ÖBAG-Chef Thomas Schmid
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„Zynisch“ und „falsch“

Schmid entschuldigt sich für Chats

Wenige Stunden nach seinem überraschenden vorzeitigen Rückzug von der Spitze der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) hat sich Thomas Schmid für seine Chats entschuldigt: „Heute sehe ich klar, dass das falsch und zynisch war.“

„Ich habe mich in diesen privaten Chats in einer Art über Menschen, Organisationen und politische Entwicklungen geäußert, die ich heute bereue“, so Schmid in seiner Stellungnahme. Es tue ihm „außerordentlich leid, wenn ich damit jemanden verletzt oder verstört habe“.

Besonders bedauere er, dass die öffentliche Diskussion über seine Chats dazu geführt habe, dass die Leistungen „des kleinen, sehr engagierten und professionell arbeitenden ÖBAG-Teams“ nicht ausreichend gewürdigt würden. Es sei ihm bewusst, dass „meine privaten Äußerungen weiterhin Gegenstand der innenpolitischen Diskussion bleiben werden“, aber man solle zwischen diesen und der Arbeit der ÖBAG unterscheiden.

ÖBAG-Vorstand Schmid tritt zurück

Nachdem intime Privatchatprotokolle im Zuge des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses an die Medien gespielt und von diesen veröffentlicht wurden, tritt Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG zurück.

Vorzeitiger Abschied

Bis März 2022 hätte Schmid noch in seiner Position als ÖBAG-Vorstand bleiben sollen. Am Dienstag gab er vorzeitig seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung bekannt, da „die öffentliche Diskussion rund um private Nachrichten eine sinnvolle und konstruktive Tätigkeit“ als ÖBAG-Vorstand nicht mehr möglich gemacht hätten. Die Trennung ist einvernehmlich, es steht ihm daher eine Abfindung zu. Das Ermittlungsverfahren ist mit der Vertragsauflösung aber noch nicht beendet.

Zwar ist für den Aufsichtsratschef der Staatsholding, Helmut Kern, nun Rechtsfrieden hergestellt. Fördern die Ermittlungen strafrechtlich Relevantes zutage, könne Schmid auf dem Zivilrechtsweg noch belangt werden, hieß es allerdings von Juristen gegenüber dem „Kurier“. Kern sagte am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal, dass das Gremium gemeinsam mit Schmid zum Schluss gekommen sei, dass eine sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses von Schmid „das Sinnvollste zum Wohl der ÖBAG ist“.

ÖBAG-Aufsichtsratchef Helmut Kern
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Laut ÖBAG-Aufsichtsrat Kern wird der Vertrag nicht ausbezahlt

Anspruch auf Bonifikationen für 2021 habe Schmid keine. „Der Vertrag wird nicht ausbezahlt“, so Kern. Das, was Schmid zum Abschied erhalte, „liegt deutlich unter dem, als wenn der Vertrag ausbezahlt worden wäre“, so Kern ohne weitere Details zur Vertragsauflösung. Der Aufsichtsratschef berief sich dabei auf Vertraulichkeitsgründe. Laut ZIB1-Recherchen dürfte sich die Abfindung für Schmid über 200.000 Euro belaufen. Für den SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, ist das „ein Hohn“, wie er Dienstagabend in der ZIB2 sagte.

„Kein Berufsverbot“ für Schmid

Bezahlt wird von der öffentlichen Hand. Schmids Vertrag sah ein Jahresgehalt von 400.000 bis 600.000 Euro je nach Zielerreichungen vor – also mehr, als Bundespräsident und -kanzler verdienen. „Wir haben von Beginn der ganzen Causa gesagt, dass wir die Sache laufend einer Beurteilung unterziehen“, so Kern weiter. Es sei nicht um Einzelereignisse gegangen, sondern um eine Gesamtbeurteilung. Diese habe nun zur sofortigen Vertragsauflösung geführt. Schmid habe jedenfalls „kein Berufsverbot“ so Kern. Er könne ab sofort einen neuen Job antreten.

