Israelischer Panzer an der Grenze zu Gaza
Reuters/Baz Ratner
Nahost-Konflikt

Wortgefecht im UNO-Sicherheitsrat

Angesichts der Eskalation der Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern hat UNO-Generalsekretär Antonio Guterres am Sonntag vor einer „unkontrollierbaren“ Krise in der ganzen Region gewarnt. Bei der Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates lieferten einander die Vertreter der beiden Konfliktparteien einen verbalen Schlagabtausch.

Jedes Mal, wenn das Ausland Israel ein Recht auf Selbstverteidigung zuspreche, „fühlt es sich ermuntert, ganze Familien im Schlaf zu ermorden“, sagte der palästinensische Außenminister Rijad al-Malki. Er bezichtigte Israel der „Kriegsverbrechen“. „Einige wollen diese Worte vielleicht nicht benutzen – Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit –, aber sie wissen, dass sie wahr sind“, sagte er bei der virtuellen Sitzung des höchsten UNO-Gremiums.

Israel hingegen rechtfertigte sein Vorgehen. UNO-Botschafter Gilad Erdan sagte vor dem Rat, sein Land tue alles, um zivile Opfer zu vermeiden. „Israel benutzt seine Raketen, um seine Kinder zu schützen. Die Hamas benutzt Kinder, um ihre Raketen zu schützen“, sagte er. Die Gewalt „war komplett von der Hamas geplant, um politische Macht zu erlangen“, so Erdan. Die Hamas habe sich entschieden, die Spannungen anzuheizen und „als Vorwand zu benutzen, um diesen Krieg zu beginnen“.

Dutzende Todesopfer am Sonntag

Trotz verstärkter internationaler Bemühungen um ein Ende der Gewalt geht der Raketenbeschuss zwischen Israel und militanten Palästinensern unvermindert weiter. Bei israelischen Bombardements kamen am Sonntag 40 Menschen im Gazastreifen ums Leben, teilte das dortige Gesundheitsministerium mit. Nach palästinensischen Angaben waren es die bisher schwersten Luftangriffe im Gazastreifen. Die israelische Armee teilte mit, dass die zivilen Opfer der Bombardements am Sonntag „unbeabsichtigt“ gewesen seien.

Israel bombardiert Haus von Hamas-Chef

Israels Militär droht der Führungsriege der im Gazastreifen herrschenden Hamas nach deren Raketenbeschuss Israels mit gezielter Tötung und beschießt deren Häuser – darunter auch das des Hamas-Chefs Sinwar. Ob Sinwar bei dem Anschlag getötet wurde, ist noch unklar.

In Ostjerusalem wurden bei einem Anschlag mit einem Auto mehrere Menschen verletzt, darunter vier Polizisten, teilte die israelische Polizei mit. Sieben Verletzte gab es laut den Behörden. Insgesamt sind seit Beginn des Konflikts in der vergangenen Woche bereits 188 Menschen im Gazastreifen ums Leben gekommen seien, darunter 55 Kinder. 1.230 Palästinenser seien verletzt worden. In Israel kamen durch Raketenbeschuss militanter Palästinenser bisher zehn Menschen ums Leben, 282 wurden verletzt. Seit Wochenbeginn wurden rund 3.000 Raketen in Richtung Israel abgefeuert.

Guterres mit eindringlichen Worten

Angesichts der steigenden zivilen Opfer sprach UNO-Generalsekretär Guterres von einem „sinnlosen Kreislauf aus Blutvergießen, Terror und Zerstörung“. Die eskalierenden Gewalt in der Region müsse aufhören, sagte er zu Beginn der dritten Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats binnen einer Woche. Es drohe eine „unkontrollierbare“ Krise in der ganzen Region, mahnte Guterres.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres
Reuters/Maxim Shemetov
Guterres warnte am Sonntag vor den Folgen des Konflikts

„Ich bin entsetzt über die immer größere Zahl palästinensischer Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, die durch israelische Luftangriffe in Gaza getötet wurden. Ich bedaure auch die Todesfälle Israels durch Raketen, die aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden“, sagte Guterres. Auch die Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern im Westjordanland und in Ostjerusalem seien besorgniserregend.

