die zurückgetretene deutsche Familienministerin Franziska Giffey (SPD)
Reuters/John MacDougall
Plagiatsvorwurf

Deutsche Ministerin tritt zurück

Nach wochenlangen Diskussionen über die Aberkennung ihres Doktortitels ist Franziska Giffey (SPD) am Mittwochvormittag von ihrem Amt als Familienministerin zurückgetreten. Für Giffey, die als eine Zukunftshoffnung der SPD gilt, ist das auch ein taktischer Schritt: Sie macht reinen Tisch vor einem geplanten Politcomeback auf einer anderen Bühne.

Wie das Familienministerium mitteilte, bat Giffey in der Regierungssitzung Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um Entlassung aus ihrem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Als Begründung nannte sie das laufende Verfahren der Freien Universität Berlin zur Überprüfung ihres Doktortitels und die Diskussionen über ihre Dissertation.

„In den letzten Tagen sind erneut Diskussionen um meine Dissertation aus dem Jahr 2010 aufgekommen“, sagte Giffey am Mittwoch. Das Verfahren zur Überprüfung ihres Doktortitels sei im Jahr 2020 wieder aufgerollt worden. Sie habe daraufhin erklärt, ihren Titel nicht mehr zu führen, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und die zurückgetretene deutsche Familienministerin Franziska Giffey
APA/AFP/Michele Tantussi
Merkel und Giffey bei der Regierungssitzung, bei der der Rücktritt bekanntwurde

„Anspruch auf Klarheit“

Nun habe ihr die Freie Universität Berlin im laufenden Prüfverfahren bis Anfang Juni Zeit für eine Stellungnahme gegeben, die sie wahrnehmen werde, sagte Giffey weiter. Danach solle das laufende Verfahren abgeschlossen sein.

„Die Mitglieder der Bundesregierung, meine Partei und die Öffentlichkeit haben aber schon jetzt Anspruch auf Klarheit und Verbindlichkeit. Daher habe ich mich entschieden, die Bundeskanzlerin um Entlassung durch den Bundespräsidenten aus meinem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu bitten“, erklärte sie.

Beteuert Unschuld

Trotz dieser Entscheidung stehe sie weiterhin zu ihrer Aussage, ihre Dissertation nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben zu haben. „Ich bedauere, wenn mir dabei Fehler unterlaufen sind. Sollte die Freie Universität in ihrer nunmehr dritten Überprüfung meiner Arbeit zu dem Ergebnis kommen, mir den Titel abzuerkennen, werde ich diese Entscheidung akzeptieren. Bereits heute ziehe ich die Konsequenzen aus dem andauernden und belastenden Verfahren. Damit stehe ich zu meinem Wort.“

Ziel: Bürgermeisterin von Berlin

2010 hatte Giffey ihre Doktorarbeit an der Freien Universität Berlin eingereicht. Im Febraur 2019 wurden die Plagiatsvorwürfe bekannt und eine Prüfung eingeleitet. Im Oktober wurde diese Prüfung mit einer Rüge abgeschlossen, Giffey behielt aber ihren Doktortitel. Diese Entscheidung traf allerdings auf laute Kritik, woraufhin die Universität 2020 eine neue Prüfung startete. Im Herbst kündigte Giffey an, den Titel künftig nicht mehr zu führen. Sie hatte zugleich immer betont, das Ministeramt aufzugeben, wenn ihr der Titel aberkannt wird.

Mit ihrem Rücktritt kommt sie medial einer offenbar drohenden Aberkennung zuvor. Zugleich versucht Giffey damit wohl, das Thema vor dem Herbst vom Tisch zu bekommen: Dann will sie als SPD-Spitzenkandidatin bei der Berlin-Wahl um das Bürgermeisteramt kämpfen. Als Berlinerin konzentriere sie sich „jetzt mit all meiner Kraft auf meine Herzenssache: ganz sicher Berlin“. Die Wahl findet am 26. September zugleich mit der Bundestagswahl statt.

Justizministerin übernimmt

Nach Giffeys Rücktritt soll Justizministerin Christine Lambrecht (ebenfalls SPD) deren Amt zusätzlich übernehmen. Das teilten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Mittwoch in Berlin mit. Lambrecht habe sich bereiterklärt, die Aufgaben bis zum Ende der Legislaturperiode Ende September zu übernehmen. Kanzlerin Merkel dankte Giffey für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Sie habe sich „mit Leidenschaft und Geschick für ihre politischen Themen eingesetzt“, so Merkel.

In Österreich war im Jänner nach nicht ganz einem Jahr Amtszeit Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) wegen Plagiatsvorwürfen gegen ihre Diplomarbeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt und ihrer Dissertation an der Uni Bratislava zurückgetreten.