Emma Stone im Film „Cruella“
AP/Disney/Laurie Sparham
Action, Horror, Superheldinnen

Blockbuster-Lawine für den Kinosommer

Nach einem kargen Jahr für Freundinnen und Freunde der großen Leinwand sind seit dieser Woche nun die Schleusen geöffnet. Jetzt wird es stressig: Wer keinen der großen amerikanischen Filme dieses Sommers verpassen will, reserviert sich besser eine Dauerkarte im Kino des Vertrauens. Allein bis Ende Juli jagt ein Höhepunkt den nächsten.

Was haben ein Riesenaffe, ein steinalter Westernheld, ein Mörder im Körper einer Cheerleaderin und eine exzentrische Modeschöpferin mit Dalmatiner-Hass gemeinsam? Nur eines: Sie alle mussten viele Monate auf ihren lange angekündigten Leinwandauftritt warten. Während im vergangenen Sommer Christopher Nolans Zeitreise-Thriller „Tenet“ unter einigen schönen Arthouse-Filmen der einzige Blockbuster auf weiter Flur blieb, der wirklich ins Kino kam, drängeln sich in diesem Jahr auf der Leinwand die amerikanischen Starvehikel.

Den fulminanten Start ins Kinocomeback hatte in den USA vor drei Wochen der Horrorthriller „A Quiet Place 2“ geschafft: Mit 48 Millionen Dollar zum Start und insgesamt 58 Millionen am verlängerten Feiertag-Wochenende Ende Mai wurde zum erfolgreichsten Kinostart seit der Pandemie, höchst beruhigend für eine Branche, die schon so oft totgesagt wurde, dass ihr Überdauern schon fast sprichwörtlich ist. Passenderweise ist der Film eine Erzählung vom Überleben im Angesicht widriger Umstände, die allerdings in „A Quiet Place 2“ das hässliche Antlitz augenloser, extrem geräuschempfindlicher Aliens haben.

Action, Aliens, Amazonen

Der Film ist nun auch in Österreich, und die Fortsetzung von John Krasinskis erfolgreichem Horrorthriller aus 2018 um eine Familie, die inmitten einer Invasion dieser blutrünstigen Aliens zu überleben versucht. Der zweite Teil erzählt in einem kurzen Prolog den ersten Tag der Invasion, um dann direkt an den Vorgängerfilm anzuschließen, diesmal steht die gehörlose Teenagertochter Regan (gespielt von der tatsächlich gehörlosen Millicent Simmonds) im Zentrum der Überlebenskampfes, eine fantastische Heldin im Kampf gegen großartig grausige Monster, die alle inhaltlichen Lücken des Films verzeihen lassen.

Dass „A Quiet Place 2“ in Österreich ähnlich einschlagen wird, ist jedoch fraglich, die Konkurrenz ist groß. Nach dem Onlinestart im Februar kommt „Wonder Woman 1984“ nun noch ins Kino, der zweite Film, in dem Wonder Woman im Zentrum steht, wieder unter der Regie von Patty Jenkins. Wie die Jahreszahl schon andeutet, läuft es darauf hinaus, dass die titelgebende Amazone Diana die Erde vor einer atomaren Katastrophe bewahren muss, die durch grenzenlose Gier und einen geheimnisvollen uralten Wunschstein heraufbeschworen wurde.

Leitmotiv im Film ist die Melancholie, schöne Dinge nicht festhalten zu können. Diana weint 70 Jahre nach seinem Tod immer noch ihrem Weltkriegspiloten (Chris Pine) nach. Dafür trifft sie an ihrem Arbeitsplatz im Museum eine neue Freundin, deren Minderwertigkeitskomplexe sich zum echten Problem auswachsen. Und dann gibt es da noch den fiesen Geschäftsmann, der die Welt an sich reißen will. Ein faules Drehbuch voller Logikfehler und ärgerlich altmodische „Stutenbissigkeit“ haben Mitschuld daran, dass die Fortsetzung leider nicht erfüllen kann, was „Wonder Woman“ 2017 an Erwartungen geweckt hatte.

Schwarze Punkte, große Roben

Immerhin: Auf der großen Leinwand machen die ordentlich inszenierten Actionszenen einiges her. Davon profitiert auch „Cruella“, die auf Disney+ schon als „Premiumcontent“ gestartete Herkunftsgeschichte der berüchtigt-bösen Cruella De Vil aus „101 Dalmatiner“, die ebenfalls seit dieser Woche im Kino läuft. In dem Disney-Klassiker will sich die modebewusste Schurkin ja einen Mantel aus Dalmatinerpelz schneidern, in „Cruella“ wird nun ihr Hass auf die gepunkteten Hunde mit einem Kindheitstrauma erklärt.

Der Film schildert, wie aus dem braven Waisenkind Estella (gespielt von Emma Stone) unter dem bösen Einfluss der Londoner Modeikone The Baroness (Emma Thompson) eine subversiv-punkige Fashion-Queen wird, mit prominentem Seventies-Soundtrack von den Kinks bis zu den Stones. Dass Regisseur Craig Gillespie mit „Der Teufel trägt Prada“-Situationen und „Kevin allein zu Haus“-Slapstick nicht unbedingt originelle Ideen hat, machen dafür die wirklich sensationellen Kostüme wett – und eine Emma Stone, die sichtlich Riesenspaß an der Rolle hat.