Guterres erwähnte dabei auch die mögliche Vertreibung einiger palästinensischer Familien aus ihren Häusern, die als einer der Auslöser der gegenwärtigen Krise gilt. Die Spirale der Gewalt könne verheerende Konsequenzen für die gesamte Region haben. Der einzige Weg zu einer Lösung des Konflikts führe über Verhandlungen mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung.

Sitzung mit Spannung erwartet

Die US-amerikanische UNO-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield betonte, die Vereinigten Staaten „versuchen unermüdlich auf diplomatischem Wege, diesen Konflikt zu beenden“. Thomas-Greenfield forderte die Hamas auf, Raketenangriffe auf Israel einzustellen. Alle Konfliktparteien müssten sich in Zurückhaltung üben: „Das beinhaltet die Vermeidung von Provokationen, gewalttätigen Angriffen und Terroranschlägen sowie Vertreibungen einschließlich in Ostjerusalem, das Abreißen von Häusern sowie den Siedlungsbau östlich der Grenzen von 1967.“

Brennende Reifen bei Demonstration in Israel
Reuters/Ammar Awad
Die Gefechte zwischen der Hamas und Israel gehen weiter

Die Sitzung des Sicherheitsrates am Sonntagvormittag (Ortszeit) in New York war mit Spannung erwartet worden – viele Mitglieder des 15-köpfigen, mächtigsten UNO-Gremiums kündigten Reden ihrer Außenminister an. Die Vereinigten Staaten – Israels wichtigster Verbündeter – waren im Rat bei dem Thema Nahost in den Tagen zuvor isoliert und verhinderten eine gemeinsame Stellungnahme.

Derzeit bemüht sich aber der US-Sondergesandte Hady Amr in der Region um eine diplomatische Lösung. Allerdings ließ der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu parallel zum Auftakt der Sicherheitsratssitzung verlauten, dass der Militäreinsatz im Gazastreifen „mit aller Macht“ fortgesetzt werde.

Netanjahu weist Vorwürfe von sich

Die israelischen Streitkräfte nehmen nach eigenen Angaben insbesondere die Infrastruktur der militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad ins Visier. Unter anderem wurden laut den Angaben ein Tunnelsystem, Waffenfabriken und Lagerstätten der Hamas angegriffen. Auch das Haus des Chefs des politischen Flügels der Hamas, Jahja Sinwar, wurde nach Militärangaben zerstört. Ob Sinwar bei dem Anschlag getötet wurde, ist unklar.

Zerstörung nach Anschlag in Israel
Reuters/Maxim Shemetov
Die Zahl der zivilen Opfer steigt von Tag zu Tag

Am Samstag hatte vor allem die Zerstörung eines von internationalen Medien genutzten Gebäudes in Gaza durch Israel international für Empörung gesorgt. Die Armee begründete den Angriff damit, dass sich darin auch militärische Anlagen des Geheimdienstes der Hamas befunden hätten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete das Gebäude am Sonntag in einem Interview des US-Senders CBS News als „völlig legitimes Ziel“.

Netanjahu wies Vorwürfe zurück, wonach Israel bei den Angriffen im Gazastreifen Kinder nicht schütze. „Das ist einfach falsch“, sagte er. „Der Grund, warum wir diese Opfer haben, ist, weil die Hamas uns kriminellerweise aus zivilen Vierteln angreift, aus Schulen, aus Häusern, aus Bürogebäuden.“ Israel versuche, „mit großer Präzision“ gegen die Hamas zurückzuschlagen. „Leider gibt es gelegentlich zivile Opfer, die wir bedauern.“