Rauchwolke nach einem Luftangriff der israelischen Luftwaffe
AP/Hatem Moussa
Gaza

Israel bombardiert Haus von Hamas-Chef

Israels Militär droht der Führungsriege der im Gazastreifen herrschenden Palästinenserorganisation mit gezielter Tötung und beschießt deren Häuser – darunter auch das von Hamas-Chef Dschihia al-Sinwar. Die palästinensische Seite spricht von den bisher schwersten Luftangriffen.

Nach schweren Raketenangriffen aus dem Gazastreifen hat Israels Luftwaffe dort das Haus des Hamas-Chefs Sinwar beschossen. Auf Twitter veröffentlichte die Armee heute ein Video, auf dem ein durch ein Bombardement zerstörtes Haus zu sehen war. Ob Sinwar bei dem Anschlag getötet wurde, ist noch unklar.

In dem Gebäude in Chan Junis im Süden des Küstengebiets habe sich auch das Büro des Hamas-Chefs befunden, berichteten israelische Medien. Es habe als „militärische Infrastruktur der Terrororganisation Hamas“ gedient, teilte die Armee mit. Auch das Haus von Sinwars Bruder Mohammed, ebenfalls ein ranghohes Mitglied der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas, sei angegriffen worden.

90 Ziele binnen 24 Stunden angegriffen

Nach Angaben der Armee wurden weitere Büros und Häuser wichtiger Hamas-Mitglieder attackiert. Als Teil der fortwährenden Angriffe auf das unterirdische Tunnelnetzwerk der Hamas seien 30 weitere Ziele bombardiert worden. Außerdem habe die Luftwaffe Dutzende Waffenlager und Raketenabschussrampen beschossen. Binnen 24 Stunden habe die Luftwaffe 90 Ziele militanter Palästinenser attackiert.

Nach palästinensischen Angaben waren es die bisher schwersten Luftangriffe im Gazastreifen. In der Stadt Gaza wurden nach Augenzeugenberichten fünf Häuser zerstört. Allein am Sonntag wurden nach palästinensischen Angaben mindestens 40 Menschen, darunter acht Kinder, durch die israelischen Angriffe getötet. Die israelische Armee teilte mit, dass die zivilen Opfer der Bombardements am Sonntag „unbeabsichtigt“ gewesen seien.

Währendessen geriet am Sonntag Ostjerusalem neuerlich in den Fokus des Konflikts. Im Viertel Scheich Dscharrah wurden bei einem Anschlag mit einem Auto mehrere Menschen verletzt, darunter vier Polizisten, teilte die israelische Polizei mit. Es habe sieben Verletzte gegeben. Insgesamt starben den Angaben zufolge seit Montag 181 Menschen, darunter 52 Kinder. Mehr als 1.200 Menschen wurden verletzt.

Nahost: Wieder hunderte Raketenangriffe

Im Nahen Osten hat es auch in der Nacht auf Sonntag wieder hunderte Raketenangriffe gegeben. Internationale Vermittler versuchen, eine Waffenruhe auszuhandeln.

Knapp 3.000 Rakten auf Israel abgefeuert

Israels Militär hatte der Führungsriege der im Gazastreifen herrschenden Palästinenserorganisation Hamas zuvor mit gezielter Tötung gedroht. Militante Palästinenser hatten in der Nacht den Großraum Tel Aviv sowie weitere israelische Ortschaften erneut massiv mit Raketen beschossen. Seit Beginn der Eskalation am Montag wurden nach Armeeangaben rund 2.900 Raketen auf Israel abgefeuert.

Am Samstag hatten militante Palästinenser im Gazastreifen bereits dreimal kurz hintereinander Raketen auf Tel Aviv geschossen. In der Nachbarstadt Ramat Gan starb nach Angaben von Sanitätern ein etwa 50 Jahre alter Mann beim Einschlag einer Rakete.

Netanjahu: „Einsatz so lange wie nötig“

Israels Luftwaffe zerstörte kurz darauf ein 14-stöckiges Hochhaus im Gazastreifen, in dem Medienunternehmen wie Associated Press (AP) ihre Büros hatten. Berichten zufolge wurden die Bewohner zuvor telefonisch aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Die Nachrichtenagentur AP reagierte entsetzt. „Das ist eine unglaublich beunruhigende Entwicklung“, teilte AP-Präsident Gary Pruitt am Samstag in New York mit. „Wir sind nur knapp einem schrecklichen Verlust von Menschenleben entgangen.“ Ein Dutzend AP-Journalisten und freie Mitarbeiter seien rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte, der Militäreinsatz gegen die Hamas werde „so lange wie nötig weitergehen“. Man müsse zunächst die Infrastruktur der islamistischen Hamas zerstören. „Uns stehen noch schwere Tage bevor, aber wir werden sie gemeinsam durchstehen und siegen“, sagte der 71-Jährige. Noch für Sonntag ist eine Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts geplant.

Cupal (ORF) zum neu aufgeflammten Nahostkonflikt

Tim Cupal kommentiert die Gewalt zwischen Israel und Palästinensern, die auch am Samstag unvermindert weitergegangen ist.

Biden telefonierte mit Abbas und Netanjahu

Der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern ist in den vergangenen Tagen in einem Maße eskaliert wie seit Jahren nicht mehr. Angesichts der Gewalt telefonierte US-Präsident Joe Biden am Samstagabend mit Netanjahu und mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Das Weiße Haus teilte zu dem Gespräch mit Netanjahu mit: „Der Präsident bekräftigte seine nachdrückliche Unterstützung für das Recht Israels, sich gegen die Raketenangriffe der Hamas und anderer terroristischer Gruppen im Gazastreifen zu verteidigen.“

Biden habe seine Besorgnis über die Sicherheit von Journalisten zum Ausdruck gebracht und die Notwendigkeit betont, deren Schutz zu gewährleisten. Der US-Präsident habe zudem Abbas über das diplomatische Engagement der USA im laufenden Konflikt informiert. Er habe betont, die Hamas müsse den Raketenbeschuss auf Israel einstellen. Biden und Abbas hätten ihre Sorge über den Tod unschuldiger Zivilisten zum Ausdruck gebracht.

Krisensitzung der EU-Außenminister

Angesichts der Eskalation kommen die EU-Außenminister am Dienstag zu einer Krisensitzung zusammen. Bei der Videokonferenz werde es darum gehen, wie „die EU am besten zu einem Ende der derzeitigen Gewalt beitragen“ könne, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntag auf Twitter mit. Die Zahl der zivilen Opfer durch die gegenseitigen Angriffe bezeichnete er als „inakzeptabel“.