Schild beim Sitzplatz der Asukunftsperson im Ausschusslokal im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Verfassungsgerichtshof

Kanzleramt muss U-Ausschuss Akten liefern

Das Bundeskanzleramt muss von der Opposition geforderte Unterlagen an den „Ibiza“-U-Ausschuss liefern. Das entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Mittwoch. SPÖ, FPÖ und NEOS hatten drei entsprechende Anträge an das Höchstgericht gestellt. Der Antrag auf Übermittlung der Handynachrichten des Bundeskanzlers wurde hingegen zurückgewiesen, teilte der VfGH in einer Aussendung mit. In der Frage, ob Mails unwiderruflich gelöscht wurden, verwies der VfGH auf eine allfällige Exekution.

Das Kanzleramt sicherte die Übermittlung aller geforderten Akten zu: Übermittelt wird teils elektronisch, teils auch in Papierform. Teils könnten Unterlagen auch erst kommende Woche geschickt werden. Gleichzeitig wurde noch einmal betont, dass der VfGH das Kanzleramt verpflichtet habe, E-Mails zu liefern, die nicht mit dem Untersuchungsgegenstand zusammenhängen, was aber selbstverständlich akzeptiert werde.

Unterstrichen wurde ferner, dass man bereits über 60.000 Seiten, laut Kanzleramt alle relevanten Akten, geliefert habe. Im Auftrag des VfGH würden nun die bereits zusammengetragenen E-Mails noch am Mittwoch an das Parlament geliefert, sowohl in elektronischer als auch teilweise in gedruckter Form. Aufgrund des großen Umfanges (mindestens 50.000 E-Mails) werde das Ausdrucken der Unterlagen einige Zeit in Anspruch nehmen, weshalb die Möglichkeit bestehe, dass einzelne Teile noch nachgeliefert würden.

Zwei von drei Anträgen erfolgreich

SPÖ, FPÖ und NEOS hatten sich an den VfGH gewandt, da das Bundeskanzleramt relevante Akten nicht an den U-Ausschuss geliefert hatte. Zwei von drei Anträgen waren nun erfolgreich: Geliefert werden müssen noch fehlende Unterlagen im Hinblick auf die Tätigkeit der Stabsstelle Think Austria sowie die vollständigen E-Mail-Postfächer des Bundeskanzlers, der übrigen Regierungsmitglieder im Bundeskanzleramt sowie mancher Bediensteter des Bundeskanzleramtes.

VfGH: Kanzler entsprach Begründungspflicht nicht

Der Bundeskanzler habe zwar Dokumente übermittelt, schreibt der VfGH, „es aber verabsäumt, hinsichtlich der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen eine Begründung zu liefern, aus der hervorginge, um welche Art von Akten und Unterlagen es sich dabei handelte, und anhand der sich die Feststellung der Nichtzugehörigkeit zum Untersuchungsgegenstand für das verlangende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nachvollziehen ließe“.

Damit habe der Kanzler lediglich seiner Behauptungs-, nicht aber auch seiner diesbezüglichen Begründungspflicht gegenüber dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss entsprochen, heißt es in dem Urteil. Das Kanzleramt hatte Ende April dem VfGH 692 Mails von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übermittelt, wonach sie in einem „umfassenden Suchprozess“ keinerlei „abstrakt relevante Akten und Unterlagen“ gefunden hätten.

Weiters heißt es in dem Urteil des VfGH: „Die Frage, ob E-Mails unwiederherstellbar gelöscht sind, wäre im Rahmen einer allfälligen Exekution (…) zu klären.“ NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper griff diesen Ball gleich auf und kündigte an, einen entsprechenden Antrag einzubringen.

Handynachrichten müssen nicht übergeben werden

Als unzulässig wies der VfGH den Antrag betreffend Nachrichten auf einem Mobiltelefon des Bundeskanzlers zurück, weil die dem Antrag zugrunde liegende Aufforderung „nicht hinreichend bestimmt“ war. Anders als bei der Entscheidung in der vergangenen Woche zu den Unterlagen aus dem Finanzministerium geht es diesmal nicht um die Exekution einer Entscheidung, merkte der VfGH explizit an.

Aus dem Kanzleramt hieß es, die E-Mails würden in unterschiedlichen Klassifizierungsstufen nach dem Informationsordnungsgesetz übermittelt, da es sich hierbei um unterschiedlichste Materien handle, darunter auch Gesundheitsdaten von Mitarbeitern, Informationen über die nationale Sicherheit und ähnliche schützenswerte Informationen.

