Bundeskanzler Sebastian Kurz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
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Von der Leyen in Wien

Österreich erhält 3,5 Mrd. aus EU-CoV-Fonds

Knapp ein Jahr nach dem EU-Beschluss für ein CoV-Aufbauprogramm hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag Wien besucht und bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) grünes Licht für den österreichischen CoV-Aufbauplan gegeben. Österreich erhält aus dem Fonds 3,5 Mrd. Euro an EU-Zuschüssen für Projekte, der Schwerpunkt liegt im Bahn- und Breitbandausbau sowie in Ökoinvestitionen.

„Der Plan ist ehrgeizig, er hat Weitblick. Er wird dazu beitragen, dass Österreich stärker aus der Krise hervorgeht“, sagte von der Leyen bei einer Pressekonferenz mit Kurz im Wiener Liechtensteinpark. Die Europäische Kommission habe grünes Licht für den österreichischen Wiederaufbauplan gegeben, so von der Leyen. Vor der Auszahlung der Hilfen muss noch der Rat der EU-Staaten zustimmen. Die Genehmigung des Plans durch den Rat würde die Auszahlung von 450 Mio. Euro an Österreich als Vorfinanzierung ermöglichen. Nach dem Erreichen von „Meilensteinen“ werden weitere Mittel ausgezahlt.

Insgesamt reichte Österreich für den „Aufbau- und Resilienzplan“ Projekte von 4,5 Mrd. Euro ein. Nach Berechnungen der EU-Kommission, deren Grundlage die 3,5 Mrd. bildeten, erfüllen 59 Prozent der Investitionen und Reformen Klimaschutzzwecke, 53 Prozent treiben die Digitalisierung voran. Die von der EU für diese Bereiche geforderten Anteile werden damit deutlich übertroffen. Die EU-Kommissionschefin sagte, Österreich sei damit Vorreiter in der EU. Von der Leyen lobte insbesondere die geplante Steuerreform für mehr Nachhaltigkeit und mit Einführung eines CO2-Preises.

Sebastian Kurz, Ursula von der Leyen und Anton Zeilinger
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Kanzler Kurz (ÖVP), EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bei einem Besuch in der ÖAW bei dem Quantenforscher Anton Zeilinger

Von der Leyen hatte zuvor dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) einen Besuch abgestattet. Auch diesbezüglich zeigte sich die EU-Kommissionspräsidentin „beeindruckt“. Es zeige, dass Österreich im Bereich Quantenkommunikation weltweit führend sei.

Fonds ist 750 Milliarden Euro schwer

Ein Fonds für die EU-Länder ist das Herzstück des im Sommer 2020 vereinbarten CoV-Aufbauprogramms „Next Generation EU“ im Umfang von 750 Milliarden Euro – angepasst an die Inflation beträgt die Summe sogar rund 800 Milliarden Euro. Damit sei „Next Generation EU“ das größte Konjunkturprogramm in Europa seit dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg, so von der Leyen. Das Geld soll helfen, die Wirtschaft nach der Pandemie wieder flottzubekommen und gleichzeitig zu modernisieren. Einen Teil des Geldes gibt es als Zuschuss, einen weiteren Teil als Kredit. Finanziert wird das Programm über Schulden.

Kurz sagte, man könne Österreich zu den Spitzenreitern zählen, „wir übererfüllen die Anforderungen“. Dabei wolle er die EU-Hilfe nicht als „Geschenk“ darstellen, „wir sind als Republik Österreich Nettozahler“, so der Kanzler. Er sei aber mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden, auch wenn sich die „Frugalen“ – gemeint Österreich, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Finnland – nicht beliebt gemacht hätten, sagte er. Kurz sprach von der Leyen großen Dank für die Zusammenarbeit in der Krisenbewältigung aus, diese sei „eine Mammutaufgabe“.

