Eine Schale mit Obst und Gemüse
ORF.at/Dominique Hammer
Rechnungshof-Kritik

Lebensmittelverschwendung stößt sauer auf

790.790 Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen fallen jährlich in Österreich an. Auf diese erschreckend hohe Zahl kommt eine Prüfung des Rechnungshofs (RH). Von der Politik wird eine umfassende Strategie zur Reduzierung der Verschwendung verlangt, die „alle Sektoren der Lebensmittelkette“ einbeziehen sollte.

Die Haushalte tragen laut Rechnungshof mit 206.990 Tonnen am meisten zur jährlichen Abfallmenge bei. In der Außer-Haus-Verpflegung landen 175.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle im Müll. Der Handel verursacht mit 120.000 Tonnen die geringste Menge aller Sektoren. Diese Zahlen würden jedoch nur einen „näherungsweisen Überblick“ bieten, heißt es im Bericht, schließlich wurden die Daten zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben – jene zum privaten Sektor beispielsweise 2012, jene zur Außer-Haus-Verpflegung drei Jahre später.

Die Zahlen hat der RH für den Bericht „Verringerung der Lebensmittelverschwendung – Umsetzung des Unterziels 12.3 der Agenda 2030“ eruiert. Darin kommen die Prüfer zum Schluss: „Aktuelle, systematisch und umfassend erhobene Zahlen durch das Klimaschutzministerium (BMK) über das tatsächliche Ausmaß der Lebensmittelverschwendung fehlen hierzulande. Daher wird es auch nicht möglich sein zu beurteilen, ob Österreich das Ziel für nachhaltige Entwicklung erreichen wird, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung pro Kopf zu halbieren.“ Darauf hatten sich 2015 die Staats- und Regierungschefs der UNO-Mitgliedsstaaten geeinigt.

Entsorgungsverbot in Planung

Im Regierungsprogramm 2020–2024 ist ein Verbot der Entsorgung genusstauglicher Nahrungsmittel im Lebensmitteleinzelhandel verankert. Derzeit gibt es ein auf Freiwilligkeit basierendes Kooperationsmodell: 2017 gab der Einzelhandel mit 12.250 Tonnen doppelt so viele Lebensmittel an soziale Einrichtungen weiter wie 2013.

Biomüll im Mistkübel
ORF.at/Lukas Krummholz
Viel zu oft landet im Müll, was bedenkenlos genießbar wäre

Für den Fall eines gesetzlichen Entsorgungsverbots hatten die Empfängereinrichtungen wiederholt Bedenken hinsichtlich finanzieller und personeller Ressourcen sowie Kühlungs-, Lager- und Verteilungskapazitäten geäußert. Der Rechnungshof empfiehlt daher dem Ministerium, im Falle einer gesetzlichen Verpflichtung für die Unternehmen zum Spenden von Lebensmitteln die infrastrukturellen, logistischen und finanziellen Rahmenbedingungen zu bedenken.

Fehlende Koordination

Kritik übt der RH in seinem Bericht auch am Fehlen einer Koordinierungsstelle, wie sie im Regierungsprogramm 2020-–2024 eigentlich geplant ist: „Ab 29. Jänner 2020 nahmen in drei Bundesministerien (BMK, Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sowie Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) sieben verschiedene Organisationseinheiten Aufgaben zur Umsetzung der verringerten Lebensmittelverschwendung wahr. Zudem wirkten neben den zuständigen Bundesministerien weitere nationale Stellen an der Umsetzung des Unterziels mit."

Das Klimaschutzministerium setzt laut RH in Sachen nachhaltige Entwicklungsziele primär auf das Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar!“ sowie das Abfallvermeidungsprogramm. Beide würden jedoch „überwiegend operativen Charakter“ aufweisen und vor allem auf die Sektoren Handel, Außer-Haus-Verpflegung und privater Konsum abzielen. Was fehle, sei eine umfassende Strategie sowie die Einbeziehung der Sektoren Landwirtschaft und Produktion, monierten die Prüfer.

„70.000 randvoll geladene“ Lkws

Kritik an der „mageren Informations- und Datenlage“ kam von NEOS. Ein Umdenken und Wandel im Konsumverhalten „kann nur unter Einbindung von Landwirtschaft und Produktion funktionieren“, sagte Konsumentenschutzsprecher Felix Eypeltauer. Die rund 800.000 Tonnen vermeidbarer Lebensmittelabfälle jährlich „wären 70.000 randvoll geladene“ Lkws.

„Wir müssen gesamtgesellschaftliche Lösungen finden“, sagte die grüne Konsumentenschutzsprecherin Ulrike Fischer. „791.000 Tonnen – damit könnte man ganz Tirol und Vorarlberg ein Jahr lang satt machen“, gab Umweltsprecherin Astrid Rössler zu bedenken. Der Rechnungshof-Bericht zeige aber auch, „dass wir mit unserem Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung ein ganz wichtiges Maßnahmenpaket erarbeiten, das an den richtigen Hebeln ansetzt“.

„Wichtiger Beitrag für mehr Klimaschutz“

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler betonte indes in einer Aussendung, dass Lebensmittel „wertvolle Ressourcen“ sind, mit denen sorgsam umzugehen ist. Und weiter: „Wir haben uns im Regierungsprogramm zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung in Österreich zu verringern, und genau daran arbeiten wir.“ Mit der freiwilligen Weitergabe von Lebensmitteln durch den Handel an soziale Einrichtungen sei es bereits gelungen, die Lebensmittelverschwendung zu verringern.

„Unter Federführung des Klimaschutzministeriums werden wir ressortübergreifend eine Strategie und einen konkreten Aktionsplan gegen das große Wegwerfen erarbeiten, die Planungen hierfür laufen bereits. Damit werden wir all unsere bisherigen Aktionen sinnvoll ergänzen.“ Denn der Kampf gegen die Verschwendung sei ein „wichtiger Beitrag für mehr Klimaschutz“.