Investor Siegfried Wolf
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Wolf kauft MAN Steyr

Neue Marke soll Standort sichern

Im zweiten Anlauf hat es der Investor Siegfried Wolf nun doch geschafft, das MAN-Werk in Steyr zu übernehmen. Der Deal sei bereits fixiert, bestätigten er und MAN-Vorstandschef Andreas Tostmann am Donnerstag. Eine neue Marke „Steyr“ soll entstehen und die Zukunft des Standorts sichern.

„Das ist eine gute Nachricht: Für Steyr, für Oberösterreich, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort – und für MAN. Das Werk in Steyr bleibt erhalten!“, sagte Tostmann. Mit seiner Beteiligungs GmbH WSA werde Wolf den Standort übernehmen. Damit würden Arbeits- und Ausbildungsplätze gerettet, und es gebe eine klare Zukunftsperspektive.

Die zur VW-Nutzfahrzeugholding Traton gehörende MAN hatte das Werk in Steyr eigentlich bis Ende 2022 schließen wollen. Als einzige tragfähige Alternative sei nur der Verkauf an WSA infrage gekommen, da darüber hinaus – trotz gegenteiliger Berichte – bis zuletzt keine weiteren Kaufinteressenten industriell schlüssige Angebote vorgelegt hätten. Damit das gelingen konnte, hätten beide Seiten aufeinander zugehen müssen, so Tostmann.

Schließung schon weit vorangeschritten

Das sei jetzt passiert. Es habe Handlungsdruck bestanden: Die Maßnahmen zur Schließung seien bereits weit vorangeschritten gewesen. „Ich freue mich deshalb sehr, dass wir gemeinsam die Rettung erreicht haben und das Werk unter der Führung von WSA eine echte Zukunft hat“, sagte Tostmann. Die gemeinsamen Pläne mit WSA sollen der großen Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ebenso wie den Lehrlingen, weiterhin gute und sichere Arbeitsplätze sowie Entwicklungsperspektiven bieten.

Investor Wolf übernimmt MAN Steyr

Investor Siegfried Wolf übernimmt nun doch das von der Schließung bedrohte MAN-Werk in Steyr. In den Verhandlungen gibt es eine Einigung.

Der Verkauf sei für alle Beteiligten die bestmögliche Lösung. Der Vorstand habe dem Verkauf bereits Mittwochabend zugestimmt. Am Donnerstag sind laut Tostmann die Unterschrift unter den Vertrag und die Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgt: „Wir werden jetzt alles dafür tun, den Standort planvoll zu übergeben.“

Neue Marke „Steyr“

Wolf schilderte in einer Presseaussendung, bis Anfang 2023 würden weiter im Auftrag von MAN Lkws und Lkw-Komponenten hergestellt und parallel dazu neue Fertigungen aufgebaut. Von diesen sollen ab 2023 sieben neue Nutzfahrzeugtypen – sieben Nutzfahrzeuge vom Kastenwagen über einen Citybus bis zum Lkw – unter der Marke „Steyr“ für den Export auf den Weltmarkt vom Band laufen.

Dabei werde man in Steyr künftig auf die Schwerpunkte Elektromobilität, Wasserstofftechnologie und autonomes Fahren setzen. „Damit kann der traditionelle Industriestandort mit seinen hoch qualifizierten Beschäftigten unter der wiederbelebten Marke Steyr einer erfolgreichen Zukunft entgegensehen“, so Wolf.

Weniger Beschäftigte und geringere Gehälter

Der Geschäftsmann will dabei seine Zusagen aus dem verbesserten Übernahme- und Sozialplankonzept einlösen: Von den rund 2.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen 1.250 und sämtliche Lehrlinge weiter beschäftigt werden. Zusätzlich könnten in einer mit dem Land Oberösterreich geschaffenen, zweckgebundenen offenen Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft weitere 150 Beschäftigte Arbeit finden.

Insgesamt sei es so möglich, zwei Drittel der 1.950 bisher am Standort zur Stammbelegschaft zählenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten. Gehaltskürzungen, wie sie beim ersten gescheiterten Angebot vorgesehen waren, bleiben freilich aufrecht. Die maximale Lohnreduktion werde minus 15 Prozent vom Nettobezug betragen. Für jene, die den Job verlieren, ist ein Sozialplan vorgesehen, der sie „nach dem deutschen Modell in der Nettoausgleichszahlung“ gleichtellt.

Politik über Rettung erfreut

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dankte allen Beteiligten, dass sich eine positive Lösung mit breiter Unterstützung abzeichne. „Jetzt gilt es, positiv in die Zukunft zu blicken und den Standort langfristig durch Innovationen abzusichern.“ Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) bezeichnete die Übernahme als eine Lösung ganz im Sinne des Standortes. „Damit hat sich wieder einmal gezeigt, dass verfrühte Rufe nach Uraltrezepten wie Verstaatlichungen nicht der Weisheit letzter Schluss sind.“

Das MAN-Werk in Steyr (Oberösterreich)
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MAN wollte das Werk in Steyr mit rund 2.300 Beschäftigten schließen

Landeshauptmann Thomas Stelzer und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (beide ÖVP) versicherten: „Das Angebot des Landes, im Bereich Forschung & Entwicklung Unterstützung zu leisten, bleibt natürlich weiterhin aufrecht.“ Denn um die Zukunftsfähigkeit des Werks in Steyr abzusichern, gelte es, den Standort auf die Transformation der Mobilität auszurichten, insbesondere in den Bereichen E-Mobilität und Wasserstoff. Die oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer stellte fest: „Die Entschlossenheit der Belegschaft hat Arbeitsplätze gerettet.“ Jene, die sich gegen die Mitsprache und Entscheidung der Belegschaft ausgesprochen haben, würden nun eines Besseren belehrt.

