Thomas Schmid
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Chat-Affäre

Opposition begrüßt Schmid-Rücktritt

Als „längst überfällig“ haben die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ aber auch die Grünen den Rücktritt von ÖBAG-Chef Thomas Schmid bezeichnet. Dank kam indes von der ÖVP. Die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) hatte am Dienstag in einer Aussendung überraschend den sofortigen Rückzug Schmids bekanntgegeben.

Der Rücktritt Schmids ist für SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner „mehr als überfällig, von daher ist es gut und richtig“, sagte Rendi-Wagner am Dienstag vor Journalisten. Ihrer Ansicht nach hätte er schon viel früher erfolgen sollen. „Unsere Republik ist kein Selbstbedienungsladen.“ Die Chatprotokolle hätten sie betroffen gemacht und sogar schockiert.

„Wenn die österreichische Bevölkerung mit Tieren verglichen wird, Menschen als Pöbel bezeichnet werden, dann ist das schockierend und hochgradig und zu 100 Prozent abzulehnen“, sagte Rendi-Wagner. Der Rücktritt von Schmid hätte „vor Monaten passieren müssen“, so auch SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer vor den Befragungen im „Ibiza“-U-Ausschuss. Ferner sprach Krainer von einem „Staat im Staat“, die obersten Stellen seien bewusst von der „türkisen Familie“ besetzt worden.

Grafik zu ÖBAG-Vorständen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ÖBAG/Baumann

FPÖ: „Familie“ von Kurz „zerbröckelt“

Für die FPÖ ist der nunmehrige sofortige Rücktritt erst das Vorspiel, es sollten Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel folgen, so die FPÖ am Dienstag. „Schließlich sind diese beiden ÖVP-Politiker ja die Hauptverantwortlichen für den Umstand, dass die Republik Österreich zu einem korrupten Tollhaus mit ÖVP-Führungsetage umgebaut wurde“, so der Fraktionsführer der FPÖ im U-Ausschuss, Christian Hafenecker. Auch sei es jetzt notwendig, die „einvernehmliche Trennung“ zwischen Schmid und der ÖBAG transparent der Öffentlichkeit darzulegen.

Hafenecker sprach davon, dass die „Familie von Sebastian Kurz offensichtlich gerade zerbröckelt“. Der zurückgetretene Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter und Schmid hätten eine Rolle im „türkisen Netzwerk“ gespielt, nun stehe auch der Rücktritt des suspendierten Justizsektionschefs Christian Pilnacek an, so Hafenecker. Er wolle die Prognose wagen, dass weder Kurz noch Finanzminister Blümel „das Jahr politisch überleben werden“, es seien die Masterminds der „mafiösen Strukturen“. Der U-Ausschuss habe nachhaltig Wirkung gezeigt. Die Grünen bezeichnete er als „Beitragstäter der mafiösen Türkisen“.

Kogler: „Sinnvoll und notwendig“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte am Rande einer Pressekonferenz, dass das Ausscheiden von Schmid „sinnvoll und notwendig“ ist. Auch der Aufsichtsrat selbst habe es als „notwendigen Schritt“ begründet, dem habe „ich nicht viel dazuzufügen“, sagte Kogler. Seine Prognose sei ohnedies gewesen, dass der Aufsichtsrat vor dem Ausscheiden des ÖBAG-Chefs im März 2022 „Schritte setzen wird, weil es vernünftig, richtig und sinnvoll ist“.

ÖBAG-Chef Schmid muss gehen

Der Vorstand der Staatsholding ist am Dienstag mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Anlass sind durch staatsanwaltliche Ermittlungen bekanntgewordene Chatprotokolle.

Die grüne Fraktionsvorsitzende im U-Ausschuss, Nina Tomaselli, sagte, dass Schmids Rücktritt „längst überfällig“ gewesen sei. Der Aufsichtsrat habe „spät gehandelt“. Die ÖBAG („Familiensilber der Republik“) müsse geschützt werden. Der Rücktritt sei „Teil des politischen Selbstreinigungsprozesses“, die Politik sei damit „ein Stück sauberer“. Die Belege, „welches System unter Türkis-Blau geherrscht“ habe, würden „immer mehr“. Weitere Rücktritte seien „nicht auszuschließen“, so Tomaselli.

