„Ibiza“-Ausschuss: Zadic zu Ermittlungen befragt

Im „Ibiza“-U-Ausschuss wird derzeit auf Ladung der ÖVP bereits zum zweiten Mal Justizministerin Alma Zadic (Grüne) befragt. Pauschale Angriffe auf die Justiz wies Zadic gleich einleitend zurück. Die Justiz könne sich nicht in der Öffentlichkeit wehren, sie verwies auf den Umstand, dass es justizseitig nicht erlaubt sei, über Ermittlungsschritte zu reden.

Sie sehe sich in der Pflicht, solche pauschalen Angriffe abzuwehren, so Zadic – Einschüchterungsversuche gegen einzelne Staatsanwälte seien einzustellen. Zudem betonte die Justizministerin, allen Verdachtsmomenten von Einfluss auf die Ermittlungen, die an sie herangetragen wurden, nachgegangen zu sein.

Justizministerin Alma Zadic im Ibiza Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz

„Neue Situation“

Im Zusammenhang mit der Aktenlieferung verwies Zadic auf die Rechtslage. Der Vorwurf, dass zu viele und teils private Chats geliefert worden seien, rechtfertigte die Justizministerin mit einer zunächst neuen Situation für die Justiz bzw. einer zunächst ungeklärten Rechtslage.

Entsprechend habe dann der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden – und zwar, dass alle Rohdaten zu liefern sind, die zur Klärung der politischen Verantwortung abstrakt relevant sein könnten. Das hätten die Staatsanwaltschaften erfüllt („unglaublicher Einsatz“). In welcher Stufe diese Informationen vorgelegt werden müssen, richte sich nach dem Informationsordnungsgesetz, so Zadic. Das Justizministerium habe mit Blick auf Wahrung der Persönlichkeitsrechte keine der Akten in der Klassifizierungsstufe null geliefert.

Verfahrensrichter Ronald Rohrer wollte von Zadic wissen, ob sie etwas von politischer Beeinflussung der Verfahren wisse. Sie verwies auf verschiedene Verdachtsmomente, die an sie herangetragen würden, wie etwa von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die überbordende Berichtsaufträge seitens der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) kritisierte. Von politischer Beeinflussung sei ihr nichts bekannt. Auch nicht von Beamten des Ministeriums.

Politischer Einfluss auf Verfahren?

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper fragte entsprechend gleich eingangs „zu Pilnacek und anderen“. Sie wollte von Zadic wissen, wieso sie Pilnacek nach dessen Treffen mit Walter Rothensteiner und Josef Pröll noch ihr Vertrauen geschenkt habe. Sowohl Rothensteiner als auch Pröll sind Beschuldigte in der Causa Casinos – es gilt die Unschuldsvermutung. Sie habe mit Pilnacek darüber gesprochen und Weisung erteilt, dass die Fachaufsicht Beschuldigte in öffentlichkeitswirksamen Verfahren nicht zu treffen habe, so Zadic.

Ob sie politischen Einfluss auf Verfahren (etwa Casinos oder andere bei der WKStA angesiedelte Verfahren) ausmachen habe können, wollte Krisper unter Bezug auf Pilnacek-Chats von 2019 wissen. Zadic erinnerte sich an Gespräche nach der Veröffentlichung mit Pilnacek und anderen und wollte die Chats vorgelegt bekommen. „Ich müsste mir das eigentlich genau anschauen, damit ich sagen kann, was passiert ist“, so Zadic.

„Teilweise schikanöse“ Berichtsaufträge

Auch wollte Kripser wissen, wieso Zadic bestimmte Beilagen zu Unterlagen nicht sogleich nach Beweisanforderung an den U-Ausschuss geliefert hätte. Sie habe das immer beauftragt und habe das Konvolut auch prüfen lassen – ob es eine strukturelle Befangenheit der Oberstaatsanwaltschaft gebe. Sie habe eruiert, dass es zwar überbordende Berichtsaufträge gegeben habe („teilweise schikanös“), aber keine strukturelle Befangenheit. Dann seien neue Erkenntnisse dazugekommen, und dann habe es im Ministerium ja auch Suspendierungen gegeben.

