Laut SPÖ-Tirol-Parteichef Georg Dornauer zeigt sich, dass Platter die Lage nicht mehr im Griff habe. Die FPÖ argumentierte ähnlich, für Obmann Markus Abwerzger schare Platter die letzten Getreuen um sich. Als Anfang vom Ende der Regierung Platter sah auch die Liste Fritz den Wechsel in der Landesregierung – mehr dazu in tirol.ORF.at.