Griechisches Militär an der Grenz zur Türkei
APA/AFP/Sakis Mitrolidis
Amnesty

Pushbacks „de facto“ griechische Grenzpolitik

Griechenland steht wegen illegaler Zurückweisungen von Geflüchteten erneut in der Kritik. Neue Belege für diese Pushbacks veröffentlichte nun die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Pushbacks seien „de facto zur griechischen Grenzpolitik in der Evros-Region“ geworden.

Menschen würden bis zu 700 Kilometer von der Grenze entfernt aufgegriffen, zur Landgrenze mit der Türkei gebracht und dorthin abgeschoben. Es sei „eindeutig, dass mehrere griechische Behörden eng zusammenarbeiten, um Schutzsuchende brutal festzunehmen und zu inhaftieren“, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht „Griechenland: Gewalt, Lügen und Pushbacks“.

Der Organisationsgrad der Abschiebungen zeige, „wie weit Griechenland geht, um Menschen illegal zurückzuschicken und dies zu vertuschen“, sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Die überwiegende Mehrheit der für den Bericht befragten Menschen berichteten gegenüber Amnesty von Gewalt von Personen, die sie als uniformierte griechische Beamte beschrieben, sowie von Männern in Zivilkleidung.

Appell an Frontex

Dazu gehörten Schläge mit Stöcken und Knüppeln, Tritte, Faustschläge, Ohrfeigen und Stöße, die manchmal zu schweren Verletzungen geführt hätten. Einige Vorfälle kämen aufgrund ihrer Schwere und der erniedrigenden oder strafenden Absicht auch Folter gleich, so die Menschenrechtsorganisation. Amnesty forderte die EU-Grenzschutzagentur Frontex zum Handeln auf. Frontex habe die Pflicht, Menschenrechtsverletzungen wie diese zu verhindern. „Wenn Frontex das nicht gelingt, müssen dessen Operationen in Griechenland beendet werden“, lautete die Forderung.

Flüchtlingsfamilie landet am Strad von Lesbos
Reuters/Giorgos Moutafis
Eine Familie Schutzsuchender landet am Strad von Lesbos

Pusbacks widersprechen der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und EU-Recht, welche die Mitgliedsländer dazu verpflichten, Menschen das Recht auf ein Asylverfahren zu garantieren und den Grundsatz des „Non-Refoulement“ (Menschen, die vor schweren Menschenrechtsverletzungen fliehen, nicht zurückzuweisen) einzuhalten – selbst wenn sie irregulär einreisen. Grenzbehörden müssen also immer eine individuelle Prüfung des Schutzbedarfs vornehmen, wenn die eingereiste Person um Asyl ansuchen möchte.

Die Vorwürfe gegen Griechenland gibt es seit Langem und mittlerweile von mehreren Seiten, darunter humanitäre Organisationen, das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und der Europarat. Es gebe „zahlreiche glaubwürdige Anschuldigungen“, dass Athen Pushbacks von Schutzsuchenden an Land oder auf See seit mindestens 2017 durchführe, hieß es in einem Brief der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, an die griechische Regierung vom 3. Mai.

Athen verteidigt Grenzschutz

Griechenland weist die Vorwürfe als weitgehend unbegründet zurück. Sein Land schütze die Grenzen so, wie es das europäische Regelwerk erlaube, sagte zuletzt der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis Mitte Juni. Auch für Pushbacks gebe es keine Beweise, sprang Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Mitarakis im APA-Doppelinterview zur Seite.

Auf die Frage, ob er Pushbacks als illegal betrachte und warum seine Regierung diese so lange dementierte, antwortete Mitarakis: „Es gibt ganz klare Regeln darüber, was im Grenzschutz für Staaten zulässig ist und was nicht. Andererseits gibt es offensichtlich auch Leute, die meinen, dass Staaten keine Grenzen haben und sie diese übertreten können, ohne irgendetwas zu tun. Wenn das gelten würde, brauchten wir keine Kontrollen mehr.“

Nehammer zeigt Verständnis

Die Überwachung der Seegrenzen im östlichen Mittelmeer sei „viel schwieriger“ als anderswo, außerdem müsse man angesichts des türkischen „Propagandakriegs der Worte und Bilder“ „sehr wachsam“ sein, zeigte Nehammer Verständnis für Griechenlands Vorgehen.

Mitarakis erneuerte Griechenlands Kritik an der Türkei, die sich seiner Meinung nach nicht an die Abmachungen des EU-Türkei-Abkommens von 2016 halte. Kernpunkt des Deals ist, dass die Türkei jeden Geflüchteten, der irregulär auf die griechischen Inseln gelangt und keinen Anspruch auf Asyl hat, zurücknimmt. Das passiere derzeit nicht. Es sei das „gemeinsame Bemühen und die gemeinsame Politik“, vor allem auch mit Österreich, zu versuchen, „illegale Ströme“ zu verhindern. Griechenland schütze die Grenzen nicht nur für sich selbst, sondern für die gesamte EU.

Migrationskonferenz in Prag

Nehammer zeigte sich dafür „sehr dankbar“ und lobte die „enge strategische Partnerschaft“ mit Griechenland. Am Mittwoch und Donnerstag nimmt er in Prag an einer Migrationskonferenz teil. Es handle sich um ein großes Treffen der Partner des Forums Salzburg, wie seine Sprecherin mitteilte. Diese mitteleuropäische Sicherheitspartnerschaft, der neben Österreich Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei, Tschechien und Ungarn angehören, ist 20 Jahre alt.

Die wichtigsten Themen seien gemeinsame Maßnahmen im Kampf gegen „illegale Migration“ und dabei vor allem die Stärkung des Grenzschutzes und die Umsetzung des Rückführungsplans für den Westbalkan. In Prag werde ein gemeinsamer Arbeitsauftrag der Innenminister für die „Plattform gegen illegale Migration“, die vergangenes Jahr in Österreich mit der „Wiener Erklärung“ gegründet wurde, verabschiedet.

Ziel sei es, durch operative Maßnahmen konkret „illegaler Migration“ entgegenzuwirken – „statt auf große EU-Strategien zu warten“. Nehammer sagte im Vorfeld: „Während bei der EU-Asyl- und -Migrationsstrategie noch verhandelt wird, setzen wir gemeinsam mit den Balkan-Ländern konkrete Schritte im Kampf gegen illegale Migration.“