Hoschek ist gerade auf Expansionskurs. Mit ihrem recht unbefangenen Griff nach Tradition und handwerklicher Kunst der Vergangenheit, auch dem Aufgreifen der Trachtenmode, trifft sie offensichtlich den Nerv der Zeit. Dass ihr Tradition wichtig ist, belegt ihr Auftritt in der ORF-Reihe „Museum für Zwei“, bei dem sie gemeinsam mit Museumschef Wolfgang Muchitsch im Joanneum in Graz war.
„Museum für Zwei“ mit Lena Hoschek in Graz
Lena Hoschek mit Wolfgang Muchitsch im Volkskundemuseum Graz
Insgesamt, so könnte man sagen, gibt es eine Rückbesinnung auf die Wurzeln von Mode und Kleidungsformen. Weit auch vor jene Zeit, in der sich etwa das Dirndl und die Tracht in ideologische Kämpfe der Zwischenkriegszeit verstrickt haben. Ausstellungen auf Schloss Amras in Tirol und in Bad Ischl durch das Oberösterreichische Landesmuseum erschließen den Blick auf Tradition neu. Auch die erfolgreiche Publikation der Ethnologin Elsbeth Wallnöfer, „Tracht, Macht, Politik“, hat den historischen Blick auf Mode geschärft – und konnte auch klären, warum bestimmte Kleidungsformen „zu Garanten kultureller Identität“ geworden sind.
Orientierung in einer globalisierten Welt
Hoschek ist im Feld dieser Debatten jedenfalls Teil einer neuen Generation, die unverkrampft auf Kategorien wie Tradition, Handwerk und – wie sie sagt – „Heimat“ zurückgreift, weil es in einer globalisierten Welt wieder Orientierungspunkte brauche. Das fällt auch in den Bereich der Stildebatten, wo eine kurze Hose durchaus stilvoll sein kann, ja in der richtigen Kombination so manche lange Hose des Alltags zu überholen vermag, wie ihre Antworten im Interview zeigen.
Wie wenig kann man im Sommer auf der Haut tragen – und trotzdem noch stilvoll angezogen sein?
Lena Hoschek: Dazu muss ich die pornöse Instagram-Queen Shirin David zitieren, die sagt: „Ich bin nicht halb nackt, ich bin halb angezogen.“ Und wie viel Haut man herzeigen kann, liegt halt letztlich an der Haut.
Ist es eigentlich eine Mär, dass weniger Stoff bei Kleidung automatisch kühler bedeutet?
Hoschek: Ja, das ist natürlich eine Mär. Denn mehr Stoff ist bei Hitze nützlich, weil der Stoff dann weiter weg vom Körper sein kann. Und Stoff, wenn es ein natürlicher Stoff ist, ist ein wichtiger Schutz vor Sonne. Man darf ja nicht vergessen: Haut, die sich einmal aufgeheizt hat, ist nicht mehr sehr leicht zu kühlen. Und deshalb ist sehr viel und heller Stoff im Sommer natürlich ein Mittel gegen die Hitze.

Wie sieht es aus mit Männern und kurzen Hosen?
Hoschek: Es kommt natürlich immer auf den Mann an, wie stiltrittsicher der ist. Gegen kurze Hosen kann man eigentlich nichts haben. Schwieriger sind komische Schuh-Socken-Kombinationen. Viele Männer tun sich mit dem Rest schwer …
… und ein eleganter Schuh mit Stutzen dazu?
Wenn ich das bei alten Herren sehe, eine Anzughose kurz mit Kniestrümpfen und Budapestern – so etwas muss ich feiern (lacht). Das Einzige, was ich sage: Finger weg von Trekkingsandalen!
Und kurze Hose im Büro?
Hoschek: Das finde ich okay. Wenn der neue Gesundheitsminister das nächste Mal mit kurzer Hose auftritt, dann wurden die Zeiten wirklich umgekrempelt. Sonst halte ich schon fest, dass es natürlich formelle Kleidung für formelle Anlässe gibt. Und hier dreht sich ja alles um die Frage des gegenseitigen Respekts. Und da zählt dann nicht mehr die Frage: „Wie heiß ist mir?“