NEOS: Überfälliger Schritt

Auch NEOS sieht einen „längst überfälligen Schritt“. Schmid sei „einzig und allein aufgrund seiner türkisen Familie“ ÖBAG-Chef geworden, so NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. „Dass Schmid ohne Industrieerfahrung und ohne internationale Erfahrung überhaupt zum Alleinvorstand der ÖBAG wurde, liegt in der Verantwortung der Kurz-Blümel-ÖVP“, so Schellhorn weiter. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper sprach vor dem U-Ausschuss von einem „wichtigen und überfälligen Schritt“, der nun erfolgt sei. Dass die ÖVP es so darstelle, dass der mediale Druck für den Rücktritt verantwortlich sei, sage vieles über die Sicht der ÖVP aus.

Reaktionen auf Schmids ÖBAG-Rücktritt

Die Oppositionsparteien sind sich einig: Der Rücktritt von Schmid als ÖBAG-Chef war längst überfällig.

Dank von Blümel

Finanzminister Blümel sprach Schmid seinen Dank aus. „Ich darf mich bedanken beim Aufsichtsrat und bei der ausgezeichneten inhaltlichen Arbeit von Thomas Schmid“, sagte Blümel bei einer Pressekonferenz. Der Abgang sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats, und er nehme diese Entscheidung zur Kenntnis. Blümel ist als Finanzminister Eigentümervertreter der Republik für die Staatsholding ÖBAG.

Auf die Frage, ob er den Rücktritt für richtig und angemessen halte, sagte Blümel, es sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe ihn informiert, dass es zu einer gemeinsamen Entscheidung gekommen sei. Der ÖBAG-Aufsichtsrat habe derzeit auch „keine leichte Zeit“, so Blümel. „Ich darf mich bei beiden bedanken.“ Auf die Frage, ob er einen Zweiervorstand für die ÖBAG für sinnvoll halten würde, verwies er auf die gesetzliche Bestimmung für die Staatsholding, wonach für das aktuelle Portfolio ein Einzelvorstand vorgesehen sei.

ORF-Analyse zu Schmid-Rücktritt

Thomas Schmid musste sich früher als geplant von der Stelle als ÖBAG-Chef verabschieden. Der Druck nach Bekanntwerden der Chatprotokolle zwischen ihm und ÖVP-Politikern wurde zu groß. ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger erklärt die Details.

Hanger: „Private Kommunikation muss privat bleiben“

Der ÖVP-Fraktionschef im „Ibiza“-U-Ausschuss, Andreas Hanger, verteidigte Schmid und sprach von einer „höchstpersönlichen Entscheidung“ Schmids, die „zur Kenntnis zu nehmen“ sei. Schmid sei letztlich an privaten Chats „gescheitert“, so Hanger. Doch: „Was man privat miteinander kommuniziert, muss privat bleiben“, die Konsequenzen seien nun gezogen worden, weil „medialer Druck da gewesen“ sei.

Die „unmöglichen Chats“ seien „inhaltlich abzulehnen“, doch sei zu hinterfragen, wie diese Chats an die Öffentlichkeit kamen. Von NEOS, das die Chats an die Medien weitergegeben habe, werde „eine unglaubliche Politik betrieben“, so Hanger. Man sei dabei, „rechtliche Schritte zu prüfen“. Man dürfe keine „Spitzelparteien“ haben, die „private Kommunikation muss privat bleiben“.

ÖBAG-Direktorin Christine Catasta
APA/ÖBAG/Stefan Baumann
ÖBAG-Direktorin Christine Catasta übernimmt als Interimsvorstand

ÖBAG: Sofortige Beendigung

Die ÖBAG hatte am Dienstag den Rücktritt Schmids bekanntgegeben. „Nach intensiven Beratungen innerhalb des Aufsichtsrats ist der Aufsichtsrat gemeinsam mit MMag. Schmid zur Erkenntnis gekommen, dass die sofortige Beendigung der Vorstandstätigkeit von MMag. Thomas Schmid einen notwendigen Schritt für die ÖBAG darstellt“, teilte die Staatsholding am Dienstag in einer Aussendung mit.

Schmid trete auch von allen für die ÖBAG gehaltenen Aufsichtsratspositionen in Beteiligungsgesellschaften zurück. Nach der anhaltenden Diskussion der letzten Monate habe der Aufsichtsrat die Situation um den ÖBAG-Vorstand mit juridischer Beratung neuerlich bewertet. In der Aussendung der ÖBAG ist von einer „einvernehmlichen Einigung“ zwischen Schmid und dem Aufsichtsrat die Rede.

