Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
APA/Helmut Fohringer
„Aktenpingpong“ beenden

Tanner startet Umbau des Bundesheeres

Bundesheer und Verteidigungsministerium steht eine große Reform bevor. Die Schwerpunkte: eine schlankere Führungsstruktur und die Trennung von Verwaltung und militärischer Führung. Auch der Personalstand im Ministerium soll verringert werden. Führungspositionen werden neu ausgeschrieben.

Im Ressort von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) wird versichert, dass es bei dieser Strukturreform nicht um Umfärbungen gehe, sondern um eine „Verschlankung der Verwaltung und Stärkung der Truppe“. Redundanzen und Doppelgleisigkeiten sollen vermieden werden und Aufgaben und Kompetenzen in eine Hand kommen. Tanner sagte, sie wolle dadurch das „Aktenpingpong“ beenden, das die tägliche Arbeit der Soldaten und Soldatinnen erschwert habe. Dadurch sollten „budgetäre und personelle Spielräume“ geschaffen werden.

An der Ausarbeitung der Reform war Berichten zufolge Dieter Kandlhofer, Generalsekretär im Verteidigungsministerium, federführend beteiligt. Er soll nach dem Umbau eine der beiden zivilen Sektionen (künftig Direktionen) leiten.

Brieger bleibt bis Mai 2022 Generalstabschef

Mit der Reform sollen aus bisher fünf Sektionen in der Zentralstelle drei Direktionen entstehen. Dadurch soll auch Personal im Ministerium eingespart werden. Der Generalstabschef bekommt eine Doppelfunktion: Er ist als Person Teil des Ministeriums und gleichzeitig Generaldirektor für Landesverteidigung.

Generalstabschef Robert Brieger
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Generalstabschef Brieger behält seine Funktion bis zum Wechsel nach Brüssel 2022

Der derzeitige Generalstabschef Robert Brieger behält seine Funktion, bis er als Leiter des Militärausschusses der Europäischen Union im Mai 2022 nach Brüssel wechselt. Alle anderen Führungsfunktionen werden neu ausgeschrieben. Für die Truppe ändert sich durch die neue Führungsstruktur nichts. Alle Fachbereiche werden der Generaldirektion für Landesverteidigung unterstellt. Für Brieger ist die bevorstehende Strukturanpassung der Versuch, eine „relativ komplexe, kopflastige Organisation stärker an der Truppe zu orientieren“.

Tanner bezeichnete die Neuerungen als „Reform für die Truppe und keine Reform der Truppe“. Die Reformen der Vergangenheit seien nie zu Ende gebracht worden, was für jede Organisation bzw. jedes Unternehmen schädlich sei. Zudem sei dabei die „Wurzel des Problems“, nämlich die „Kopflastigkeit“ nie angegangen worden. Das habe sich mit der aktuellen Reform geändert, so die Verteidigungsministerin.

Weniger Hierarchien

Das Ministerium besteht damit künftig aus dem Kabinett inklusive Generalsekretär, darunter folgen zwei zivile Generaldirektionen: eine für Personalführung und Budget zuständige Präsidialdirektion und eine für Recht, Diplomatie und Kommunikation zuständige Direktion für Verteidigungspolitik. Darüber hinaus wird eine Direktion Revision und Disziplinar- und Beschwerdewesen gebildet. Die Umstellung auf Direktionen sei eine Anpassung an internationale Standards, heißt es aus dem Ressort.

Mit der Trennung von Verwaltung und militärischer Führung sollen Doppelgleisigkeiten beendet werden. War es bisher so, dass bei jeder Anforderung vier, fünf Ebenen und Hierarchien beschäftigt waren, werden künftig nur noch zwei Ebenen miteinander direkt kommunizieren: die betroffene Einheit und die zuständige Direktion. Das trifft etwa bei logistischen Anforderungen, Beschaffungen, Ausbildung, Einsatzvorbereitungen und der Kommunikation zu.

