Menschen auf der Straße in New Taipei City
APA/AFP/Sam Yeh
Südostasien

Neue CoV-Ausbrüche in Vorzeigestaaten

Der stetige Anstieg an Coronavirus-Neuinfektionen in Südostasien findet kein Ende. Viele Länder verzeichneten in den vergangenen Tagen neuerliche Rekordwerte bei den Fallzahlen und mussten mit neuen Maßnahmen kontern. Davon betroffen sind auch Staaten, die bisher außergewöhnlich gut durch die Krise gekommen sind – etwa Taiwan.

Der Inselstaat registrierte in den letzten Wochen einen sprunghaften Anstieg bei den Neuinfektionen. Bis dato hatte das Land viel Bewunderung für seine effektive Pandemiebekämpfung bekommen. Vor allem aufgrund strenger Regeln für Einreise und Quarantäne war Taiwan mit seiner Bevölkerung von 24 Millionen Menschen gut durch die Krise gekommen: Insgesamt wurden nur 2.017 Infektionen und zwölf Todesfälle verzeichnet, der längste Zeitraum ohne Neuinfektion war etwa 250 Tage.

Umso beunruhigender ist das Infektionsgeschehen der letzten Tage: Allein am Montag wurden 333 neue, lokal übertragene Infektionen registriert. Am Sonntag waren es 206 Fälle, am Samstag 180. In Summe wurde mehr als ein Viertel der Fälle in den vergangenen Tagen entdeckt.

Notbremse gezogen

Die Regierung in Taipeh zog nun die Notbremse: Am Freitag wurde die Schließung von Lokalen, Sportzentren und anderen Freizeiteinrichtungen angeordnet, wenig später wurde die Alarmstufe für die Hauptstadtregion erhöht. Nun gelten Teilnehmergrenzen für private Treffen. Schulen, Verwaltungsgebäude, Büros sowie die meisten Geschäfte dürfen weiterhin öffnen. Es gelten jedoch strenge Maskenpflicht und Abstandsregeln. Zudem wurde eine Einreisesperre für Personen ohne regulären Wohnsitz in Taiwan verhängt.

Personal desinfiziert ein Klassenzimmer in Taipei
Reuters/Ann Wang
In Taiwan werden nun auch die Schulen geschlossen

Für das Land sind diese Maßnahmen ungewöhnlich: Aufgrund des großen Erfolges in der Pandemiebekämpfung hatte es bisher nur geringe Einschränkungen im öffentlichen Leben gegeben. Stattdessen führten eine Kombination aus strengen Einreisebeschränkungen, mitunter auch durch Überwachung und strenge Strafen durchgesetzte Quarantäneregeln, frühes und konsequentes Maskentragen und eine effiziente Zusammenarbeit verschiedener Behörden zu Erfolg. Dem Land kam dabei sein Dasein als Inselstaat zugute, aber auch die Erfahrungen aus der SARS-Pandemie 2003. Allerdings läuft nun die Impfkampagne auffällig schleppend.

Singapur fürchtet neue Virusvarianten

Ähnliche Faktoren wie in Taiwan verhalfen auch Singapur zu einem relativ glimpflichen Pandemieverlauf. Der Stadtstaat mit seinen 5,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern verzeichnete zwar 61.000 Infektionen, allerdings nur 31 Todesfälle. Nach einem größeren Ausbruch im Herbst galt die Lage dort im Frühjahr wieder als entspannt. Doch in den vergangenen Wochen gab es wieder einen sprunghaften Anstieg der Neuinfektionen. Am Sonntag wurde mit 38 Fällen die höchste Zahl an neuen Infektionen verzeichnet.

Menschen stellen sich in einem Supermarkt in Singapur an
AP/Zen Soo
Abstandregeln in Singapur

Aufgrund dieser Entwicklung gilt nun bis Mitte Juni wieder ein Lockdown im Stadtstaat: Die Kontakte sind stark beschränkt, das Essen in Lokalen untersagt, Betriebe sollen auf Homeoffice setzen. Auch die Schulen beenden den Präsenzunterricht. Dabei treibt Singapur vor allem die Angst vor neuen Virusavarianten um, darunter auch der zuerst in Indien entdeckten Variante B.1.617.2. Einige davon seien „wesentlich ansteckender, und sie scheinen kleinere Kinder anzugreifen“, sagte Bildungsminister Chan Chun Sing. „Das ist ein Thema, das uns allen Sorgen bereitet.“

Thailand: Virus grassiert in Gefängnissen

Cluster anderer Art beschäftigen indes Thailand. Das Land registrierte am Donnerstag nach einer längeren Phase der Erholung wieder einen Rekord an Neuinfektionen. Binnen 24 Stunden wurden 9.700 Fälle verzeichnet – mehr als 6.800 davon wurden in den Gefängnissen des Landes entdeckt.

Tests in acht Haftanstalten in der Hauptstadt Bangkok und deren Vororten ergaben, dass von 24.000 Insassen fast die Hälfte infiziert waren. Betroffen sind auch Haftanstalten, in denen prominente Demokratieaktivisten inhaftiert sind. Der erste Fall war bekanntgeworden, als eine Aktivistin mitteilte, sie sei fünf Tage nach ihrer Freilassung gegen Kaution positiv auf das Virus getestet worden. Bangkoks Umgang mit den Gefängnisclustern sorgte bei Menschenrechtsorganisationen (HRW) für herbe Kritik.

Auch Thailand gehört zu jenen Staaten, die lange gut durch die Krise kamen, aber nun straucheln. Bis Mitte Dezember lag die Zahl der Fälle in dem 70-Millionen-Einwohner-Land bei weniger als 5.000. Doch seither sind die Zahlen stark gestiegen – mittlerweile auf rund 100.000 Fälle.

Medizinisches Personal über einem CoV-Erkankten im Spital in Bangkok
Reuters/Athit Perawongmetha
Thailand kam lange gut durch die Krise, seit Ende des vergangenen Jahres vervielfachen sich die Fälle

Beunruhigende Trends bei den Infektionen verzeichnen auch die Nachbarstaaten Kambodscha, Myanmar, Malaysia und Laos. Das arme, abgeschottete und kommunistisch regierte Laos vermeldete zuletzt auch seinen ersten Todesfall, von einer hohen Dunkelziffer wird ausgegangen. In Indonesien gibt es indes Sorge, dass sich die Reisebewegung rund um das Ende des Ramadan verschärfen könnte. In vielen Staaten sind die Gesundheitssysteme nicht für größere Ausbrüche gerüstet.

Besorgniserregende Entwicklung

Ausgehend von den Entwicklungen in Indien hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits vergangene Woche vor einer besorgniserregenden Entwicklung in Südostasien gewarnt. Im Gegensatz zur Entspannung in Nordamerika und Europa seien die Zahlen dort stetig im Steigen begriffen.

Auch in Indien selbst gibt es nach wie vor nur eine leichte Besserung. Am Montag wurden 4.100 Todesfälle und 280.000 Infektionen innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Damit gibt es zwar erstmals seit knapp einem Monat weniger Neuinfektionen an einem Tag, die Lage im Gesundheitssystem bleibt allerdings schwierig. Derzeit verbreitet sich das Coronavirus zunehmend in ländlichen Gebieten, wo es wenig Testmöglichkeiten gibt und mehr als die Hälfte der mehr als 1,3 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohner lebt.