WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vor dem Ibiza-U-Ausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
WKStA-Leiterin im „Ibiza“-Ausschuss

„Versuch der Einschüchterung“

Der „Ibiza“-U-Ausschuss hat sich am Mittwoch auf die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) fokussiert. Befragt wurde, bereits zum zweiten Mal, WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda. Ende 2020 hatte sie von Politeinmischung berichtet. Nun beklagte sie, auch im Licht der jüngsten Chatveröffentlichungen, den „Versuch der Einschüchterung“ ihrer Behörde. Indes warf die ÖVP den WKStA-Anwälten Befangenheit vor – Anzeigen würden geprüft.

Vrabl-Sanda sagte, dass viele nicht über die Arbeit der WKStA Bescheid wüssten, was auch nicht verwunderlich sei, schließlich erkläre man zu wenig. Den Makel wollte sie beheben: Die Staatsanwaltschaft sei gesetzlich zu Ermittlungen verpflichtet, unabhängig davon, von wem Anzeigen kämen und gegen wen sie sich richteten. Wenn sich eine Verdachtslage ergebe, seien Ermittlungen einzuleiten. „Da gibt es keinen Spielraum“, so Vrabl-Sanda.

Die Zuständigkeit der WKStA führe dazu, dass sie mit mächtigen Verfahrensparteien zu tun habe, so Vrabl-Sanda. Darum sei es auch nicht verwunderlich, dass die Betroffenen Stimmung machten, auch gegen die WKStA. Es gebe „Diskreditierung von innen und außen“. Seit Jahren gebe es eine Negativkampagne von innen in der Justiz, zu Oberbehörden meinte sie, da sei „eine Saat gesät worden“, die „aufgegangen“ sei und „sich verbreitet“ habe.

„Es kann jeden treffen“

Die Staatsanwälte müssten Kritikern gegenüber „blind und taub sein“. Der einzelne Staatsanwalt könne sich nicht wehren, auch hielt sie fest, dass niemand von den Betroffenen gerichtliche Schritte gegen die Maßnahmen unternommen habe. „Wir in der WKStA wissen, es kann jeden treffen. Ich verstehe das als Versuch der Einschüchterung.“ Der Druck komme quasi „zufällig“ auf die jeweilige Person, auf die eben, die mit den Ermittlungen zu tun habe. „Die Person hält das aus“, es sei die Frage, was der Rechtsstaat aushalte.

WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vor dem Ibiza-U-Ausschuss
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Vrabl-Sanda (l.) bei der Ankunft vor dem U-Ausschuss-Lokal

„Warum soll man sich dem aussetzen?“, fragte sich Vrabl-Sanda. Sie verwies auf faktenfreies Gerede, das da genährt werde. Es gelte, ein System zu schaffen, in dem destruktive Kräfte auf ein Minimum begrenzt würden, es brauche vor allem die Reduzierung der Berichtspflichten. Hinsichtlich solcher Bedingungen bestünden auch „Sorgen“ hinsichtlich der Effizienz bei Ermittlungsverfahren („Ich bin froh, dass es Kolleginnen gibt, die sich das auch antun“).

ÖVP: „Persönlichkeitsrechte mit Füßen getreten“

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger verwies im Vorfeld der Befragung einmal mehr auf die Veröffentlichung der Chats, das Recht auf Privatsphäre sei zu schützen („Persönlichkeitsrechte werden mit Füßen getreten“). Man sehe Indizien dafür, „dass nicht unparteiisch ermittelt“ werde, so Hanger. Er ortete bei der Anklagebehörde diverse „Fehlleistungen“ und warf WKStA-Oberstaatsanwalt Matthias Purkart einmal mehr „politische Befangenheit“ vor. Eine Strafanzeige gegen einzelne Staatsanwälte werde geprüft.

Andreas Hanger (ÖVP)
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Hanger beklagte die Verletzung von Persönlichkeitsrechten im Zuge der Veröffentlichung der Chats

Entsprechend kontroversiell verlief die Befragung Vrabl-Sandas durch Hanger. Als der ÖVP-Mandatar etwa auf Purkarts Befragung im Ausschuss zu sprechen kam und dessen Ausführungen einmal mehr schwer kritisierte, kam von allen anderen Fraktionen Kritik an den „Unterstellungen“ und „Beleidigungen“. Der Ausschussvorsitzende Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wurde von Grünen, SPÖ und NEOS aufgefordert, das zu unterbinden. Vrabl-Sanda zu den inkriminierten Ausführungen Purkarts: „Das ist ein Akt der Gerichtsbarkeit und unterliegt nicht der parlamentarischen Kontrolle.“

In diesem Zusammenhang wollte Hanger wissen, wieso die Chats von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian an den späteren ÖBAG-Chef Thomas Schmid („Jetzt next Step – deine Bestellung und dann setzen wir das um, was wir besprochen haben“) nicht in den Akt genommen worden seien. Das sei eine Sache, die die Staatsanwaltschaft entscheide, dort werde nicht unabhängig von Weisungen gearbeitet, so Vrabl-Sanda. Verfahrensparteien könnten sich wehren und Rechtsmittel einlegen. Eine inhaltliche Einschätzung gab sie dazu nicht ab.