Die Stärkung der unabhängigen Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaften sei ihr „zentrales politisches Anliegen“, so Zadic, und sie zählte die von ihr bis dato gesetzten Schritte auf wie die Trennung von Strafrechts- und Legistiksektion und den jüngst vorgestellten Erlass zu den Berichtspflichten. Damit hätten die Ermittler nun mehr Ressourcen.

Wie Zadic den Abgeordneten berichtete, musste die WKStA im Zusammenhang mit den „Ibiza“-Ermittlungen mit Stand Februar 181 Berichte abliefern. Davon 90 aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen, 91 auf Basis von Aufträgen des Ministeriums bzw. der Oberstaatsanwaltschaft. Davon gingen 58 auf parlamentarische Anfragen bzw. Beweismittelanforderungen zurück, 33 waren fachaufsichtlicher Natur, 17 vom Ministerium und 16 durch die OStA.

Accounts der WKStA sichern?

SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer legte einen Chatverlauf zwischen Pilnacek und der Kabinettschefin des damaligen Justizministers Clemens Jabloner (in der Zeit der Übergangsregierung Bierlein) vor. Pilnacek schrieb im August 2019, man solle die Accounts der WKStA sichern, worauf die Kabinettschefin erwiderte, dass sich die Oberstaatsanwaltschaft darum kümmere. Ob die Oberstaatsanwaltschaft dann handelte, wollte Zadic mit Verweis auf laufende dienstrechtliche Prüfungen medienöffentlich nicht beantworten. Dass die Kabinettchefin die Bereitschaft äußerte, auch ohne Info an den Minister tätig zu werden, sei ein nicht vorgesehenes Vorgehen.

Fuchs-Konvolut zu angeblichen WKStA-Verfehlungen

ÖVP-Mandatar Christian Stocker machte einen „Kurier“-Artikel über ein angebliches Konvolut des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, zum Thema. Auf 103 Seiten sollen angebliche dienstrechtliche Verfehlungen der WKStA im „Ibiza“-Verfahrenskomplex aufgelistet sein. Die Zeitung zitierte aus einem Dossier, das auf dem Handy des suspendierten Justizsektionschefs Christian Pilnacek gefunden worden war. Fuchs habe darin festgehalten, dass in der WKStA 40 Staatsanwälte arbeiten, vier von ihnen kritisierte er darin scharf.

Das Konvolut kenne sie nicht im Detail, es sei aber ans Ministerium herangetragen worden, sagte Zadic im Ausschuss. Die OStA Wien habe darin auch vorgeschlagen, dienstrechtlich vorzugehen, so Stocker. Nach Gesprächen mit der Sektion habe sie weitere Gespräche zu dem Thema beschlossen, aber disziplinarrechtlichen Schritte seien nicht nötig gewesen, erwiderte Zadic. Der Sektionschef sei suspendiert, auch Fuchs – und nun lasse sie gerade prüfen, wie die Fach- und Dienstaufsicht derzeit funktioniere. Wieso das Konvolut nicht an den U-Ausschuss geliefert wurde, könne sie nicht sagen.

Auch die FPÖ interessierte sich für das Konvolut. Mandatar Christian Ries erkundigte sich, was Fuchs damit bezweckt habe. Er habe Maßnahmen angeregt, so Zadic – sie habe disziplinarrechtliche Schritte prüfen lassen, die seien jedoch nicht angebracht gewesen.

Wirbel über Mitschnitt von Kurz-Befragung

Gleich eingangs thematisierte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker die medial aufgetauchten Tonbandprotokolle von der Einvernahme von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Das Onlinemagazin Zackzack.at hatte den Mitschnitt seines ersten Auftritts vor dem U-Ausschuss ins Netz gestellt. Eigentlich ist das laut Verfahrensordnung grundsätzlich verboten, Sanktionen sind allerdings nicht vorgesehen.

Hafenecker ortete einen „Spin“ der ÖVP, indem man der WKStA unterstellen wolle, Beweismittel zu leaken. ÖVP-Mandatar Stocker wies diese Darstellung zurück, ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger sagte, es könne nicht sein, dass alles zum Akt genommen und dann öffentlich bekanntwerde. Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte, es habe ein Amtshilfeersuchen der WKStA ans Parlament für die Vorlage des Mitschnitts gegeben – er nehme also an, dass es in den Akt gekommen sei.