Flugzeug der Fluglinie Ryanair bei seiner Landung in Vilnius
AP/Mindaugas Kulbis
Erzwungene Landung

Spekulationen über Agenten an Bord

Nach der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine in Weißrussland und der Verhaftung des Oppositionellen Roman Protassewitsch gibt es Spekulationen über weißrussische Geheimdienstmitarbeiter an Bord.

Der Chef der litauischen Kriminalpolizei, Rolandas Kiskis, sagte am Montag, beim Start in Athen hätten sich 126 Passagiere an Bord befunden. Am planmäßigen Ziel in der litauischen Hauptstadt Vilnius seien mit dieser Maschine am Sonntagabend schließlich jedoch nur 121 Passagiere angekommen. Bei der Landung in Minsk wurde Protassewitsch festgenommen. Die Festnahme wurde mit einem Tag Verspätung von Minsk bestätigt. Zudem kam nach Angaben einer Universität in Vilnius eine dort als Studentin eingeschriebene Begleiterin Protassewitschs ebenfalls nicht auf dem planmäßigen Zielflughafen an.

Es könnte sich dabei um jene russische Staatsbürgerin handeln, die der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag in einer Pressekonferenz erwähnte. Sie sei in Begleitung des Bloggers gewesen, so Lawrow am Montag der Agentur Interfax zufolge. Er sprach von einer „Bekannten“ des festgenommenen Oppositionsaktivisten. Mehrere Medien schrieben, dass es sich um die Freundin des Bloggers handeln soll.

Der Aktivist Roman Protasevich 2017
Reuters
Der Regimekritiker Roman Protassewitsch auf einem Bild von 2017

Irland vermutet Geheimdienstmitarbeiter

Auch der weißrussische Oppositionspolitiker Pawel Latuschko sagte, dass neben Protassewitsch mehrere Passagiere nicht die Weiterreise angetreten hätten, darunter auch ein Bürger aus Weißrussland und vier Russen. Rechnerisch geht sich das allerdings nur aus, wenn man Protassewitsch und seine ebefalls festgenommene Begleitung nicht dazuhzählt, sonst wären nur drei weitere Personen ebenfalls in Minsk geblieben.

Ryanair-Chef Michael O’Leary und der irische Außenminister Simon Coveney hatten die Vermutung geäußert, dass es sich bei den übrigen fehlenden Passagieren um weißrussische Geheimdienstmitarbeiter gehandelt habe. Demnach hätte Weißrussland Agenten bereits beim Abflug auf griechischem Boden eingesetzt. Litauens Kriminalpolizei-Chef Kiskis wollte sich zur Identität der fehlenden Passagiere nicht äußern.

EU erwägt Strafmaßnahmen gegen Weißrussland

Die erzwungene Landung eines Linienflugzeugs in der weißrussischen Hauptstadt Minsk sorgt für internationale Empörung. Offenbar hat die weißrussische Regierung das Flugzeug zur Landung gezwungen, um einen Regimekritiker an Bord zu verhaften. Die EU erwägt Strafmaßnahmen gegen Weißrussland.

Weißrussland präsentiert angebliche Bombenwarnung

Gegen das zur Landung in Minsk gezwungene Ryanair-Flugzeug lag nach Angaben der Regierung in Weißrussland ein Drohschreiben der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas vor. In der E-Mail habe es unter anderem geheißen, dass an Bord der Maschine „eine Bombe deponiert“ sei, sagte am Montag der Chef der Luftfahrtabteilung im weißrussischen Transportministerium, Artem Sikorski, vor Journalisten. Zum Beleg las er nach eigenen Angaben eine russische Übersetzung der angeblich auf englisch abgefassten E-Mail vor. Die Hamas dementierte freilich Montagabend, ein solches Drohmail verfasst zu haben.

Die weißrussische Luftwaffe versicherte derweil, die Besatzung der Ryanair-Maschine habe selbst beschlossen, in Minsk zu landen, nachdem sie über die Bombendrohung informiert worden sei. Es habe keinen Zwang von außen gegeben, sagte Luftwaffen-Chef Igor Golub. Ryanair-Chef O’Leary hatte zuvor eine eindeutig andere Version geliefert: „Es war eine staatlich geförderte Entführung,“ sagte er. Er gehe auch davon aus, dass an Bord der Ryanair-Maschine Agenten des weißrussischen Geheimdienstes KGB gewesen seien.

Ryanair-Maschine und Feuerwehrautos auf dem Flughafen Minsk (Weißrussland)
APA/AFP
Der Ryanairflug wurde zur Notlandung gezwungen – und ein Regimegegner an Bord verhaftet

Vater: Operation sorgfältig geplant

Protassewitschs Vater Dmitri zeigte sich im Interview des weißrussischen Radiosenders Radio Swoboda überzeugt, dass es sich um eine sorgfältige Operation, an der nicht nur Weißrussland beteiligt war. Russland ist enger Verbündeter von Weißrussland. Sein Sohn war auf der Rückreise von einem Griechenland-Urlaub in die litauische Hauptstadt Vilnius. Dmitri Protassewitsch sprach von einem „Terrorakt“ Lukaschenkos.