Prinz Harry und Prinz William im Mai 2018
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Diana-Interview erschlichen

Schwere Vorwürfe von Harry und William

Der am Donnerstag veröffentlichte Untersuchungsbericht zum legendären BBC-Interview mit Prinzessin Diana schlägt weiter Wellen. Dianas Söhne Harry und William übten nun heftige Kritik an der BBC und dem Journalisten Martin Bashir. Das Interview sei auf „betrügerische Weise“ zustande gekommen, sagte William. Harry sah darin gar einen Beitrag zum Tod seiner Mutter.

Der Bericht hatte ergeben, dass der BBC-Reporter Bashir der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gefälschte Dokumente eingesetzt hatte, um Zugang zu Diana zu erhalten. Er hatte dem Bruder Dianas, Charles Spencer, gefälschte Kontoauszüge vorgelegt, die beweisen sollten, dass Diana von Menschen in ihrem Umfeld bespitzelt wird. Spencer fädelte daraufhin ein Treffen zwischen dem Journalisten und Diana ein. Später hatte die BBC das Fehlverhalten vertuscht.

Das Interview habe einen „wesentlichen Beitrag“ geleistet, dass sich die Beziehung seiner Eltern verschlechtert habe, sagte William in einer Videobotschaft. „Es ist meine Sicht, dass die betrügerische Weise, in der das Interview zustande kam, substanziell beeinflusst hat, was meine Mutter sagte“, so der 38-Jährige weiter. Das Versagen der BBC habe erheblich zu ihrer „Angst, Paranoia und Isolierung“ beigetragen.

„Welleneffekt einer Kultur der Ausbeutung“

William erhob schwere Vorwürfe gegen die damalige Führungsebene der BBC, die weggeschaut habe, statt harte Fragen zu stellen. Was ihn am meisten traurig mache, sei, dass die bereits 1995 aufgekommenen Bedenken und Beschwerden nicht ordentlich untersucht worden seien. „Meine Mutter wäre sich bewusst geworden, dass sie betrogen wurde“, sagte der Zweite in der britischen Thronfolge. Das Interview solle nie wieder ausgestrahlt werden, forderte William.

Harry (36) machte das Fehlverhalten der Medien gar für Dianas Tod mitverantwortlich. „Der Welleneffekt einer Kultur der Ausbeutung und der unethischen Praktiken hat sie letztlich das Leben gekostet“, sagte Harry in einer Mitteilung. Diana starb bei einem Autounfall auf der Flucht vor Paparazzi mit ihrem damaligen Freund Dodi Al Fayed in Paris.

Harry spricht über psychische Probleme

„Was mich zutiefst besorgt, ist, dass Praktiken wie diese – und sogar schlimmere – noch immer weit verbreitet sind“, so der inzwischen mit seiner Frau Meghan (39) und seinem Sohn Archie (2) in Kalifornien lebende Prinz. Seit dem Tod seiner Mutter habe sich nichts geändert, fuhr Harry fort.

Er habe lange mit psychischen Problemen zu kämpfen gehabt, gab er in einer neuen Dokuserie laut dem Promiportal „People“ auch preis. Die Zeit etwa von 28 bis 32 sei der reinste Alptraum für ihn gewesen. Er habe zeitweise auch zu Alkohol und Drogen gegriffen, um mit seinen Gefühlen fertig zu werden. Die Serie trägt den Titel „The Me You Can’t See“ („Das Ich, das du nicht siehst“) und wurde gemeinsam mit US-Moderatorin Oprah Winfrey (67) für den Streamingdienst von Apple produziert.

Dianas Bruder übt Kritik

Wie Harry erhob auch Dianas Bruder nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts die Anschuldigung, dass die Folgen des Interviews zum Tod der Prinzessin beigetragen hätten. „Sie wusste nicht, wem sie vertrauen sollte, und schließlich, als sie zwei Jahre später starb, war sie ohne irgendeine Form wirklichen Schutzes“, sagte Charles Spencer der BBC.

Am Donnerstag postete Spencer kurz vor Veröffentlichung des Berichts eine Nachricht auf Twitter, die ihn und seine Schwester als Kinder zeigt: „Einige Bindungen reichen sehr weit zurück.“ Spencer bestand in den vergangenen Monaten darauf, dass die Vorgänge untersucht werden. Die BBC beauftragte daraufhin einen früheren Richter am Obersten Gerichtshof, Lord John Dyson, mit einer unabhängigen Prüfung der Vorwürfe.