Schmid trete auch von allen für die ÖBAG gehaltenen Aufsichtsratspositionen in Beteiligungsgesellschaften zurück, hieß es vonseiten der Staatsholding am Dienstag. Nach der anhaltenden Diskussion der letzten Monate habe der Aufsichtsrat die Situation um den ÖBAG-Vorstand mit juridischer Beratung neuerlich bewertet.

Catasta will an „erfolgreichen Kurs“ anschließen

ÖBAG-Direktorin Christine Catasta wurde als Interimsvorstand bestellt. Ihre Vertretung ist vorübergehend, sie werde sich im laufenden Prozess der Vorstandssuche nicht bewerben. In der ÖBAG-Presseaussendung heißt es weiters: „Der Aufsichtsrat bedankt sich bei Thomas Schmid für die ausgezeichnete inhaltliche Arbeit der letzten zwei Jahre, distanziert sich aber gleichzeitig von den Chatnachrichten.“

ÖBAG-Direktorin Christine Catasta
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ÖBAG-Direktorin Christine Catasta übernimmt als Interimsvorstand

Catasta will an den „sehr erfolgreichen Kurs“ von Schmid anschließen, für Kontinuität und das Einkehren von Ruhe sorgen. Im Herbst oder spätestens zum Jahresende werde sie an einen neuen Chef übergeben. Lobende Worte fand sie für Schmid. Chats wie er habe „jeder“ am Handy, nur würden sie nicht öffentlich. Der Headhunter Zehnder wurde Medienberichten zufolge mit der Ausschreibung und Suche bereits beauftragt. Die Hearings der Kandidaten und Kandidatinnen sind für September geplant. Es sei aber unklar, wie lange es tatsächlich dauern werde, so Catasta: „Der Aufsichtsrat möchte hier sehr vorsichtig vorgehen mit höchster Integrität.“

Rücktritt für Opposition und Grüne „längst überfällig“

Als „längst überfällig“ bezeichneten die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ aber auch die Grünen den Rücktritt von Schmid. Dank kam unterdessen von der ÖVP. Für SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist der Rücktritt „mehr als überfällig, von daher ist es gut und richtig“. Ihrer Ansicht nach hätte er schon viel früher erfolgen sollen. „Unsere Republik ist kein Selbstbedienungsladen.“ Die Chatprotokolle hätten sie betroffen gemacht und sogar schockiert.

Der Rücktritt von Schmid hätte „vor Monaten passieren müssen“, so auch SPÖ-Fraktionsführer Krainer vor den Befragungen im „Ibiza“-U-Ausschuss. Ferner sprach Krainer von einem „Staat im Staat“, die obersten Stellen seien bewusst von der „türkisen Familie“ besetzt worden.

Grafik zu ÖBAG-Vorständen
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Für FPÖ nur Vorspiel

Für die FPÖ ist der nunmehrige sofortige Rücktritt erst das Vorspiel, es sollten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) folgen, so die FPÖ am Dienstag. „Schließlich sind diese beiden ÖVP-Politiker ja die Hauptverantwortlichen für den Umstand, dass die Republik Österreich zu einem korrupten Tollhaus mit ÖVP-Führungsetage umgebaut wurde“, so der Fraktionsführer der FPÖ im U-Ausschuss, Christian Hafenecker. Auch sei es jetzt notwendig, die „einvernehmliche Trennung“ zwischen Schmid und der ÖBAG transparent der Öffentlichkeit darzulegen.

Hafenecker sprach davon, dass die „Familie von Sebastian Kurz offensichtlich gerade zerbröckelt“. Er wolle die Prognose wagen, dass weder Kurz noch Finanzminister Blümel „das Jahr politisch überleben werden“, es seien die Masterminds der „mafiösen Strukturen“.

