Irans Päsident Hassan Rouhani
AP/Young Journalists Club/Ayoub Ghaderi
Wahl im Iran

Ultrakonservativer als großer Favorit

Im Iran wird am Freitag ein neuer Präsident gewählt – und ein Paradigmenwechsel scheint fix. Denn auf den Reformer Hassan Rouhani, der nicht mehr antreten darf, dürfte aller Voraussicht nach der ultrakonservative Chef des Justizwesens, Ebrahim Raisi, folgen. In der Bevölkerung macht sich Unmut breit – nicht zuletzt aufgrund umstrittener Vorgänge rund um die Wahl.

Raisi gilt als der führende Kandidat der Hardliner im Land. Heuer dürfte ihm laut Beobachterinnen und Beobachtern gelingen, was ihm noch bei seinem Antreten vor vier Jahren verwehrt blieb: der Sieg bei der Präsidentschaftswahl. Der 60-Jährige sieht sich als Nachfahre des Propheten Mohammed, im schiitischen Klerus hat er den zweithöchsten Rang eines Hodschatoleslam (Huddschat al-Islam) inne. Als Politiker präsentiert sich Raisi als Kämpfer gegen Armut und Korruption.

Dass er so gute Karten hat, hat vor allem auch mit einer heftig kritisierten Entscheidung des Wahlgremiums – auch als Wächterrat bekannt – zu tun. Das Gremium hatte nämlich im Mai beschlossen, über 98 Prozent der Bewerber für die Wahl ohne jegliche Erklärung auszusortieren. Unter ihnen sind auch renommierte Politiker wie der amtierende Vizepräsident Eshagh Dschahangiri, Ex-Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und der langjährige Parlamentspräsident Ali Laridschani.

Wahlplakat von Ebrahim Raisi
APA/AFP/Atta Kenare
Der Hardliner Ebrahim Raisi gilt als Favorit – auch als möglicher Nachfolger des iranischen obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei wird er gehandelt

Bewerber aussortiert: Kritik an Wahlgremium

Nur sieben Kandidaten wurden zugelassen: Neben Raisi zählen ein ehemaliger General der Revolutionsgarden, drei Hardliner, zwei Reformer dazu. Zwei davon – der Reformer Mohsen Mehralizadeh und der Hardliner Aliresa Sakani – zogen sich nur zwei Tage vor der Wahl zurück. Mit dem Rückzug Mehralizadehs wird der Ex-Notenbankchef und damit der einzig verbleibende reformorientierte Kandidat, Abdolnaser Hemmati, gestärkt.

Die Entscheidung des Wahlgremiums führte zu landesweiter Kritik. Die Rede war von einem politischen Putsch von Klerus und Hardlinern gegen die moderaten und reformorientierten Kräfte um Präsidenten Rouhani. „In dem Prozess wurde einigen aussortierten Kandidaten Unrecht getan“, sagte der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, angesichts dessen. Chamenei würde den „good cop“, also den „guten Polizisten“, spielen, so Kritiker. Als oberster Führer hat Chamenei, dem ein sehr gutes Verhältnis zu Raisi attestiert wird, nämlich laut Verfassung in allen strategischen Belangen das letzte Wort und Vetorecht.

Infolge der Entscheidung des Wahlgremiums wollten auch viele Iranerinnen und Iraner die Wahl boykottieren. Laut Umfragen wollen nur rund 40 Prozent der Wahlberechtigten am Freitag ihre Stimme abgeben – bei der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren waren es noch 70 Prozent. Niedrig war die Wahlbeteiligung mit 57 Prozent auch bei der Parlamentswahl im Vorjahr – auch damals wurden Tausende reformorientierte und gemäßigte Kandidaten ausgeschlossen. Seither dominieren die Konservativen die Legislative.

Irans Päsident Hassan Rouhani
AP/Ebrahim Noroozi
Noch-Präsident Hassan Rouhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten darf, konnte viele seiner Versprechen nicht einhalten

Raisi bei Massenhinrichtungen federführend?

