Eine Rauchwolke steigt in Gaza Stadt nach einem Luftangriff Israels auf
AP/Hatem Moussa
Israelinnen getötet

Armee verstärkt Luftangriffe

Die Gewalt zwischen Israel und Palästinensern eskaliert weiter. Am Dienstag wurden zwei israelische Zivilistinnen bei Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen getötet. Israels Armee kündigte eine Verschärfung der Luftangriffe an. Die jüngste Runde der Gewalt mit mittlerweile Dutzenden Toten hat mehrere Ursachen. International wächst die Sorge davor, die Lage könnte unkontrollierbar werden.

Die Verstärkung der Luftangriffe kündigte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstag an. Am Nachmittag griffen 80 Kampfjets palästinensische Raketenabschussplätze an. Am frühen Abend wurde ein Hochhaus in einem bessern Wohnviertel in Gaza-Stadt zerstört. Dabei wurden auch Funktionäre des Islamischen Dschihad getötet. Als Reaktion schossen die Palästinenser laut Hamas mehr als 100 Raketen auf dem Großraum Tel Aviv, Gusch Dan, ab. Militante Palästinenser hatten bereits zuvor erneut zahlreiche Raketen aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Dabei wurden zwei Frauen im Süden Israels getötet.

Wie der israelische Rettungsdienst Magen David Adom mitteilte, starben die beiden 65 und 40 Jahre alten Frauen am Dienstag in der Küstenstadt Aschkelon. Ein Sprecher machte den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen für die Todesfälle verantwortlich. Die Regierung habe angesichts der derzeitigen Situation entschieden, „dass sowohl die Intensität der Angriffe als auch deren Häufigkeit erhöht werden“, sagte Netanjahu in einer Erklärung am Dienstag. Die israelischen Bürgerinnen und Bürger müssten sich darauf einstellen, dass der gegenwärtige Konflikt länger dauern könnte.

Laut israelischer Armee wurde bei einem Luftangriff der Kommandant der Panzerabwehr in Gaza getötet. Es ist der höchstrangige Vertreter der Hamas, der seit Beginn der Auseinandersetzung von Israel „gezielt getötet“ wurde.

Soldaten betreten ein zerstörtes Haus in Ashkelon im Süden Israels
Reuters/Nir Elias
Israelische Soldaten im Einsatz in einem Haus in Aschkelon, das von Rakete aus Gaza getroffen wurde

Mehr als 300 Raketen von Palästinensern abgefeuert

Seit Montag wurden von militanten Palästinensern mehr als 300 Raketen aus dem Gazastreifen Richtung Israel abgefeuert. Mehr als 90 Prozent davon wurden nach Angaben der israelischen Armee vom Abwehrsystem „Iron Dome“ abgefangen. Mindestens 30 Israelis wurden aber verletzt.

Die radikalislamische Hamas hatte zuvor gedroht, in Aschkelon ein „Inferno“ anzurichten, sollten bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen weitere Zivilisten getötet werden. „Am Ende werden die Palästinenser gewinnen“, erklärte Hamas-Führer Ismail Hanija.

In Ostjerusalem war es am Montag erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern gekommen, bei denen mehr als 500 Menschen verletzt wurden. Nach Ablauf eines Ultimatums der Hamas wurden seit dem Abend weitere Raketen auf Israel abgefeuert.

Palästinenser inspizieren ein zerstörtes Haus in Gaza Stadt
Reuters/Suhaib Salem
Ein von israelischen Kampfjets getroffenes Gebäude in Gaza-Stadt

Israel beschoss 130 Ziele in Gaza

Als Reaktion auf den Raketenbeschuss griff die israelische Armee am Dienstag nach eigenen Angaben 130 militärische Ziele in dem Küstenstreifen an. Dabei wurden nach israelischen Angaben 15 ranghohe Mitglieder militanter Palästinensergruppen getötet. Die palästinensischen Behörden meldeten dagegen 22 Todesopfer, darunter neun Kinder.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. In Jerusalem – und dort insbesondere auf dem Tempelberg – gab es im Laufe des muslimischen Fastenmonats Ramadan mehrfach schwere Zusammenstöße mit zahlreichen Verletzten. Auslöser waren unter anderem Polizeiabsperrungen an der Altstadt sowie drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im Viertel Scheich Dscharrah durch israelische Behörden.

