Menschen warten vor einer Bankfiliale
Reuters/Gonzalo Fuentes
Studie

40 Prozent der Bankfilialen droht Schließung

Seit Jahren schrumpft das Filialnetz der Banken unübersehbar. Dieser Trend verschärft sich laut einer neuen Studie in den kommenden Jahren weiter. Bis 2023 könnten 40 Prozent der Bankfilialen in Europa wegfallen. Die Coronavirus-Krise ist nicht der einzige Grund dafür.

Auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kundinnen und Kunden der europäischen Banken komme die bisher größte Welle von Bankfilialschließungen zu, wie die Finanzfachleute der Unternehmensberatung PwC Strategy& in einer am Dienstag erschienenen Branchenstudie prophezeien.

Von 2016 bis 2019 verringerten sich laut Strategy& die Geschäftsstellen der Banken um je vier Prozent pro Jahr, von 2019 auf 2020 um weitere fünf Prozent. Weitere Schließungen stehen im Raum: Bis 2023 könnten die Retailbanken bis zu 40 Prozent ihrer Geschäftsstellen aufgeben.

CoV ließ Gewinne schrumpfen

Ursachen dafür war unter anderem die Coronavirus-Pandemie. Weil diese Bewegung und Konsum einschränkte, konnten die Leute weniger Geld ausgeben, die Banken verbuchten ein dreimal höheres Wachstum bei den Einlagen, zugleich sank die Zahl internationaler Transaktionen und Kreditkartenzahlungen sowie das Volumen der Konsumentenfinanzierungen.

Die Retailbanken machten daher durchschnittlich um vier Prozent weniger Umsatz, bei einem Viertel der untersuchten Banken brach der operative Gewinn um 40 Prozent ein. Im Gesamtdurchschnitt fiel der Profit um acht Prozent von 210 auf 193 Euro pro Kundin bzw. Kunde im Coronavirus-Jahr 2020.

Österreich im Mittelfeld

Die Lage ist keineswegs überall gleich: Mit 444 Euro Gewinn pro Kunde war die Schweiz 2020 im europäischen Vergleich unangefochtener Spitzenreiter. Österreichische Banken befinden sich mit 208 Euro dagegen nur im Mittelfeld, wie die PwC-Analyse zeigt. Besser als den österreichischen Banken geht es jenen in Belgien (295 Euro) und Nordeuropa (255 Euro). Österreich liegt aber deutlich vor den Banken in Deutschland, die unterdurchschnittliche 172 Euro pro Kundin bzw. Kunde verdienten.

Banking-App auf Smartphone
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Die Coronavirus-Pandemie trieb mobiles Banking kräftig an

Studienautor Andreas Pratz und seine Kollegen betrachteten rund 50 Privatkundenbanken und Bankengruppen mit insgesamt 690 Millionen Kundinnen und Kunden sowie geschätzten Privatkundeneinlagen und Kreditvolumina in Höhe von 18 Billionen Euro. Einbezogen wurden Banken aus 15 Ländern in Europa sowie zu Vergleichszwecken auch in Nordamerika und Australien.

Stellenstreichungsprogramme

Viele europäische Geldhäuser litten auch vor der Coronavirus-Pandemie schon unter dem grundsätzlichen Problem schrumpfender Umsätze. Jedoch galt das nicht generell, laut Studie schaffte es etwa ein Viertel der Banken, die Umsätze zu steigern.

Die sinkenden Margen verstärken nach Einschätzung der Unternehmensberater den Kostendruck ganz erheblich. Sie verweisen auf die bereits angekündigten umfangreichen Stellenstreichungsprogramme vieler Großbanken von der Deutschen Bank bis zur französischen Societe Generale. Die Zahl der Bankfilialen in Europa könnte daher bis 2023 von knapp 60.000 auf nur noch 36.000 sinken.

Umkehr bei Geschäftsmodell

Als Grund fürs Filialsterben wird auch das Kundenverhalten hervorgehoben, das sich in der Coronavirus-Krise noch mehr auf den digitalen Kanal fokussierte. Lockdowns in ganz Europa hätten gezeigt, dass die Betriebsmodelle der Banken mit deutlich reduzierten physischen Vertriebskanälen realisierbar seien.

Das traditionelle Geschäftsmodell, demzufolge die Banken in ihren Filialen auf die Kundschaft warten, wird sich laut Studie in Zukunft quasi umkehren: „Anstatt durch die besten Standorte möglichst viele Kunden in die Filialen zu locken, werden zukünftig durch gezieltes Onlinemarketing Kundenkontakte gewonnen“, sagte Studienautor Pratz laut Mitteilung.

Immer weniger Kunden in Filialen

Auch in Österreich gehen immer weniger Menschen in die Filialen. „Mobile Banking hat sich zum primären Kundenkontaktpunkt entwickelt“, sagte Michaela Schneider, geschäftsführende Partnerin des Finanzberatungsinstituts zeb in Österreich. Vor zehn Jahren seien noch vier Filialbesuche auf einen mobilen Kontakt gekommen, heute habe sich das Verhältnis umgekehrt: Für vier Kunden, die eine App nutzen, komme nur noch einer in die Filiale. Bereits mehr als die Hälfte aller Bankkunden in Österreich nütze das Smartphone für Bankgeschäfte.

Bankfilialen würden sich durch den Vormarsch des mobilen Bankings zwar verändern, jedoch nicht aussterben, so Schneider. Services wie das Einzahlen von Bargeld dürften zwar zunehmend aus der Filiale verschwinden, bei großen Entscheidungen wie einem hohen Kredit würden die Kunden jedoch weiterhin auf die Bankberaterin und den Bankberater zurückgreifen und auch das persönliche Gespräch weiter in Anspruch nehmen.

Durch den Ausbau des mobilen Angebots und Reduktionen bei den Filialen ergebe sich zudem Einsparungspotenzial für die Banken, etwa durch geringere Marketingkosten oder die Automatisierung von Prozessen. Gleichzeitig biete es Möglichkeiten für zusätzliche Einnahmequellen, beispielsweise über den mobilen Verkauf von standardisierten Produkten.