Geflüchtete und Militärposten
Reuters/Jon Nazca
Geflüchtete in Ceuta

Mehr als die Hälfte wieder abgeschoben

Spanien hat nach eigenen Angaben inzwischen fast die Hälfte der Geflüchteten nach Marokko zurückgeschickt, die in den vergangenen Tagen schwimmend die Exklave Ceuta erreicht hatten. Weitere Abschiebungen würden folgen, das Militär solle nun für Ordnung sorgen. Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez sprach unterdessen von einer „schweren Krise für Spanien und auch für Europa“.

Die Zahl der Polizisten an der Grenze werde von gegenwärtig 1.200 um 200 erhöht, sagte Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska am Dienstag in Madrid. Zudem würden bei den Patrouillen nun auch Soldaten eingesetzt. Von den 7.000 Menschen seien bereits 3.800 in das Nachbarland zurückgebracht worden, hieß es am Dienstagnachmittag.

Auf Fernsehbildern waren gepanzerte Fahrzeuge am Strand zu sehen, während weitere Geflüchtete aus dem Wasser stiegen. Ein Regierungssprecher sagte, die Sicherheitskräfte würden auch in der Exklave für Ordnung sorgen. Marokko entsandte am Dienstag Verstärkung an den Grenzübergang Fnideq. Sicherheitskräfte setzten dort Tränengas ein, weil sich dort weiterhin Menschen in der Hoffnung versammelten, ebenfalls die Grenze nach Ceuta überwinden zu können, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Höchststand an Ankommenden

Noch nie zuvor kamen so viele Menschen binnen eines Tages in die kleine Exklave mit rund 85.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Marokko hatte die Kontrolle der angrenzenden Strände ohne Erklärung ausgesetzt. Tausende gingen oder liefen in der Folge an der Küste bis an den Grenzzaun zu Ceuta. Von dort mussten sie nur um eine Mole herumschwimmen, um nach Ceuta zu gelangen.

Eine geflüchtete Mutter sagte etwa gegenüber der BBC, sie wolle nach Spanien, um ihrem Sohn eine Zukunft zu ermöglichen, da es in ihrer Heimat Tetouan in Marokko „nichts“ gebe. Und sie fügte hinzu: „Wir werden die Grenze überwinden. Entweder werden wir sterben. Oder wir werden es schaffen.“

Für Spanien ist die Ankunft Tausender Menschen in Ceuta laut der spanischen Zeitung „El Pais“ ein „beispielloses Ereignis“. Im November des Vorjahres reisten rund 1.500 Menschen an einem einzigen Wochenende über die Kanarischen Inseln ein, das sei der bisherige Rekord gewesen, schreibt die Zeitung.

Die Behörden der Exklave wurden völlig überwältigt und konnten nicht mehr tun, als Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Ein Mensch ertrank. Die Erwachsenen, die zuerst in der Stadt unterwegs waren, wurden in ein Stadion gebracht. Die Minderjährigen wurden in einem inzwischen völlig überfüllten Auffanglager untergebracht.

Flüchtlinge in Ceuta
AP/Javier Fergo
Tausende Menschen erreichten die spanische Exklave über die Küste

Menschen flüchten auch in spanische Exklave Melilla

„El Pais“ beschrieb die Lage vor Ceuta tags zuvor als eine „Autobahn auf dem Meer“. Die meisten der Ankommenden seien Männer, aber es seien auch Frauen und Familien mit Babys darunter gewesen. Bei etwa 1.500 der seit Montag angekommenen Menschen handelt es sich offiziellen Angaben zufolge um Minderjährige.

Einige hatten Schwimmreifen und kleine Schlauchboote dabei. Nach unbestätigten Medienberichten hatten sich auch in der marokkanischen Hafenstadt Tanger Menschen aus Ländern südlich der Sahara auf den Weg in Richtung Ceuta gemacht.

Unterdessen erreichten über 80 Menschen die spanische Exklave Melilla. Nach Angaben der örtlichen Behörden versuchten mehr als 300 Menschen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara, von Marokko aus den Grenzzaun zu überwinden. Den Behörden sei es gelungen, rund 200 Menschen zurückzuhalten. 85 Männer und eine Frau konnten die Absperrung überwinden.

Streit über Westsahara als Auslöser?

Nach Einschätzung spanischer Medien ließ Marokko die Menschen nach Ceuta passieren, weil es darüber verärgert ist, dass Spanien die medizinische Behandlung des Chefs der Unabhängigkeitsbewegung Polisario für Westsahara, Brahim Ghali, in einem Krankenhaus in Logrono erlaubte. Die Westsahara an der nordafrikanischen Atlantikküste war bis 1975 eine spanische Kolonie. Marokko kontrolliert und beansprucht große Teile des dünn besiedelten Gebiets an seiner Südgrenze. Die Polisario strebt nach Unabhängigkeit für die Westsahara. Marokko will der Region nur Autonomie zugestehen.

Rabat sieht in Ghali einen Kriegsverbrecher und fordert seine Festnahme. Erst vor zehn Tagen veröffentlichte das marokkanische Außenministerium eine wütende Erklärung und sprach von einer „schwerwiegenden Handlung“, die nicht zu rechtfertigen sei. Eine offiziele Erklärung aus Rabat für die Ereignisse rund um Ceuta gibt es bisher nicht.

Von spanischer Seite hieß es, dass es keinen Zusammenhang mit der Behandlung Ghalis in Spanien gebe. Außenministerin Arancha Gonzalez Laya sagte laut AFP am Montag, dass marokkanische Regierungsvertreter versichert hätten, dass die Ereignisse nichts mit der Situation in der Westsahara zu tun hätten.

Sanchez: „Schwere Krise für Spanien und Europa“

Die EU-Kommission forderte Marokko unterdessen auf, weitere Menschen an der Flucht nach Ceuta zu hindern. Die Situation sei besorgniserregend, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Dienstag. „Das Wichtigste ist jetzt, dass sich Marokko weiter dafür einsetzt, dass irreguläre Ausreisen verhindert werden.“

Zudem müssten Menschen, „die kein Bleiberecht haben, geordnet und effektiv zurückgeführt werden“. „Spanische Grenzen sind europäische Grenzen“, sagte Johansson im Europaparlament. Sie sprach von „beispiellosen irregulären Ankünften“ von Flüchtlingen in dem Gebiet.

Sanchez bezeichnete die Lage als „schwere Krise für Spanien und auch für Europa“. Er kündigte an, „die Ordnung in der Stadt (Ceuta) und an unseren Grenzen so schnell wie möglich wiederherstellen“ zu wollen. Sanchez wollte noch am Dienstag selbst nach Ceuta reisen.