Nicht nur am Vorgehen des Wahlgremiums, auch am Wunschkandidaten des Establishments, Raisi, gibt es scharfe Kritik: Für die Exilopposition ist sein Name unauslöschlich mit den Massenhinrichtungen von Oppositionellen 1988 verbunden, als Raisi stellvertretender Staatsanwalt des Revolutionsgerichts in Teheran war.

Nach den Hinrichtungen stieg er zum Generalstaatsanwalt in der Hauptstadt auf, später wurde er Vize der nationalen Justiz, dann iranischer Generalstaatsanwalt und seit drei Jahren ist er Justizchef. Beim angekündigten Kampf gegen die Korruption könnte er als Präsident auf seine Arbeit in der Justiz aufbauen. Unter seiner Führung wurde hohen Beamten und auch Richtern wegen Bestechlichkeit der Prozess gemacht – vorrangig aber politischen Rivalen, hieß es bei CNN. Auch gehört der Theologe dem Expertenrat an, der den geistlichen Führer bestimmt.

Wählerinnen und Wähler außerhalb konservativer wie ultrakonservativer Kreise versucht er zu erreichen, wenn er verspricht, die „Grundrechte aller iranischen Bürger“ zu wahren. Bei den Reformern stößt er dennoch auf Ablehnung. Sie haben Raisis Reaktion auf die Massenproteste nach der Präsidentschaftswahl 2009 nicht vergessen. „Wir werden diesen Aufstand bis an die Wurzeln bekämpfen“, sagte er damals und verteidigte das brutale Vorgehen der Regierung, durch das Dutzende Oppositionelle getötet wurden. Auch Kommentatorinnen und Kommentatoren befürchten, dass Raisi als Präsident rigoros gegen Kritiker vorgehen könnte.

Enttäuschung über Rouhanis leere Versprechen

Die zu erwartende niedrige Wahlbeteiligung wird von Beobachterinnen und Beobachtern aber auch als Abrechnung mit der Politik von Rouhani, der nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal bei der Wahl antreten darf, angesehen. Einerseits wird Rouhani vorgeworfen, seine Versprechen – etwa verbesserte Beziehungen zum Westen – nicht eingelöst zu haben.

Andererseits hat das Land mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen, die sich infolge der durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verhängten Sanktionen – aber auch der Coronavirus-Pandemie – nochmals verschärfte. 2019 gipfelte der Unmut der Bevölkerung in Protesten, die vom Regime gewaltsam niedergeschlagen wurden. Unzählige Menschen kamen dabei ums Leben. Raisi versprach unterdessen, der Finanzkrise ein schnelles Ende setzen zu wollen.

„Es geht um die Zukunft eines politischen Systems“

Zentral dürften für den nächsten iranischen Präsidenten diesbezüglich auch außenpolitische Angelegenheiten, allen voran die Zukunft des Atomdeals, aus dem die USA unter Trump einseitig ausgetreten waren, sein. Aktuell wird in Wien über die Wiederbelebung des Abkommens von 2015 verhandelt, ein Ergebnis ließ noch auf sich warten. Zudem wird erwartet, dass der Iran unter Raisi seine feindselige Politik gegenüber Israel fortführen dürfte. Ebenso wird damit gerechnet, dass der syrische Machthaber Baschar al-Assad weiterhin Unterstützung erfährt.

Raisi, so Beobachter, würde mit der Wahl zum nächsten Präsidenten auch für die Nachfolge des 82-jährigen Chamenei in Stellung gebracht werden. „Wenn Chamenei stirbt, was passiert dann?“, wurde der Iran-Experte Mohammad Ali Shabani von der SOAS University of London auf CNN zitiert. „Wird es eine geordnete Übergabe zum nächsten Führer geben? Wird es konstitutionelle Reformen geben?“, so Shabani auch. „Bei all dem geht es nicht um einen Präsidenten. Es geht um die Zukunft eines politischen Systems.“ Mit einem Ergebnis der Wahl wird am Sonntag gerechnet. Erreicht keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, entscheidet eine Woche später eine Stichwahl.