Kogler: „Sinnvoll und notwendig“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte am Rande einer Pressekonferenz, dass das Ausscheiden von Schmid „sinnvoll und notwendig“ ist. Auch der Aufsichtsrat selbst habe es als „notwendigen Schritt“ begründet, dem habe „ich nicht viel dazuzufügen“, sagte Kogler. Seine Prognose sei ohnedies gewesen, dass der Aufsichtsrat vor dem Ausscheiden des ÖBAG-Chefs im März 2022 „Schritte setzen wird, weil es vernünftig, richtig und sinnvoll ist“.

Die grüne Fraktionsvorsitzende im U-Ausschuss, Nina Tomaselli, schließt weitere Rücktritte nicht aus. Der Aufsichtsrat habe „spät gehandelt“. Die ÖBAG („Familiensilber der Republik“) müsse geschützt werden. Der Rücktritt sei „Teil des politischen Selbstreinigungsprozesses“, die Politik sei damit „ein Stück sauberer“.

Oppositionsparteien begrüßen Schmid-Rückzug

Als längst überfällig bezeichnen die Oppositionsparteien den Rücktritt von Schmid.

Auch NEOS sieht einen „längst überfälligen Schritt“. Schmid sei „einzig und allein aufgrund seiner türkisen Familie“ ÖBAG-Chef geworden, so NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper sprach vor dem U-Ausschuss von einem „wichtigen und überfälligen Schritt“, der nun erfolgt sei. Dass die ÖVP es so darstelle, dass der mediale Druck für den Rücktritt verantwortlich sei, sage vieles über die Sicht der ÖVP aus.

Dank von Blümel

Finanzminister Blümel sprach Schmid seinen Dank aus. „Ich darf mich bedanken beim Aufsichtsrat und bei der ausgezeichneten inhaltlichen Arbeit von Thomas Schmid“, sagte Blümel bei einer Pressekonferenz. Der Abgang sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats, und er nehme diese Entscheidung zur Kenntnis. Blümel ist als Finanzminister Eigentümervertreter der Republik für die Staatsholding ÖBAG.

Auf die Frage, ob er den Rücktritt für richtig und angemessen halte, sagte Blümel, es sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats. Der ÖBAG-Aufsichtsrat habe derzeit auch „keine leichte Zeit“, so Blümel. „Ich darf mich bei beiden bedanken.“ Auf die Frage, ob er einen Zweiervorstand für die ÖBAG für sinnvoll halten würde, verwies er auf die gesetzliche Bestimmung für die Staatsholding, wonach für das aktuelle Portfolio ein Einzelvorstand vorgesehen sei.

Hans Bürger (ORF) zum Schmid-Rücktritt

ZIB-Innenpolitik-Ressortleiter Hans Bürger kommentiert den Rücktritt von Thomas Schmid.

Expertin: Gesetz „pervertiert“

Anders die Einschätzung der Unternehmensrechtsexpertin an der Wirtschaftsuniversität Wien, Susanne Kalss, im Ö1-Morgenjournal: „Aus meiner Sicht wäre jedenfalls eine Doppelspitze besser, das gibt das Gesetz auch her“, so Kalss. „Der Paragraf sechs des ÖBAG-Gesetzes sagt, dass ein Vorstand zu bestellen ist. Das heißt, dass das Organ Vorstand zu bestellen und zu besetzen ist, aus einer oder mehrerer Personen.“

Kalss verwies zudem auf die „besondere Konstellation“ des Aufsichtsrats, durch die das Gesetz in seiner Konstruktion „pervertiert“ worden sei. „Das war das eigentliche Grund- und Strukturproblem des Aufsichtsrats der ÖBAG – dass eigentlich der Mann, der künftig vom Aufsichtsrat zum Vorstand bestellt werden soll, sich vorher die Aufsichtsräte ausgesucht hat.“

Privat oder dienstlich?

Der ÖVP-Fraktionschef im „Ibiza“-U-Ausschuss, Andreas Hanger, verteidigte Schmid und sprach von einer „höchstpersönlichen Entscheidung“ Schmids, die „zur Kenntnis zu nehmen“ sei. Schmid sei letztlich an privaten Chats „gescheitert“, so Hanger. Doch: „Was man privat miteinander kommuniziert, muss privat bleiben“, die Konsequenzen seien nun gezogen worden, weil „medialer Druck da gewesen“ sei.

