Bulgarien: Ermittlungen zu angeblicher Abhöraffäre

Die Ermittlungsbehörden in Bulgarien untersuchen Vorwürfe, wonach die frühere Regierung unter Ministerpräsident Bojko Borissow Oppositionspolitiker vor der Parlamentswahl im April abgehört haben soll.

Die Staatsanwaltschaft in Sofia teilte gestern mit, sie prüfe derzeit, ob es „irgendwelche Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von speziellen Überwachungsgeräten“ gegeben habe. Nach bulgarischem Recht kann eine Überwachung nur zum Zweck einer strafrechtlichen Untersuchung genehmigt werden.

32 Oppositionspolitiker abgehört?

Wie der frühere Politiker und Leiter des staatlichen Sicherheitsdienstes, Atanas Atanasow, am Vortag erklärte, sollen im ersten Halbjahr 32 Oppositionspolitikerinnen und -politiker abgehört worden sein. Betroffen waren demnach Mitglieder seines Bündnisses Demokratisches Bulgarien sowie weitere Personen, die sich an Protesten gegen die Korruption im Land beteiligten.

Zu den Betroffenen soll auch der Leiter der derzeitigen Übergangsregierung, Stefan Janew, zählen. Er war zuvor Verteidigungsberater von Präsident Rumen Radew und gilt als Kritiker des langjährigen Ministerpräsidenten Borissow.

„Versuch, Demokratie anzugreifen“

Der Oppositionelle Hristo Iwanow sagte der Nachrichtenagentur AFP, das Abhören von Politikern sei „ein Versuch, die Demokratie anzugreifen“. Er verwies auf die hohe Zahl mutmaßlicher Opfer: „Die Behörden können die Überwachung von ein oder zwei Politikern rechtfertigen, aber wenn Dutzende betroffen sind, ist das ein Eingriff der Sicherheitsdienste in den Wahlkampf.“

Aus der Parlamentswahl im April war die GERB-Partei (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) von Borissow als Sieger hervorgegangen. Sie fand jedoch keinen Koalitionspartner. Am 11. Juli gibt es Neuwahlen.

Borissow war in Bulgarien seit 2009 fast durchgehend an der Macht. Er geriet zuletzt wegen Korruptionsaffären und wegen des CoV-Krisenmanagements in die Kritik. Vergangenes Jahr hatte es große Demonstrationen gegen die Regierung in dem ärmsten EU-Land gegeben.