Die grüne Wirtschaftssprecherin Ulrike Schwarz begrüßte die von Investor Wolf selbst festgelegte Schwerpunktsetzung auf nachhaltige Mobilität. Der NEOS-Landessprecher Felix Eypeltauer zeigte sich froh über die jüngste Entwicklung. Er kritisierte aber, was zuletzt in Steyr passiert sei, „ist das desaströse Ergebnis eines ganzen Jahrzehnts an versäumter, unzureichender Standort- und fehlender Innovationspolitik“.

Die Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Doris Hummer, bezeichnete den Verkauf als eine sehr gute und wichtige Nachricht für die Betriebe und Zulieferer in der ganzen Region. Der Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, Axel Greiner, verwies darauf, dass das Know-how der Mitarbeiter und die Innovationskraft des traditionsreichen Automotivstandortes Steyr die Basis seien, um den Standort in eine positive Zukunft zu führen.

Im April bei Belegschaft abgeblitzt

Im Vorjahr war bekanntgeworden, dass MAN im Zuge eines riesigen Spar- und Umstrukturierungsprogramms Tausende Stellen weltweit einsparen und das Werk in Steyr bis 2023 schließen will. Ende September kündigte MAN die Standortgarantie, die den Bestand des Unternehmens in Steyr bis zumindest 2030 sichern hätte sollen. Schließlich trat der Ex-Magna-Chef als Interessent auf den Plan, blitzte aber zunächst mit seinem Übernahmeangebot bei einer Urabstimmung der Belegschaft im April ab. Doch Wolf ließ nicht von seinem Vorhaben ab und besserte sein Angebot nach.

Aus Sicht der Gewerkschaften PRO-GE und GPA ist mit dem Eigentümerwechsel noch nicht das letzte Wort gesprochen. „Es gibt bisher nur einen Deal von Wolf mit MAN. Es gibt aber noch keinen Deal mit den ArbeitnehmerInnen und den Gewerkschaften. Unser Einsatz für die Belegschaft und für gute Arbeitsplätze geht weiter“, kündigen die beiden Gewerkschaftler Alois Stöger (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA) an. Wolf übernehme als neuer Eigentümer alle MAN-Verträge und damit auch alle Vereinbarungen. Das bedeutet, dass auch die bestehenden Verträge mit den Arbeitnehmern weiterhin Gültigkeit haben.

Wolf hat 26 Funktionen in Österreich

Laut „WirtschaftsCompass“ hat Wolf derzeit in Österreich 26 Funktionen inne, 65 weitere Funktionen wurden aus dem Firmenbuch über die Jahre wieder gelöscht. Zurzeit ist der 63-jährige Steirer Aufsichtsratschef der Europaniederlassung der russischen Sberban. 1995 war Wolf Präsident der Magna Europa AG geworden. Mit Magna fuhr er einen Expansionskurs und erwarb 1998 für Magna unter anderem Steyr-Daimler-Puch. Unter Wolf stieg die Anzahl der Magna-Mitarbeiter in Europa von rund 1.000 auf 29.000. 1999 wurde Wolf von Besitzer Frank Stronach in den Verwaltungsrat des Mutterkonzerns Magna International berufen.

Eine weniger glückliche Hand hatte Wolf als Miteigentümer der 2003 gestarteten steirischen Pleite-Airline Styrian Spirit, die schon 2006 wieder aufgeben musste. 2010 holte ihn der Oligarch Oleg Deripaska nach Russland, wo er die Geschicke von Russian Machines leitete. Mit Deripaska wollte er beim angeschlagenen deutschen Autohersteller Opel einsteigen, der Deal scheiterte aber.

Aufsichtsrat und Stifter

Wolf saß in Österreich zudem schon in den Aufsichtsräten von STRABAG, Verbund und Siemens derzeit ist er im Aufsichtsrat des oö. Technologiekonzern MIBA. Als Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG (heute ÖBAG) fungierte Wolf ab Sommer 2008 auch als Chefverhandler beim Verkauf des Bundesanteils der Austrian Airlines (AUA). Auch als 2014 der mexikanische Multimilliardär Carlos Slim die Kontrolle der teilstaatlichen Telekom Austria übernahm, saß Wolf im Aufsichtsrat der ÖIAG.

Wolf betätigte sich mit anderen großen Namen der österreichischen Wirtschaft auch als Stifter. Gemeinsam mit Rene Benko, Ronny Pecik, Boris Nemsic, Wolfgang Rosam, Frank Stronach, Walter Rothensteiner und weiteren Wirtschaftskapitänen gründete er 2011 die Nein-zu-Krank-und-Arm-gemeinnützige-Privatstiftung. Wolf gehören unter anderem auch ein Weingut und ein Reiterhof in Weikersdorf in Niederösterreich sowie der Fontana Golfclub und das Schloss Oberwaltersdorf.