Doch brachte Hanger hier wiederum Purkarts Angaben bei dessen Ausschuss-Auftritt auf, wonach dieser damals angegeben habe, einem Verdacht gegen FPÖ und ÖVP nachzugehen. Die Formulierung der Frage Hangers – geortet wurden Unterstellungen – mündete in einer Geschäftsordnungsdebatte: Die teils recht lautstarke Diskussion drehte sich um die Frage, ob das unterstellend bzw. unvollständig sei oder ob da eine Meinung abgefragt werde statt eine Wahrnehmung.

„Im Zweifelsfall sind Chats vorzulegen“

Bereits davor erkundigte sich Hanger bei Vrabl-Sanda nach dem Kriterienkatalog für die Vorlage von Chats gegenüber dem U-Ausschuss (die Frage bezog sich wiederum auf den Vorwurf Hangers, dass viele vorgelegte Chats nicht abstrakt relevant seien und dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt würden). Nicht abstrakt Relevantes werde geschwärzt vorgelegt, so Vrabl-Sanda. In Zweifelsfällen müssten Chats auf Anweisung vorgelegt werden. Ganz genau könne sie die Regeln nicht wiedergeben, sie wisse sie nicht auswendig.

Hanger zitierte aus Schmid-Chats, in denen es beispielsweise um die Kälte in Russland oder schlechtes Benehmen von Kabinettsmitarbeitern in Wiener Lokalen geht. Wenn die Staatsanwälte zum Ergebnis kämen, dass das relevant sei, dann sei das ein Akt der Staatsanwaltschaft, der der Gerichtsbarkeit unterliege und nicht der parlamentarischen Kontrolle, konterte Vrabl-Sanda. Es handle sich auch nicht um Entscheidungen eines einzelnen Staatsanwalts, sondern man arbeite in Teams.

WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vor dem Ibiza-U-Ausschuss
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WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda im U-Ausschuss-Lokal – ihre Vertrauensperson sitzt rechts von ihr

Zu den generellen Angriffen auf ihre Behörde nahm Vrabl-Sanda während der Befragung gleich mehrfach Stellung. „Ich erwarte mir, dass damit jetzt Schluss ist und der Blick in die Zukunft gerichtet werden kann.“ Es gebe viel zu tun, dazu diene auch die Arbeitsgruppe, die von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) eingerichtet wurde und der Vrabl-Sanda angehört; diese soll unter anderen Punkten die Weisungsspitze der Justiz neu organisieren und Wege finden, besser mit verfahrensverlängernden Details umzugehen.

Über Behauptungen Pilnaceks „erschüttert“

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper thematisierte Chats zwischen dem nunmehrig suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek und der Kabinettschefin des damaligen Justizministers Clemens Jabloner (in der Zeit der Übergangsregierung). Zur Sprache kamen darin Ermittlungen der WKStA gegen die „Soko Ibiza“. Vrabl-Sanda schloss solche allerdings gleich mehrfach aus.

Als „erschütternd“ bezeichnete sie die Unterredung zwischen Pilnacek und der Kabinettsmitarbeiterin, wonach die E-Mail-Accounts der WKStA am besten durch die Oberstaatsanwaltschaft gesichert werden müssten (was nicht erfolgte). Derartige Vorgänge müsse man aufarbeiten, so Vrabl-Sanda. Auch bei der Befragung durch SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer waren ebendiese Chats Thema. Vrabl-Sanda fand diese Korrespondenz durchaus erstaunlich, denn damals sei man gerade in einem Mediationsprozess mit der Oberbehörde gewesen.

Pilnacek und die Mitarbeiterin unterhielten sich den Chats zufolge über jenen damaligen Kabinettsmitarbeiter, der später Mails von Pilnacek nachliefern sollte und dem die beiden Chatteilnehmer offenbar nicht trauten. Dass die beiden darüber schrieben, welche anderen Beamten von anderen Behörden sie involvieren würden und dass sie den HBK (steht für Herr Bundeskanzler; zur betreffenden Zeit war es eine Bundeskanzlerin, Anm.) informieren würden, erachtete die Auskunftsperson als „erstaunlich“.