Die „unmöglichen Chats“ seien „inhaltlich abzulehnen“, doch sei zu hinterfragen, wie diese Chats an die Öffentlichkeit kamen. Von NEOS, das die Chats an die Medien weitergegeben habe, werde „eine unglaubliche Politik betrieben“, so Hanger. Man sei dabei, „rechtliche Schritte zu prüfen“.

Politiker zum Rücktritt Schmids

Hanger (ÖVP) und Krainer (SPÖ) sprechen über den Rücktritt von Schmid als ÖBAG-Vorstand, die Chats und den „Ibiza“-U-Ausschuss.

Laut der Strafprozessordnung darf schriftliche Kommunikation untersucht werden – zum Ärger Hangers. In der ZIB2 gab es zum Thema Privatsphäre der Informationen einen Schlagabtausch zwischen Hanger und Krainer. Man müsse diskutieren, wie im Ausschuss Persönlichkeitsrechte gewahrt werden könnten, so Hanger. Eine von Krainer geforderte „Nachspielzeit“ für den U-Ausschuss lehnte der ÖVP-Politiker ab.

„Wie der Pöbel“

Vor rund einer Woche waren neue Chatprotokolle veröffentlicht worden. SPÖ und FPÖ hatten daraufhin ÖBAG-Alleinvorstand Schmid erneut zum Rücktritt aufgefordert. In den Kurznachrichten beschwerte sich Schmid etwa darüber, dass er ohne Diplomatenpass nun „wie der Pöbel“ reisen müsse. Laut den in mehreren Medien veröffentlichten Protokollen diskutierte Schmid mit einer Vertrauten auch darüber, in seiner neuen Funktion als ÖBAG-Chef den Betriebsrat „abdrehen“ zu wollen („Und Betriebsrat. Weg damit.“). „Das können wir nicht einfach so machen“, antwortete ihm diese, man müsse „auch andere Ideologien verstehen“. Schmids Reaktion: „Andere Ideologien. Fu… that.“

Auch über Flüchtlinge wurde „gescherzt“: Nach der Buchung eines Fluges nach Addis Abeba fragte seine Assistentin Schmid, ob er auch einen Rückflug brauche. Auf seine Frage, ob sie ihn dort lassen möchte, antwortete sie: „Ab Kairo gibt es Schlauchboote.“ Nachdem sie Schmid dann etwas später die Buchung bestätigt hatte, fragte er zurück: „Mit den Flüchtlingen? Smiley.“

Aufregung auch über Chats mit Blümel und Kurz

Schon Ende März gab es Aufregung um Chats des nunmehrigen Ex-ÖBAG-Chefs. „Du bist Familie“, schrieb ihm Finanzminister Blümel einmal. Als die gesetzliche Grundlage für den neuen Job in der ÖBAG gegeben war, schrieb Blümel – damals Kanzleramtsminister – an Schmid: „Schmid AG fertig“. Antwort von Schmid: „Habe noch keinen Aufsichtsrat“.

Vor seiner Bestellung zum ÖBAG-Vorstand bat Schmid Kurz offenbar, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate“ zu machen. Die Antwort von Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst.“ Aus den Chats ging auch hervor, dass Schmid als damaliger Generalsekretär im Finanzministerium selbst an der Ausschreibung für den ÖBAG-Posten mitfeilte und diese praktisch auf ihn maßgeschneidert wurde. So sorgte er sich wegen der ursprünglich gewünschten internationalen Erfahrung, die ihm selbst fehlt – und die Ausschreibung wurde umformuliert.

Die ÖBAG steuert elf staatliche Beteiligungen im Wert von knapp 27 Mrd. Euro. Dazu gehören unter anderem der Verbund, die OMV, die Telekom Austria, die Post und die Casinos Austria. Eigentümervertreter des Staates ist der Finanzminister.