Kurz dankt von der Leyen

Zu den Differenzen und zur Kritik von Kurz an der EU bei der Verteilung von Impfdosen befragt, sagte von der Leyen, es habe Ungleichgewichte und Probleme gegeben, die aber durch Kommunikation gelöst worden seien. Kurz sagte, es dürfe „keine Geschichtsfälschung“ geben, er habe in diesem Zusammenhang keine Kritik an der EU-Kommissionspräsidentin geübt, Kritik sei eher an die Mitgliedsstaaten zu richten. Von der Leyen habe es geschafft, dass Impfdosen früher und nach Bevölkerungsanteil geliefert worden seien. „Das hat dazu geführt, dass wir aufgeholt haben.“ Er sei dankbar dafür, wie von der Leyen die EU-Kommission leite.

Von der Leyen stattet Wien Besuch ab

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Montag Wien besucht, um Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den österreichischen Anteil am CoV-Aufbaufonds zu bestätigen. 3,5 Milliarden Euro soll Österreich erhalten – der Bahn- und Breitbandausbau sowie Ökoinvestitionen sollen davon profitieren.

Die EU-Kommissionschefin versicherte überdies, dass alle Kriterien für die nationalen Wiederaufbaupläne strikt und gesetzlich verankert seien. Zum Konflikt mit dem EU-Parlament über die Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus sagte sie, dieser „wird angewendet werden, wo es notwendig ist“. Im Gegensatz zu früheren EU-Budgets könnten die Empfänger der Hilfen nunmehr rückverfolgt werden. Das sei „ein großer Fortschritt für die Transparenz“.

Gewessler: Gehen auf Weg zur Klimaneutralität voran

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) reagierte auf die Billigung des österreichischen Plans erfreut. Österreich sei europaweit Vorreiter bei Klimaschutzinvestitionen im „EU-Aufbau- und Resilienzplan“ (RRF). „Wir gehen am Weg zur Klimaneutralität in der EU voran und nützen die Gelder aus dem RRF, um unser Klima und die Umwelt zu schützen. 59 Prozent unserer Mittel fließen in den Klimaschutz – damit sind wir europaweit an der Spitze“, so Gewessler in einer Aussendung.

Der österreichische Plan lege einen Schwerpunkt auf emissionsfreien öffentlichen Verkehr, die klimaneutrale Transformation der Industrie und den Erhalt der Artenvielfalt. So wird der Umstieg auf klimaneutrale Busse genauso gefördert wie die Errichtung des Biodiversitätsfonds.

Die Wirtschaftskammer jubelte über den „Startschuss für ein Comeback der österreichischen Wirtschaft“ nach der CoV-Krise. „Das ist eine ausgezeichnete Nachricht“, so Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer (WKÖ), und WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf in einer Aussendung.

Sie hoben insbesondere als positiv hervor, dass rund 40 Prozent der vorgesehenen Mittel für Projekte rund um das Thema Digitalisierung eingesetzt werden sollen, darunter für Breitbandausbau, „KMU.Digital“, digitale Investitionen in Unternehmen und nachhaltige Mobilität. Auch der Fokus auf Forschung und Innovation, u. a. im Bereich der Wasserstofftechnologie und der Mikroelektronik, wird von der WKÖ ausdrücklich begrüßt.

FPÖ: Unverantwortlicher Plan

Der ÖGB begrüßte die Zusage der EU-Mittel, sah jedoch noch „enormes Nachbesserungspotenzial“, wie ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian am Montag sagte. „Es fehlt ein soziales und wirtschaftliches Gesamtpaket zur Bewältigung der CoV-Krise und insbesondere zur Bewältigung der Transformation im Hinblick auf die Klimaziele“, bekräftigte Katzian die Kritik der Gewerkschaften. „Arbeitsmarkt, Gesundheit, Pflege, der Ausbau von Kinderbetreuung und Elementarbildung, Just Transition kommen viel zu kurz“, so Katzian.