Wurde Lögers Hausdurchsuchung verraten?

Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli legte einen Amtsvermerk vor, in dem es um den Verdacht des Verrats einer Hausdurchsuchung bei Ex-Finanzminister Löger durch den damaligen ÖVP-Chef Sebastian Kurz (ÖVP) geht. Die Staatsanwaltschaft Wien habe schon gegen unbekannte Täter ermittelt, die genannte Unterlage sei an sie weitergegeben worden, so Vrabl-Sanda. Dabei geht es um Chats und Telefonate, „wir haben das ausgewertet und weitergeleitet“, erklärte Vrabl-Sanda. Es seien „Anhaltspunkte gefunden worden, die einer StA bei der Arbeit helfen könnten“.

„Ganz herkömmliche Dinge abgefragt“

FPÖ-Mandatarin Susanne Fürst fragte, wie die Dienstaufsicht derzeit laufe (Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft Wien ist ja nicht mehr für die Dienst- und Fachaufsicht für die WKStA zuständig). Diese Aufgabe hätten nun dessen Stellvertreter. Dass da nun zuletzt „ganz herkömmliche Dinge abgefragt wurden“, sei überraschend für sie gekommen, so habe sie das nämlich bisher nicht erlebt. Auch das Pilnacek als Faktor wegfalle, habe etwas geändert, sagte sie sinngemäß auf einleitende Fragen von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl.

Dass gegen Kurz ermittelt werde, sei rasch in die Medien gelangt, man habe das recherchiert und gesehen, dass das Faksimile davon nicht von der WKStA stamme. Es habe damals auch sehr viele Akteneinsichten gegeben. Man habe der WKStA schon mehrfach Leaks vorgeworfen, was sich stets als falsch erwiesen hätte, so Vrabl-Sanda. Auch in dem Fall sei das so gewesen und man habe Bericht erstattet. Das habe aber nicht gereicht – die Oberstaatsanwaltschaft habe nachgefragt, wieso man den Vermerk, wonach Kurz Beschuldigter ist, zum Akt genommen habe.

„Ermittlungen erschwert“

Sie habe darüber mit der Sektionschefin gesprochen, die von alldem nichts gewusst habe – und letztlich habe ihr die Sektionschefin mitgeteilt, dass sie dazu keinen Bericht an die Oberbehörde liefern müsse. So etwas bereite der WKStA „Schwierigkeiten, so werden die Ermittlungen erschwert“. Auf Einmischungen der Politik ins laufende Verfahren habe sie nicht reagiert, sagt Vrabl-Sanda – das sei nicht ihre Aufgabe.

Auch ein Aufreger war einmal mehr Thema: Dass WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek (sie hatte bei ihrem Auftritt im Ausschuss über „Störfeuer“ seitens der Oberstaatsanwaltschaft geklagt) das Handtuch geworfen habe, sei von der Öffentlichkeit als „Mobbing“ verstanden worden; man habe darüber sehr wohl auch mit dem Ministerium gesprochen. Dort sei gesagt worden, dass es keine „strukturelle Befangenheit“ gebe. Sie versuche, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen solches Mobbing zu schützen, so Vrabl-Sanda, sie zeige die unerfreulichen Entwicklungen auf, aber Jilek sei es zu viel geworden.

Staatsanwälte weisen Einschüchterungsversuche zurück

Wenige Stunden nach der Befragung Vrabl-Sandas sahen sich die Standesvertreter „einmal mehr“ veranlasst, die Einschüchterungsversuche gegenüber Staatsanwaltschaften wie der WKStA sowie gegenüber einzelnen Staatsanwälten „strikt zurückzuweisen“.

„Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben keine politische Agenda, sie machen ihren Job! Das politische Tagesgeschehen hat keinen Einfluss auf ihre Arbeit“, hielt die Standesvertretungspräsidentin Cornelia Koller den Vorwürfen der ÖVP entgegen. Grundlage ihres Handelns sei ausschließlich das Gesetz, und das verpflichte sie zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn eine Anzeige einlangt, merkte Justizgewerkschaftschef Martin Ulrich an.

Sachliche Kritik an staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen sei freilich zulässig. Sie sollte aber im dafür vorgesehenen rechtlichen Verfahren erfolgen. Nur dort könnten derartige Vorwürfe geklärt werden. Das gelte auch für den Vorwurf befangener Amtsausübung und hinsichtlich angeblich bestehender „Leaks“ im staatsanwaltschaftlichen Bereich. „Wiederholt seitens der Politik medial geäußerte Vorwürfe tragen zu deren rechtlichen Klärung nichts bei, sondern schaden dem öffentlichen Ansehen von Justiz und Politik“, so Koller und Ulrich in einer Aussendung.