Skyline von New York
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De-Blasio-Nachfolge

Vorzeitiger Stichtag im Rennen um New York

In der Frage, wer Bill de Blasio nach seiner am Ende des Jahres auslaufenden zweiten Amtszeit als Bürgermeister von New York beerbt, gibt es am Dienstag bei der Demokratischen Partei eine zentrale Weichenstellung. Die größte Stadt der USA ist eine Hochburg der Demokraten: Wer sich bei der mit Spannung erwarteten Vorwahl durchsetzt, ist somit auch klarer Favorit bei der im November anstehenden Wahl von New Yorks neuer Stadtführung.

Weitgehend offen ist allerdings, wer sich nun am „Primary Day“ innerhalb der Demokratischen Partei durchsetzt. Das mag zum einen am frühen Wahltermin liegen, wie US-Medien mit Verweis auf die bei früheren NY-Wahlen „traditionell“ im September stattfindenden Primaries schreiben – zum anderen lasse Beobachterinnen und Beobachtern zufolge ein kompliziertes neues Wahlsystem und das große Bewerberinnen- und Bewerberfeld viel Raum für Überraschungen.

In Umfragen lagen zuletzt weiterhin der Bezirksvorsteher von Brooklyn, Eric Adams, und der aus dem Präsidentschaftswahlkampf der Demokraten bekannt gewordene Andrew Yang teils deutlich voran. Das Rennen ist laut US-Medienberichten dennoch alles andere als entschieden.

New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio
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Bill de Blasio ist seit 1. Jänner 2014 Bürgermeister von New York

Zuspruch „auch vom politischen Gegner“

Geht es nach dem TV-Sender NBC, haben neben Adams und Yang noch Kathryn Garcia, Maya Wiley, Shaun Donovan, Raymond McGuire, Dianne Morales und Scott Stringer und damit acht von 13 zur Wahl antretenden Personen realistische Chancen auf eine Nominierung. Auch in der „New York Times“ („NYT“) war am Vortag zum Urnengang von acht Spitzenkandidaten und einer weiter unentschlossenen Wählerschaft die Rede.

Die „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) verwies schließlich auch auf die „NYT“-Wahlempfehlung und die damit verbundenen steigenden Umfragewerte für Garcia. Neben der früheren Leiterin der New Yorker Stadtreinigung listet die „SZ“ auch Adams, Yang sowie New Yorks Rechnungshof-Chef Stringer und die Bürgerrechtsanwältin und ehemalige De-Blasio-Beraterin Wiley zum Kreis der engeren Favoriten, die der Zeitung zufolge „merkwürdigerweise auch vom politischen Gegner“ viel Zuspruch bekämen.

Vorwahl auch bei Republikanern

Weit einfacher erscheint die ebenfalls am Dienstag anstehende Vorwahl bei den konservativen Republikanern – hier gibt es mit dem Gründer der Bürgerwehrtruppe „Guardian Angels“, Curtis Sliwa, und dem Unternehmer Fernando Mateo nur zwei Bewerber.

Große Herausforderungen

Wer auch immer künftig die Stadt regiert – es warten große Herausforderungen, die auch den Vorwahlkampf dominieren. Das Coronavirus hat New York hart getroffen, und auch wenn sich die Lage inzwischen stark gebessert hat, beschäftigen die Pandemie und ihre Nachwirkungen die Acht-Millionen-Metropole vor der Wahl ihres neuen Bürgermeisters mehr denn je: Die Wirtschaft liegt am Boden, Gewaltverbrechen befinden sich auf dem höchsten Stand seit mindestens einem Jahrzehnt.

Es sind Zustände, die sich die Behörden vor eineinhalb Jahren nicht hätten vorstellen können. Die Kriminalitätsrate hatte damals ein historisches Tief erreicht – doch dann kamen die Pandemie und der Lockdown, Tausende Restaurants und Geschäfte schlossen für immer. In New Yorker Problemvierteln, unter anderem in Brooklyn, wurde aus einer stets angespannten Lage eine eskalierende.

Vorwahl als Richtungsentscheidung

Experten erwarten nicht, dass sich der Trend in naher Zukunft wieder umkehrt, auch wenn New York wegen einer erfolgreichen Impfkampagne jüngst alle Coronavirus-Beschränkungen aufgehoben hat. Und zu den steigenden Verbrechen kommen fehlende Einnahmen vor allem auch aus dem Tourismus, der noch immer weitgehend lahmgelegt ist.

„Niemand kommt nach New York mit seinem Multimilliarden-Tourismussektor, wenn dreijährige Kinder am Times Square erschossen werden“, sagte Adams dazu im Wahlkampf. Der frühere Polizist sowie der Geschäftsmann Yang vertreten das Image, die öffentliche Sicherheit verbessern zu können und New York damit auch zu wirtschaftlicher Blüte zurückzuführen.

Ihnen gegenüber stehen linke Kandidaten, deren Kampagnen von den Idealen der Anti-Rassismus- und Gleichberechtigungsbewegung getrieben sind. Besonders hervorgetan hatte sich dort Wiley, die auf einen radikalen Neuanfang nach der Krise setzt und sich deutlich gegen die freundliche Linie gegenüber der Polizei richtet.

Vielmehr will sie das Budget der New Yorker Polizeibehörde (New York City Police Department, NYPD) von derzeit mehr als fünf Milliarden Dollar (4,2 Mrd. Euro) um eine Milliarde kürzen. Damit lehnt sie sich an die „Black Lives Matter“-Bewegung an, die nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten forderte, den Cops die Mittel zu entziehen. Wileys Position steht den Plänen der „Recht und Ordnung“-Demokraten Adams und Yang diametral gegenüber. Dazwischen gibt es – unter anderem mit Garcia – noch eine Reihe als moderater eingestufte Kandidaten.

„Indikator für Meinungsverschiedenheiten“

„Das New Yorker Bürgermeisterrennen ist ein Indikator für die Meinungsverschiedenheiten, die auch landesweit bei den Demokraten aufgetreten sind“, sagt in diesem Zusammenhang die Politikwissenschaftlerin Ester Fuchs von der Columbia-Universität. Sie unterscheidet zwischen einem progressiven linken Flügel, einem moderaten Flügel und den „Old School Liberalen“ – und hält das Rennen in New York für offen.

In welche Richtung die Weltstadt demnächst geht, wird auch nach der Wahl am Dienstag möglicherweise für Tage unklar bleiben. Durch ein kompliziertes neues Stimmsystem, bei dem jeder Wähler bis zu fünf Lieblingskandidaten der Reihenfolge nach bestimmen kann, könnten Endergebnisse laut Medienangaben mindestens eine Woche auf sich warten lassen.

Zwar soll recht schnell bekanntwerden, welche Kandidaten die meisten Erststimmen bekommen haben. Das heißt wegen des Gewichts möglicher Nennungen für Platz zwei allerdings noch nicht, dass diese Person auch gewonnen hat, weswegen etwa die dpa auch zum Schluss kommt: „New York City lässt sich Zeit mit seiner Schicksalswahl.“