Spencer warf Bashir zudem vor, er habe seiner Schwester vorgegaukelt, sie werde vom Geheimdienst bespitzelt. Er übergab Richter Dyson mehrere handschriftliche Notizen, die er bei einem Vorgespräch Dianas mit Bashir gemacht hatte. Spencer sagte, er hätte Bashir Diana niemals vorgestellt, hätte er eine Ahnung von den Fälschungen gehabt. Der Bericht stellt auch infrage, ob Diana die Aussagen auch gemacht hätte, wenn sie nicht ausgetrickst worden wäre. Angeblich ja, hatte die BBC im Vorjahr berichtet und auf eine handschriftliche Notiz der Prinzessin verwiesen. Darin habe sie festgehalten, gefälschte Dokumente hätten keine Rolle bei ihrer Entscheidung für das Interview gespielt.

Diana während des BBC-Interviews durch Martin Bashir im November 1995
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Es sei eine Ehe zu dritt gewesen, „deswegen war es ein bisschen eng“ („There were three of us in this marriage, so it was a bit crowded“) – Dianas Worte sorgten nicht nur in Großbritannien für ein Erdbeben

BBC entschuldigt sich

Die BBC veröffentlichte nach Erscheinen des Untersuchungsberichts am Donnerstag eine „umfassende und bedingungslose Entschuldigung“. Die Rundfunkanstalt kündigte zudem an, alle ihre für das Interview erhaltenen Auszeichnungen zurückzugeben. Bashir entschuldigte sich ebenfalls für die Methoden, mit denen er sich das Interview besorgt hatte: „Es war eine Dummheit, das zu tun, und es ist eine Tat, die ich zutiefst bedauere.“

Der britische Justizminister Robert Buckland kündigte indes als Reaktion auf den Untersuchungsbericht an, dass die Führungsstrukturen der BBC überprüft werden. Die Metropolitan Police wollte die Inhalte des Berichts indes hinsichtlich etwaiger „neuer Beweise“ beurteilen. Die Polizei hatte erst Anfang März Ermittlungen zum BBC-Interview ausgeschlossen.

Auch Premierminister Boris Johnson äußerte sich besorgt über die Untersuchungsergebnisse. „Ich kann nur ahnen, was die Königsfamilie empfindet“, sagte er beim Besuch eines Flugzeugträgers in der Hafenstadt Portsmouth und fügte hinzu: „Ich hoffe sehr, dass die BBC jeden erdenklichen Schritt unternimmt, um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder geschieht.“

Diana: „Wir waren zu dritt in dieser Ehe“

Das im Fernsehen zur besten Sendezeit ausgestrahlte Exklusivgespräch lockte im November 1995 rund 23 Millionen Menschen in Großbritannien vor die Bildschirme. Die bereits von Prinz Charles getrennte, aber noch nicht geschiedene Diana beschrieb darin, wie sie sich in der medialen Dauerbeobachtung zuerst vom Königshaus alleingelassen und nach der Trennung sabotiert und gezielt in ihrem Ruf beschädigt fühlte – auch aus Neid auf ihre große Beliebtheit.

Martin Bashir
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Martin Bashir trat kürzlich zurück

Außerdem legte Diana die Affäre ihres Mannes mit Camilla Parker-Bowles offen. „Wir waren zu dritt in dieser Ehe“, sagte Diana in die Kamera: Zudem gestand sie, selbst untreu gewesen zu sein. Dass Diana in dem TV-Interview den schlechten Zustand ihrer Ehe und ihrer Gesundheit preisgab, gilt noch heute als spektakulärer Tabubruch. Kurz darauf reichte Charles die Scheidung ein. 1997 kam die Prinzessin bei einem Autounfall in Paris ums Leben. Ihr Ex-Mann heiratete 2005 seine Jugendliebe Camilla.

Den noch relativ unbekannten Interviewer Bashir machte das Enthüllungsgespräch mit einem Schlag weltberühmt. Er wechselte später zu ITV und arbeitete dann jahrelang für die US-Sender ABC und MSNBC als Moderator. 2016 kehrte er zur BBC zurück, als Korrespondent für religiöse Fragen. Erst vor wenigen Tagen trat er ab – aus gesundheitlichen Gründen, wie die BBC mitteilte. Bashir kämpft seit Längerem mit schweren Herzproblemen und unterzog sich kürzlich einer Operation. Strafrechtliche Konsequenzen gibt es bisher nicht, weder für Bashir noch die BBC.