Um dem Erkenntnis in vollem Umfang Rechnung zu tragen, würden darüber hinaus alle Bediensteten des Bundeskanzleramts angewiesen, im Sinne des Erkenntnis noch einmal ihre E-Mail-Postfächer zu durchsuchen und alle infrage kommenden Nachrichten zu liefern, sofern das nicht bereits erfolgt sei. Dafür sei den Mitarbeitern eine Frist bis Montagmittag gegeben worden, damit bereits Anfang nächster Woche dem U-Ausschuss sämtliche Unterlagen entsprechend dem Erkenntnis des VfGH vollumfänglich geliefert werden könnten.

Krisper: „Offensichtlich nur auf Zeit gespielt“

NEOS-Fraktionsführerin Krisper teilte per Aussendung zur Ankündigung mit: „Offensichtlich hat auch das Bundeskanzleramt nur auf Zeit gespielt und mit dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gerechnet und die Unterlagen längst vorbereitet, wenn Kanzler Kurz sie noch heute an den U-Ausschuss übermitteln kann.“ Sie erwarte sich, dass die Korrespondenzen „nicht wieder in Bausch und Bogen als ‚geheim‘ geliefert werden“, wie das bei den Akten aus dem Finanzministerium der Fall war.

Blümel will Akten teilweise neu einstufen

Apropos „geheim“: Weiter ein Thema waren die hohe Geheimhaltungsstufe der letzten Aktenlieferungen aus dem Finanzministerium. Dazu fand am Mittwoch nach dem Ende des Hauptausschusses ein Vermittlungsgespräch mit den Ausschuss-Fraktionsvertreterinnen und -vertretern und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) statt – einberufen war dieses von Nationalratspräsident und U-Ausschuss-Vorsitzendem Wolfgang Sobotka (ÖVP) worden.

Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP)
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Sobotka trifft am Mittwoch „Ibiza“-Fraktionsvorsitzende und Finanzminister Blümel

Blümel sagte nach dem Gespräch zu, eine Teilherabstufung zu ermöglichen. Dieses Angebot hätten die Oppositionsparteien wieder abgelehnt. Er werde sein Ministerium anweisen, selbst eine nochmalige Überprüfung der Klassifizerung der Akten durchzuführen. „Wir werden, wo es möglich ist, eine niedrigere Klassifizierung vornehmen“, sagte Blümel. Die Akten werde man „möglichst rasch“ in den nächsten Tagen liefern.

Blümel hatte eine Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs, dem Ausschuss den E-Mail-Verkehr von acht Spitzenbeamten, darunter ÖBAG-Chef Thomas Schmid, zu übermitteln zwei Monate lang ignoriert. Erst nachdem die Höchstrichter die Exekution des Urteils durch den Bundespräsidenten anordneten, schickte er die E-Mails ins Parlament. Allerdings auf 65.000 Seiten ausgedruckt und als „geheim“ eingestuft.

Opposition nicht zufrieden

Die Opposition ist weiterhin nicht zufrieden, will rechtliche Möglichkeiten prüfen und droht Blümel mit einer Anzeige wegen Amtsmissbrauchs. „Der jetzige Termin war ehrlich gesagt eine Zeitverschwendung“, sagte SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer nach dem Treffen.

Blümel habe bei dem Treffen nur untaugliche Vorschläge gemacht, wie etwa die gemeinsame Definition einer Suchmaske zur Durchforstung der Unterlagen, kritisierte Krainer. Sein FPÖ-Kollege Christian Hafenecker bezeichnete den Vorschlag als „große Schnitzeljagd“ und Versuch einer Nebelgranate.

Scharf kritisiert hatte die Vorgehensweise des Finanzministers zuvor auch die grüne Fraktionschefin Nina Tomaselli. Die vorgebrachten Kompromissvorschläge sind auch aus ihrer Sicht untauglich, weil in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen. Die pauschale Einstufung der Unterlagen als „geheim“ ist für sie eine „weitere Eskalationsstufe“ des Finanzministers. Ob die Grünen einer allfälligen Verlängerung des Ausschusses zustimmen würden, ließ Tomaselli offen.

Sobotka, dem die Opposition vorwarf, Blümel die Stange gehalten zu haben, gab nach der Sitzung keine Stellungnahme ab. Über seinen Sprecher ließ er ausrichten, dass er versucht habe zu vermitteln. „Leider haben sich die Fraktionen nicht auf einen praktikablen Modus verständigen können.“