Kritisch sah das CoV-Aufbauprogramm die FPÖ. Es sei ein „unverantwortlicher Deal, den ÖVP-Kanzler Kurz mit der EU hier abgeschlossen hat. Auf alle Fälle wird das für die österreichischen Steuerzahler sehr teuer“, sagte FPÖ-Europasprecherin Petra Steger. „Der EU-Wiederaufbaufonds ist aus österreichischer Sicht ein ziemlich schlechter Deal“, so auch der freiheitliche Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky. „Mit dem 750-Milliarden-Programm wird die EU zur Schuldenunion, weil mit der erstmaligen gemeinsamen Aufnahme von Krediten auch entsprechende Haftungen verbunden sind“, so Vilimsky.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen und die dänische Premierministerin Mette Frederiksen
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Stopp in Dänemark: Von der Leyen mit Premierministerin Mette Frederiksen

Besuch in allen Mitgliedsstaaten

Alle Staaten der Union hatten der EU-Kommission detaillierte Aufbaupläne für die Zeit nach der Pandemie vorlegen müssen. Mindestens 37 Prozent der aufgewendeten finanziellen Mittel sollen in klimafreundliche Projekte und 20 Prozent in Digitalisierung fließen. Die Kommission hatte zwei Monate für die Prüfung, die nun abgeschlossen ist. Auf ihre Empfehlung hin muss in einigen Wochen noch der EU-Ministerrat die Pläne billigen, bevor tatsächlich das erste Geld fließen kann.

Von der Leyen hatte angekündigt, alle 27 Mitgliedsstaaten zu besuchen, um die Aufbaupläne detailliert zu besprechen. Portugal und Spanien waren letzte Woche die ersten Stationen ihrer „Tournee“, danach folgten Griechenland, Dänemark und Luxemburg. Am Dienstag soll die Kommissionspräsidentin Lettland, Deutschland und Italien besuchen, am Mittwoch Belgien und Frankreich.

Sebastian Kurz und Angela Merkel in einer Videokonferenz
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Kurz bespricht sich mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel

Kurz sprach mit Merkel vor Deutschland-Reise

Die Pandemieentwicklung war auch im Vorfeld der Deutschland-Reise von Bundeskanzler Kurz ein Thema. Er sprach am Montag in einer Videokonferenz kurz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Pandemieentwicklung in Europa. „Die Situation entwickelt sich in Deutschland wie in Österreich sehr gut, mit niedrigen Ansteckungszahlen“, sagte Kurz nach Angaben des Bundeskanzleramtes. Thema war auch der bevorstehende EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel.

„Die Delta-Variante müssen wir nun ernst nehmen und genau beobachten, aber es besteht kein Grund zur Panik, denn alle Impfstoffe, die wir verwenden, wirken auch gegen die Delta-Variante“, sagte Kurz. Daher gelte es weiterhin, viel zu impfen. „Wir haben mit der 3-G-Regel in Österreich ein sehr gutes Sicherheitsnetz, wir setzen auf FFP2-Masken und, was in Österreich einzigartig ist, wir haben eine sehr hohe Dichte an Tests“, so Kurz.

Neben Pandemie auch Russland Thema

Die Pandemieentwicklung und der Umgang mit der Delta-Variante werden auch Thema des EU-Gipfels sein. Weitere Themen des Rates sind die Außenpolitik und das Verhältnis der EU zu Russland, „wo wir einen ähnlichen Zugang haben“, so Kurz. „Angela Merkel hat es, genauso wie wir, für positiv empfunden, dass es einen Austausch zwischen Präsident (Joe Anm.) Biden und Präsident (Wladimir Anm.) Putin gegeben hat. Es wäre wichtig, dass wir auch als Europäische Union einen Austausch mit Präsident Putin anstreben“, plädierte der Bundeskanzler erneut für einen Dialog mit Russland.

„Die Differenzen, die wir haben, müssen wir klar ansprechen und auch weiterhin Konsequenzen ziehen, wenn es zu Verletzungen der Menschenrechte oder internationalen Rechts kommt. Aber gerade wenn man unterschiedlicher Meinung ist, gerade in einem so angespannten Verhältnis wie jenem zwischen der Europäischen Union und Russland braucht es auch Dialogkanäle.“