Die größten Modeverbrechen im Sommer?
Hoschek: Neben der Trekkingsandale: die Radlerhose. Es gibt natürlich Girls, die sind knackig genug für Radlerhosen. Dann ist das schon wieder witzig. Aber für den Rest der Welt: Nein!
Früher gab es ja von oben herab befohlene Kleiderordnungen. Mittlerweile ist Mode demokratisiert. Jeder kann, darf, was er eigentlich will. Gibt es dennoch so etwas wie einen kategorischen Imperativ des Sich-Kleidens?
Hoschek: Das Motto aus dem alten Märchen, „Kleider machen Leute“, gilt natürlich immer noch. Das Schöne ist, dass wir uns mit Kleidung über unseren Stand, auch wenn es den angeblich nicht mehr gibt, hinaus bewegen können. Sich herauszuputzen und sich ordentlich in Schale zu werfen hebt auch den Status. Genauso geht es natürlich umgekehrt. Und man kann sich auch als Spießer lässig zeigen mit der richtigen Mode. Früher haben natürlich Kleiderordnungen dafür gesorgt, dass Mode länger haltbar war, dass Trends nicht so schnelllebig waren.
Ich schaue mir ja auch im Fall der österreichischen Tracht alte Kleiderordnungen an, nicht so sehr die umstrittenen aus den 1930er Jahren, wo man sieht, wie sich dieses ehemalige Arbeitskleid weiterentwickelt hat. Etwa, wenn man auf alte Waldmüller-Bilder schaut. Früher haben die Leute mit ihren Händen und den Materialien, die sie zur Verfügung hatten, ihre Kleidung optimiert, sofern es erlaubt war. Daher kommt der Begriff der „Herauszieher“, also dieser kleinen Rüschen, die man nur mit einer Nadel gemacht hat.

Hat uns das digitale Zeitalter so etwas wie ein neues Bewusstsein für die Bedeutung von handgefertigt, also: analoger Qualität, gebracht?
Hoschek: Ich glaube, Globalisierung und Digitalisierung haben ein neues Bewusstsein für Haltbarkeit gebracht. Wenn man alles darf und alles kann, ist man bei der Entscheidung am Ende aufgeschmissen. Und die Weltbürger suchen eine Identität. Da kam das Bewusstsein für den Begriff Heimat her. Und da kam ja dann auch der Dirndlboom, wo ich sehr früh im Raum war und mich damit auseinandergesetzt habe. Die Massenverfügbarkeit hat als Gegenbewegung auch ein Bewusstsein für Qualität gefördert.
Bücher zum Thema
- Elsbeth Wallnöfer: Tracht. Macht. Politik. Haymon.
- Barbara Vinken: Angezogen. Eine Geschichte der Mode. Klett&Cotta.
Soll Mode etwas Haltbares sein?
Hoschek: Unbedingt. Ich habe den Slogan „Geiz ist geil“ bei der Mode immer schrecklich gefunden. Natürlich bin ich als Teenager auch zum H&M gelaufen und hab mir dort meine Kleidung gekauft. Ich verstehe bei der Jugend den Anspruch, dass man viel kombinieren will. Die Zielgruppe, die ihr eigenes Geld verdient, darf sich schon Gedanken machen, was sie Generationen danach weitergibt. Und da denke ich, muss man schon darüber nachdenken, wie man sein Konsumverhalten lebt. Das Billige sortiert man immer als Erstes aus, das war auch meine Erfahrung. Und während wir mittlerweile schon sehr auf die Güte beim Essen schauen, tun wird das bei der Mode oft noch zu wenig.
Wie verbindet man Moderne und Tradition, um nicht in das Fahrwasser einer Romantisierung des Vergangenen zu gelangen?
Hoschek: Ich habe gar nichts gegen ein Fahrwasser der Romantisierung. Ich bin ja hoffnungslos romantisch und verkitscht. Ich habe kein Problem mit dem Wort Kitsch. Für mich ist die Haltbarkeit das Kriterium. Und die Haltbarkeit verleiht dem Kitsch eine Güte.
Ist Mode und Stil immer etwas, was am Ende zur Person und Ausstrahlung passen muss, um nicht das Wort „authentisch“ zu bemühen?
Hoschek: Ja, Stil muss zur Person passen. Du kannst zu zig Stilberatern gehen – und am nächsten Tag wieder ins Klo bei der Kleidungsauswahl greifen.