ÖBAG-Direktorin Christine Catasta wurde als Interimsvorstand bestellt. Ihre Vertretung ist vorübergehend, sie werde sich im laufenden Prozess der Vorstandssuche nicht bewerben. In der ÖBAG-Presseaussendung heißt es weiters: „Der Aufsichtsrat bedankt sich bei Thomas Schmid für die ausgezeichnete inhaltliche Arbeit der letzten zwei Jahre, distanziert sich aber gleichzeitig von den Chatnachrichten.“

Kern: Vertrag wird nicht ausbezahlt

Der Aufsichtsratschef der Staatsholding, Helmut Kern, sagte am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal, dass das Gremium gemeinsam mit Schmid zum Schluss gekommen sei, dass eine sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses von Schmid „das sinnvollste zum Wohl der ÖBAG ist“. Anspruch auf Bonifikationen für 2021 habe Schmid keine.

„Der Vertrag wird nicht ausbezahlt“, so Kern. Das, was Schmid zum Abschied erhalte, „liegt deutlich unter dem, als wenn der Vertrag ausbezahlt worden wäre“, so Kern ohne weitere Details zur Vertragsauflösung. Der Aufsichtsratschef berief sich dabei auf Vertraulichkeitsgründe.

Bezahlt wird von der öffentlichen Hand. Schmids Vertrag sah ein Jahresgehalt von 400.000 bis 600.000 Euro je nach Zielerreichungen vor – also mehr als Bundespräsident und -kanzler verdienen. „Wir haben von Beginn der ganzen Causa gesagt, dass wir die Sache laufend einer Beurteilung unterziehen“, so Kern weiter. Es sei nicht um Einzelereignisse gegangen, sondern um eine Gesamtbeurteilung. Diese habe nun zur sofortigen Vertragsauflösung geführt.

„Mit den Flüchtlingen? Smiley.“

Noch am 6. April hatte ein Sonderaufsichtsrat Schmid das Vertrauen ausgesprochen. Schmid hatte damals bekanntgegeben, dass er seinen Vertrag mit Ende März 2022 auslaufen lässt. „Der Aufsichtsrat hat diese Entscheidung zustimmend zur Kenntnis genommen“, hieß es damals in der Mitteilung der Staatsholding. Zum Vorstand bestellt wurde Schmid im April 2019.

Vor rund einer Woche waren neue Chatprotokolle veröffentlicht worden. SPÖ und FPÖ hatten daraufhin ÖBAG-Alleinvorstand Schmid erneut zum Rücktritt aufgefordert. In den Kurznachrichten beschwerte sich Schmid etwa darüber, dass er ohne Diplomatenpass nun „wie der Pöbel“ reisen müsse. Laut den in mehreren Medien veröffentlichten Protokollen diskutierte Schmid mit einer Vertrauten auch darüber, in seiner neuen Funktion als ÖBAG-Chef den Betriebsrat „abdrehen“ zu wollen („Und Betriebsrat. Weg damit.“). „Das können wir nicht einfach so machen“, antwortete ihm diese, man müsse „auch andere Ideologien verstehen“. Schmids Reaktion: „Andere Ideologien. Fu… that.“

Auch über Flüchtlinge wurde „gescherzt“: Nach der Buchung eines Fluges nach Addis Abeba fragte seine Assistentin Schmid, ob er auch einen Rückflug brauche. Auf seine Frage, ob sie ihn dort lassen möchte, antwortete sie: „Ab Kairo gibt es Schlauchboote.“ Nachdem sie Schmid dann etwas später die Buchung bestätigt hatte, fragte er zurück: „Mit den Flüchtlingen? Smiley.“

Aufregung auch über Chats mit Blümel und Kurz

Schon Ende März gab es Aufregung um Chats des nunmehrigen Ex-ÖBAG-Chefs. „Du bist Familie“, schrieb ihm Finanzminister Blümel einmal. Als die gesetzliche Grundlage für den neuen Job in der ÖBAG gegeben war, schrieb Blümel – damals Kanzleramtsminister – an Schmid: „Schmid AG fertig“. Antwort von Schmid: „Habe noch keinen Aufsichtsrat“.

Vor seiner Bestellung zum ÖBAG-Vorstand bat Schmid Kurz offenbar, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate“ zu machen. Die Antwort von Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst.“ Aus den Chats ging auch hervor, dass Schmid als damaliger Generalsekretär im Finanzministerium selbst an der Ausschreibung für den ÖBAG-Posten mitfeilte und diese praktisch auf ihn maßgeschneidert wurde. So sorgte er sich wegen der ursprünglich gewünschten internationalen Erfahrung, die ihm selbst fehlt – und die Ausschreibung wurde umformuliert.

Die ÖBAG steuert elf staatliche Beteiligungen im Wert von knapp 27 Mrd. Euro. Dazu gehören unter anderem der Verbund, die OMV, die Telekom Austria, die Post und die Casinos Austria. Eigentümervertreter des Staates ist der Finanzminister.