Das Parlamentsgebäude in Wien
ORF.at/Lukas Krummholz
Demokratieradar

Pandemie setzte Zufriedenheit stark zu

Das Austrian Democracy Lab hat einen deutlichen Befund zur Demokratiezufriedenheit in Österreich erstellt. Das halbjährlich erhobene „Demokratieradar“ zeigt, wie die Pandemie direkte Auswirkungen auf die Einstellungen zur Demokratie hatte – und auch Folgen für das Verhalten. Ein Knackpunkt dabei ist das gesunkene Vertrauen in andere Menschen generell.

Die Erhebung wird als Teil des Austrian Democracy Lab durch die Universitäten Krems und Graz durchgeführt, erhoben wird dabei unter rund 4.500 Befragten, wie sich die Vorstellungen von Demokratie und Teilhabe verändern. Die vergangenen eineinhalb Jahre waren dabei ein besonderes Forschungsfeld: Die Pandemie mit Lockdowns und vor allem eingeschränkten Sozialkontakten hatte direkte Auswirkungen auf diese Einstellungen. „Der Umgang mit anderen Meinungen ist ungewohnt geworden, weil es an zufälligen Begegnungen im öffentlichen Raum, im Park, auf der Straße, im Lokal fehlt(e)“, so eine Conclusio des Austrian Democracy Lab bei der Vorstellung der Ergebnisse am Montag.

Man habe wegen der mangelnden Sozialkontakte „als Gesellschaft ein wenig verlernt, miteinander zu reden und zu diskutieren“, es sei dadurch schwieriger geworden, andere Meinungen zu respektieren. „Das trübt das Vertrauen ineinander und in der Folge auch in die Politik“, so der Befund. Projektleiterin Karin Praprotnik sagte, es sei aus den Befragungsdaten ablesbar, dass auch das Vertrauen in andere Menschen gesunken sei. Und „Menschen, die weniger anderen Menschen vertrauen, sind auch weniger zufrieden mit der Demokratie“.

Mehrheit sieht negative Entwicklung

Nur noch 69 Prozent der Befragten sahen die Demokratie in der jüngsten Befragung zwischen Mitte März und Mitte Mai gut oder sehr gut funktionieren – der bisher niedrigste gemessene Wert. In den Befragungen davor lag die Zahl stets deutlich über 70 Prozent. Zu Pandemiebeginn lag sie sogar bei 78 Prozent – ein Wert, der in einer Welle der Solidarität und Zuversicht allerdings ebenfalls einen Ausreißer darstellt.

Lineargrafik zur Entwicklung des Demokratieverständnisses der Österreicher seit Beginn der Coronavirus-Pandemie
Grafik: ADL/ORF.at; Quelle: ADL

Generell sahen die Befragten eine eher negative Entwicklung Österreichs, seit Beginn der Krise stieg diese Einschätzung auf 68 Prozent. Der Wunsch nach einem grundlegenden Umbau des politischen Systems ging zudem auf 46 Prozent hinauf (im ersten Halbjahr 2020 lag dieser Wert noch bei 32 Prozent).

Österreich verlor relativ stark an Zufriedenheit

Diese Entwicklung allein auf die Pandemie oder auf die österreichische politische Lage zurückzuführen ist laut Flooh Perlot von der Karl-Franzens-​Universität Graz freilich nicht möglich. Im Europavergleich liegt Österreich bei der Demokratiezufriedenheit mit 68 Prozent jedenfalls im vorderen Drittel des Eurobarometers, der Rückgang zum Winter 2020 betrug aber beachtliche sieben Punkte. Im Vergleich mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten verlor Österreich stark – stärker im Minus lagen nur wenige Länder, darunter Deutschland, Malta und Kroatien. Auch Verschwörungsmythen spielten dabei eine Rolle.

Balkengrafik zur Entwicklung des Demokratieverständnisses der Österreicher seit Beginn der Coronavirus-Pandemie
Grafik: ADL/ORF.at; Quelle: ADL

Rezepte gegen Verdrossenheit

Es sei die Aufgabe der Politik, diese Werte wieder zu verbessern, so die Forschenden – aber nicht nur. „Demokratie heilt sich nicht von selbst“, so Daniela Ingruber von der Donau-Uni Krems. Eine Demokratie halte es aus, wenn in einer Krisensituation für eine beschränkte Zeit manche Freiheit eingeschränkt wird, hieß es. Doch zur Normalisierung hätten auch die Bürgerinnen und Bürger die Verpflichtung mitzumischen. Dazu sei es wichtig, Vertrauen zu fördern und hinzuhören, so Ingruber. Das sei banal, aber wichtig, gerade für Gesellschaften in Krisen.

Auch Politiker und Politikerinnen hätten während der Pandemie weniger Möglichkeiten gehabt, um sich mit der Bevölkerung direkt auszutauschen, „auch sie waren im Homeoffice oder hinter Plexiglas und nicht im Bad in der Menge“. Ein weiterer Schlüssel zu mehr Teilhabe sei zudem ein stärkerer Fokus auf politische Bildung – zu wissen, wo man sich einbringen könne und gehört werde.