Nach israelischem Recht können jüdische Israelis vor Gericht Besitzanspruch auf Häuser in Ostjerusalem anmelden, wenn ihre Vorfahren vor dem arabisch-israelischen Krieg (1948/49) dort im Besitz von Grundstücken waren. Für Palästinenser, die ihr Eigentum ebenfalls infolge des Krieges verloren haben, gibt es kein solches Gesetz.

Karte von Ostjerusalem
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Schutzräume in Tel Aviv geöffnet

Tel Aviv begann Dienstagfrüh damit, öffentliche Schutzräume zu öffnen. In Jerusalem wurde am Montagabend nach Militärangaben erstmals seit dem Sommer 2014 Raketenalarm ausgelöst. In der Stadt hielten rechtsgerichtete Israelis einen Marsch durch die Altstadt ab, um so den Jahrestag der Eroberung des arabischen Ostteils während des Sechstagekriegs 1967 zu feiern. Die Route war von der Polizei allerdings geändert worden, durch das arabische Viertel durften die mit israelischen Flaggen Marschierenden nicht gehen.

Festnahmen bei Ausschreitungen

Am Dienstag kam es zudem in weiten Teilen Israels erneut zu heftigen Konfrontationen israelischer Araber mit der Polizei, bei denen Steine auf Polizisten geworfen wurden. Mehrere Fahrzeuge seien in Brand gesetzt worden. Fernsehreporter verglichen die Vorfälle mit dem zweiten Palästinenseraufstand (Intifada) vor zwei Jahrzehnten. In der israelischen Stadt Lod, in der Araber und Juden leben, wurde ein 25-jähriger Araber getötet. Am Rande des Begräbnisses kam es am Dienstag erneut zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Tim Cupal zur Eskalation der Gewalt

ORF-Korrespondent Tim Cupal berichtet aus Tel Aviv über die Eskalation der Gewalt.

EU und USA fordern Ende der Gewalt

Die USA, Großbritannien und die Europäische Union verurteilten die palästinensischen Raketenangriffe auf israelische Städte. „Der Raketenbeschuss ziviler Bevölkerung in Israel aus dem Gazastreifen heraus ist nicht akzeptabel und nährt eine Dynamik der Eskalation“, hieß es von der EU-Kommission. Der Anstieg der Gewalt im von Israel besetzten Westjordanland, in Ostjerusalem und dem Gazastreifen müsse „unverzüglich aufhören“. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte zudem die geplante Umsiedlung palästinensischer Familien in Ostjerusalem als illegal.

Israelische Luftangriffe über dem Gaza Streifen
APA/AFP/Mahmud Hams
Bombeneinschläge der israelischen Luftangriffe im Gazastreifen

Kritik von Saudi-Arabien und Jordanien

Saudi-Arabien verurteilte die „unverhohlenen Angriffe“ der „israelischen Besatzungskräfte“, die gegen „alle internationalen Normen und Gesetze“ verstoßen. Israel müsse seine „ausufernden Handlungen sofort einstellen“. Auch Jordaniens König Abdullah II. bezeichnete das Vorgehen Israels als Verstoß gegen internationales Recht und humanitäres Völkerrecht.

Kritik kam auch von arabischen Staaten, die ihre Beziehungen mit Israel in den vergangenen Monaten normalisiert hatten. Die Vereinigten Arabischen Emirate riefen Israel etwa dazu auf, Verantwortung zur Deeskalation zu übernehmen. Bahrain forderte ein „Ende der Provokationen gegen das Volk von Jerusalem“.