Screwball-Spaß mit alten Herren

Zwar taugt „Cruella“ nicht unbedingt als Kinderfilm, das Publikum ist jedenfalls bestimmt ein anderes als bei „Kings of Hollywood“, einer albernen Altherren-Screwball-Comedy mit Robert DeNiro als erfolglosem Filmproduzenten. Für sein jüngstes Machwerk hat er sich bei einem Gangster (Morgan Freeman) Geld ausgeborgt, das der Film voraussichtlich nicht einspielen wird, also versucht er, bei einem fingierten Filmdreh den suizidalen Ex-Westernhelden Duke Montana (Tommy Lee Jones) mit allerlei mörderischen Stunts für einen Versicherungsbetrug um die Ecke zu bringen.

Die Old-Hollywood-Nostalgie ist zwar ganz nett, allerdings handelt es sich bei „Kings of Hollywood“ um ein Remake eines Films aus dem Jahr 1982, der damals schon bei Kritik und Publikum zum Weinen erfolglos war. Mit viel gutem Willen zur Unterhaltung und Sehnsucht nach alternden Kinostars lassen sich aber doch einigermaßen fröhliche hundert Minuten verbringen, mit der Empfehlung, bis zum Abspann zu bleiben, da läuft dann der Trailer für den fiktiven „Killer Nuns“.

Grusel in allen Facetten

Klassisches Sommerkinomaterial ist die Horrorkomödie „Freaky“, in der Kathryn Newton und Vince Vaughn mit vertauschten Rollen aufeinandertreffen: Er ist der Blissfield Butcher, ein berüchtigter Serienkiller, wie sie schon viele Teenagerfilme heimgesucht haben, sie ein Teenager unter vielen. Doch als er sie mit einem uralten Dolch zu ermorden versucht, verursacht ein Fluch einen Körpertausch, was zu mörderischen Komplikationen führt und etliche Horrorklischees lustvoll auf den Kopf stellt.

Anfang Juli kommen dann lange erwartete Monster ins Kino: In „Godzilla vs. Kong“ treffen die Kaiju-Giganten aufeinander, in einem metaphernreichen Weltuntergangs- und Umwelthorrorszenario inklusive Hohle-Erde-Mythologie, was alles recht albern, aber beruhigend irreal wirkt. Schon beunruhigender ist der Horrorfilm „Possessor“, das Regiedebüt von David Cronenbergs Sohn Brandon, der bereits am Wochenende beim „slash einhalb“ -Festival des fantastischen Films seine Österreich-Premiere feiert, um eine Auftragsmörderin, die die Körper anderer Menschen in Besitz nimmt, um ihre Morde durchzuführen.

Scarlett Johansson als Superheldin

Realistischer ist Benedict Cumberbatch als Geheimagent wider Willen im Kalter-Krieg-Thriller „Der Spion“: ein braver Handlunsgreisender, der von der britischen und der amerikanischen Regierung bei den Russen spionieren soll und zwischen den Großmächten des Kalten Krieges beinahe aufgerieben wird – eine wesentlich weniger glamouröse Angelegenheit, als das sonst bei Spionagethrillern üblich ist.

Gleich in der zweiten Juli-Startwoche kommt dann „Black Widow“ ins Kino, mit der in den letzten Jahren für ihre Rollenwahl immer wieder heftig kritisierten Scarlett Johansson in einer weiteren Superhelden-Herkunftsgeschichte, diesmal aus dem Marvel-Kontext. Erste Reaktionen amerikanischer Kritikerinnen auf den Film sind überraschend enthusiastisch, Regie führte die Australierin Cate Shortland, die vor neun Jahren mit dem Drama „Lore“ um einen überzeugtes BDM-Mädel in den ersten Nachkriegstagen aufgefallen war.

Programm so dicht wie nie

In derselben Woche startet das sehr stylische Drama „The Nest“ mit Jude Law als geldgierigem britischem Unternehmer, dessen amerikanische Frau unter seiner Rückkehr nach England leidet. Mitte Juli kommt eine „Cinderella“-Realverfilmung ins Kino, und „Fast & Furious 9“ wiederum bringt den ganz großen Autokrach zurück, im Rahmen einer spektakulären Familienzusammenführung der motornärrischen Toretto-Sippe, bei der auf einmal John Cena als verschollener Bruder Dominic (Vin Diesel) auftaucht.

Außerdem kommt das gefeierte Tanzmusical „In The Heights“ von Jon M. Chu mit Musik von Lin-Manuel Miranda ins Kino. In „Proxima“ fliegt Eva Green als alleinerziehende Astronautin ohne ihr Kind ins All, und in dem neuen Horrorthriller „Old“ von „Sixth Sense“-Regisseur M. Night Shyamalan geht es um einen Strand, an dem Feriengäste rapide altern.

Dabei ist das alles nur ein Bruchteil dessen, was allein der Juli auf die Leinwände bringt, von den fantastischen Arthouse-Entdeckungen des Sommers war hier noch gar nicht die Rede, und ebenso wenig von den August-Filmstarts. Es empfiehlt sich jedenfalls, in diesem Sommer nicht nur im Strandbad auf der Lieblingsliege ein Badetuch zu platzieren, sondern abends auch im gekühlten Kino des Vertrauens einen Fixplatz zu reservieren. Der Kinosommer 2021 ist so üppig wie noch nie.