Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
Maßnahmenvollzug

Strengere Auflagen für Einweisung

Am Dienstag haben Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) den ersten Punkt einer Reform des Maßnahmenvollzugs präsentiert: So soll es künftig für die Verhängung des Maßnahmenvollzugs höhere Hürden geben. Zugleich wird aber die Möglichkeit geschaffen, ihn – in bestimmten Fällen – auch für terroristische Gefährder auszusprechen.

Eingeführt vor fast fünf Jahrzehnten, ist der Maßnahmenvollzug hierzulande nicht nur eine der weitreichendsten freiheitsentziehenden Maßnahmen – sondern auch eine der am meisten kritisierten; erlaubt er doch dem Staat, psychisch kranke Rechtsbrecher ohne zeitliche Begrenzung wegzusperren. Eine Möglichkeit, von der in den vergangenen Jahren zunehmend Gebrauch gemacht wurde. „Derzeit befinden sich 1.300 Menschen im Maßnahmevollzug. In den vergangenen Jahren ist die Zahl um 60 Prozent gestiegen“, sagte Zadic am Dienstag.

Laut der Justizministerin soll sich dieser Trend in Zukunft nicht fortsetzen. Österreich sei für die derzeitige Praxis „zu Recht“ auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) kritisiert und verurteilt worden, so Zadic. Mit der Reform des Maßnahmenvollzugs solle dieser nun treffsicherer werden. Zwei Fragen stünden im Zentrum der Reform: Welche Menschen sollen im Maßnahmenvollzug sein? Was passiert mit den Menschen im Maßnahmenvollzug?

Reform des Strafmaßnahmenvollzugs vorgestellt

Die Koalition hat erste Details aus der Reform des Strafmaßnahmenvollzugs präsentiert. Psychisch kranke Straftäter etwa sollen eine kürzere Haft absitzen müssen. Am Mittwoch soll der Entwurf in Begutachtung gehen.

Mit einer Antwort auf die zweite Frage lässt sich die Regierung noch etwas Zeit. Der Teil des Reformpakets, der sich mit dem Vollzug an sich beschäftigt, werde am Mittwoch im Ministerrat behandelt und „demnächst präsentiert“, so Zadic. Auf die erste Frage hatten die Justizministerin und ihr Amtskollege aus dem Innenministerium aber bereits eine Antwort im Gepäck: „Heute ändern wir die Eckpunkte der Einweisungsvoraussetzungen für den Maßnahmenvollzug“, sagte Zadic. Die Gesetzesänderung gehe noch am Dienstag in Begutachtung.

Drohung nicht mehr ausreichend

Bisher habe für eine Einweisung in den Maßnahmenvollzug gereicht, dass eine psychisch kranke Person während einer Psychose eine Drohung ausgestoßen habe. Das soll laut Justizministerin nun nicht mehr möglich sein. Um in den Maßnahmenvollzug zu kommen, müsse künftig eine Straftat vorliegen, deren Strafrahmen mindestens drei Jahre betrage.

Nur für Personen, bei denen eine „besondere Gefährlichkeit“ hinzukomme, könne bereits ein Strafrahmen von einem bis drei Jahren ausreichen. Das Aussprechen einer Drohung oder das Stoßen eines Passanten sei davon jedenfalls nicht mehr erfasst, so Zadic. Änderungen sind laut der Justizministerin auch bei Jugendlichen vorgesehen. Für sie dürfte der Maßnahmenvollzug künftig nur noch für maximal 15 Jahre ausgesprochen werden. Zugleich müssten sie ein „Kapitalverbrechen“ (Delikte mit einer Strafandrohung von zehn oder mehr Jahren) begangen haben.

Potenzielle Terroristen als „gefährliche Rückfalltäter“

Die Koalition einigte sich allerdings nicht allein auf höhere Hürden für den Strafvollzug. Teil des ersten Reformpakets wird auch eine Erweiterung des Begriffs „gefährliche Rückfalltäter“ sein. So sollen darunter künftig auch terroristische Gefährder fallen. „Auch ein verurteilter Terrorist fällt unter diesen Begriff“, sagte Nehammer. Das sei Teil des Anti-Terror-Pakets der Koalition, so der Innenminister.

Allerdings: Die Voraussetzung dafür ist zumindest eine Zweitverurteilung. Der Täter des Wiener Terroranschlags vom Herbst wäre wohl nicht darunter gefallen, räumte Nehammer ein. Zadic sah das etwas anders, jedenfalls wenn es wegen des versuchten Waffenkaufs zu einer Anklage gekommen wäre. Das hätte als Vortat eventuell die Voraussetzung für eine Unterbringung erfüllt, meinte sie.

Die Höchstdauer der Unterbringung beträgt zehn Jahre (Täter unter 21 Jahren: fünf Jahre). Dazu kommt noch die Dauer der Verurteilung wegen der Straftat selbst. Die Unterbringung erfolgt in Hochsicherheitsabteilungen getrennt von psychisch kranken Personen. Seit dem Terroranschlag war heftig darüber diskutiert worden, ob „Gefährder“, die wegen einer extremistischen Straftat verurteilt wurden, über ihre Strafe hinaus weggesperrt werden sollten. Die Expertenkommission um die Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes hatte eine solche Maßnahme in ihrem Bericht Anfang des Jahres noch abgelehnt.

Änderungen für SPÖ „bestenfalls kosemetischer Natur“

Von Änderungen „bestenfalls kosmetischer Natur“ sprach SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim. Sie kritisierte, dass zum Zeitpunkt der Pressekonferenz noch kein konkreter Gesetzestext vorgelegen sei. Zadic setze „den gefährlichen türkis-blauen Weg eines Sicherungshaft-Populismus fort“, so Yildirim. Sie sah weiterhin „zahlreiche Punkte“ offen.

Auch für NEOS blieben „ganz wesentliche Fragen“ unbeantwortet. „Wie soll erreicht werden, dass sich die Verfahrensdauer im Unterbringungsverfahren, speziell im Überprüfungsverfahren, drastisch verkürzt? Wie wird bewerkstelligt, dass eine ausreichende Zahl qualifizierter Gutachter zur Verfügung steht?“, so NEOS-Justizsprecher Johanes Margraiter. „Einige Punkte des vorgestellten Plans“ weisen laut Margraiter allerdings „in die richtige Richtung.“

Lob für die grüne Justizministerin kam wenig überraschend auch aus der eigenen Partei. „Zahlreiche Vorgängerregierungen haben bereits die Notwendigkeit von Reformen im Maßnahmenvollzug erkannt, aber erst unter Grüner Regierungsbeteiligung werden diese jetzt tatsächlich umgesetzt“, so die Justizsprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer, in einer Aussendung.

Lobende Worte fand auch ÖVP-Volksanwalt Werner Amon. Es sei ein erster wichtiger Schritt, dass die Einweisung in den Maßnahmenvollzug neu geregelt werde. Allerdings seien auch für die Volksanwaltschaft noch einige Fragen offen. In der Pressekonferenz sei etwa noch nicht geklärt worden, ob es neue forensische Zentren gebe, oder ob und wie die Therapie im Maßnahmenvollzug reformiert werde.