Reform für Van der Bellen „sicherlich notwendig“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde als Oberbefehlshaber über die geplante Reform des Bundesheers am Dienstag von Tanner informiert. Es sei „sicherlich sinnvoll und notwendig“, Abläufe im Verteidigungsministerium effizienter zu gestalten sowie Kommandostrukturen des Bundesheeres einsatzbezogen zukunftsorientiert auszurichten, teilte Van der Bellen via Twitter mit. Es sei aber wichtig, das Projekt begleitend vor einer Umsetzung der endgültigen Neuorganisation zu evaluieren.

Spätestens im April 2022 soll die Reform vollzogen und die Personalpläne umgesetzt werden. Durch die Zentralstellenorganisation soll Personal aus dem Ministerium in die Truppe verlagert werden. Es soll dabei aber niemand an einen anderen Ort versetzt werden. Jeder Bedienstete bleibt an seinem bisherigen Garnisonsort.

Grüne haben „besonderes Auge“ auf Postenbesetzungen

Für die Grünen ist eine „effiziente Kommandostruktur“ notwendig, um das Bundesheer fit für die Zukunft zu machen. Verteidigungssprecher David Stögmüller sieht in der Reform einen „ersten Schritt“ in diese Richtung. Dabei müsse aber jeder neue Prozess genau überprüft werden, „damit wir sichergehen können, dass es bei der Einsatzplanung und strategischen Organisation zu keinen Fehlern oder zu Zeitverlust kommt“.

Die Grünen würden zudem ein „besonderes Auge“ auf die Besetzung der Posten haben, so Stögmüller in Richtung Koalitionspartner: „Denn die neuen Stellen müssen an die bestgeeigneten Personen gehen.“

SPÖ und FPÖ fürchten „Umfärbung“

Schon vor der offiziellen Bekanntgabe der Pläne kam Kritik von SPÖ und FPÖ an der Reform. Für den roten Wehrsprecher Robert Laimer ist die „verkaufte Effizienzsteigerung“ in Wahrheit eine „türkise Postenbesetzung für den Kabinettschef und den Generalsekretär“. Offenbar sollen durch die Ausgliederung des Generalstabs die Soldaten „mit aller Gewalt aus dem Ministerium hinausgedrängt werden“.

Eine „unverschämte türkise Umfärbung“ des Ministeriums ortete der freiheitliche Wehrsprecher Reinhard Bösch. Die von Tanner geplanten Strukturänderungen seien nicht auf sachliche Argumente zurückzuführen, sondern lediglich eine „Kopfgeburt“ des Generalsekretärs der Ministerin, so Bösch.

NEOS vermisst Einbindung des Parlaments

NEOS kritisierte am Mittwoch die mangelnde Einbindung des Parlaments in die Heeresreform. Bei einem für Österreich „derart wichtigen Thema“ wäre das aber die Aufgabe der Ministerin gewesen, meinte Verteidigungssprecher Douglas Hoyos. Die Verschlankung der Strukturen sei zwar „grundsätzlich“ zu begrüßen, so Hoyos: „Unser Vertrauen in eine Ministerin, die immer wieder ihr mangelndes Interesse an der Truppe bewiesen hat, ist jedoch enden wollend.“ Positiv hob er die Aufwertung der Cyberabwehr hervor.

Unterstützung kam von der Offiziersgesellschaft. Deren Präsident Erich Cibulka begrüßte das Vorhaben, „Doppelgleisigkeiten in der obersten politischen und militärischen Ebene“ zu beseitigen. Im Fokus müsse dabei aber die Steigerung der Einsatzfähigkeit und nicht die Kostenreduktion stehen. Auch vom Präsident der Österreichischen Unteroffiziersgesellschaft, Markus Auinger, kam Zuspruch: Mit der Reform werde die Truppe „deutlich gestärkt“ und gleichzeitig die Verwaltung gestrafft.

Für den Vorsitzenden der GÖD-Bundesheergewerkschaft, Walter Hirsch (FCG), hätten viele Forderungen der Dienstnehmervertretung in der geplanten Organisationsänderung Niederschlag gefunden. Diese müsste nun „ohne Nachteile“ für die betroffenen Bediensteten realisiert werden, so die Forderung.