Sebastian Kurz (ÖVP)
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„Ibiza“-Ausschuss

Hitziger Start bei Kanzlerbefragung

In der letzten regulären Sitzung des „Ibiza“-U-Ausschusses wird am Donnerstag Bundeskanzler Kurz (ÖVP) befragt – es ist sein zweiter Auftritt. Seine Premiere vor etwa einem Jahr sorgte für Nachhall, sie mündete in eine Anzeige und letztlich Ermittlungen wegen möglicher Falschaussage im U-Ausschuss – es gilt die Unschuldsvermutung. Nicht nur deshalb ging es am Donnerstag von Beginn an hitzig zu.

Er habe Respekt vor allen demokratischen Institutionen, so Kurz einleitend, aber er habe den Eindruck, dass versucht werde zu skandalisieren. Er mache sich „Sorgen um den politischen Diskurs“. Im U-Ausschuss gebe es zunehmend offene Ablehnung und „Hass“.

Kurz sprach sich für eine „dringende“ Reform des parlamentarischen U-Ausschusses aus. Erreicht werden könne das mittels einer Befragung durch Richter, so Kurz, damit die „Wahrheit im Zentrum“ stehe. Das vergangene Jahr habe auch ihn geprägt, er habe bei seiner Befragung vor einem Jahr versucht, mit seinen Antworten schnell zu reagieren und diese nach bestem Wissen und Gewissen zu geben, so Kurz.

„Da müsste der schon ein fester Trottel sein“

Sogleich wurde es inhaltlich: Von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl zu Spenden der Novomatic (von einer solchen war in einem Chat zwischen Ex-CEO Harald Neumann und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die Rede) gefragt sagte Kurz, dass es solche an die ÖVP nie gegeben habe. Er hielt fest, dass die Bundespartei in seiner Zeit keine Spende von der Novomatic bekommen habe.

Sebastian Kurz (ÖVP)
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Kurz sprach bereits bei seiner Ankunft über eine „nötige U-Ausschuss-Reform“

Er könne ausschließen, dass er Novomatic-Gründer Johann Graf dazu getroffen habe. „Hätte mir die Novomatic eine Spende angeboten, hätte ich dankend abgelehnt.“ Die Masse der ÖVP-Spender „waren immer Kleinstspender“, gab der Kanzler an. „Die machen das, weil es ihnen nicht egal ist, was in diesem Land passiert“, so Kurz, der sagte, dass stets alles korrekt abgelaufen sei.

Der Vorwurf, dass die Volkspartei bestechlich ist, sei an „Absurdität nicht zu überbieten“: „Zu glauben, dass jemand eine Straftat begehen würde, sein Leben wegzuwerfen, ins Gefängnis zu gehen – alles für eine Spende an die Volkspartei“, sei völlig absurd. „Dafür, dass der persönlich überhaupt nichts davon hat, sondern nur die Institution (die ÖVP, Anm.), da müsste der schon ein fester Trottel sein“, so Kurz.

Anonyme Anzeige wegen Kirchenchats

Schon vor der Befragung war eine anonym eingebrachte Anzeige gegen Kurz „wegen Nötigung der katholischen Kirche“ Thema – nämlich angeblich anlässlich der bekanntgewordenen Kirchenchats. Die SPÖ mutmaßte, dass die Anzeige eingebracht wurde, damit sich Kurz zu dem Thema entschlagen könne. Anzeigen seien nicht gut für den politischen Diskurs, sagte Kurz in einem Statement schon vor dem U-Ausschuss-Lokal.

Der Hintergrund: Es ging damals um die Überlegung der Streichung von Steuerprivilegien für die Kirche, der damalige ÖBAG-Chef Thomas Schmid konferierte anlässlich bevorstehender Gespräche mit der katholischen Kirche mit dem Kanzler, und dieser wies Schmid an, „Vollgas“ zu geben. Die SPÖ sagte nun, die nun aufgetauchte Anzeige habe wohl ein gewisser „A. H.“ eingebracht, was ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger empört zurückwies.

Hanger rät Krainer zu „Psychiater“

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer sei eine „Schande“ für den Parlamentarismus, er solle einen „Psychiater aufsuchen“, man habe nun einen „Tiefpunkt“ erreicht, so Hanger. Dass man nun versuche, der ÖVP eine Anzeige in Sachen Kirchenchats zu unterstellen, sei „letztklassig“. Krainer bezeichnete Kurz vorab als einen „Insider“ des „türkisen Staats im Staat“. Man wolle herausfinden, wie dieses „System“ aufgebaut wurde und funktioniere.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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Krainer gegen Hanger – und umgekehrt. Das Match war erwartbar.

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker äußerte sich „gespannt, was die türkise Familienaufstellung bringen“ werde. Einige Punkte seien offen – generell schlage die ÖVP wie ein Ertrinkender um sich. Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli hoffte, dass es im Zuge der Befragung keine „Entschlagungsorgie“ geben werde. Der Kanzler habe gesagt, dass er für Aufklärung sorgen wolle, so Tomaselli („Und ich nehme ihn beim Wort“). Es gehe darum, das Bild der österreichischen Politik zurechtzurücken.

NEOS: Kurz „mittendrin statt nur dabei“

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper sagte vorab, dass Kurz beim ersten Termin nicht die Wahrheit gesagt habe, weswegen man ihn nun noch einmal befragen müsse. Material habe es beim ersten Termin auch nicht gegeben, erst später seien die Chats aufgetaucht. Dann habe man erkannt, dass Kurz „mittendrin statt nur dabei war“, als „die Posten innerhalb der türkisen Familie verschachert“ worden seien, so Krisper. Kurz solle nun „sein Handeln von A bis Z erklären“.

Sebastian Kurz (ÖVP)
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Kurz unmittelbar vor seiner zweiten Befragung im U-Ausschuss

Mitschnitte von erster Kurz-Befragung aufgetaucht

Auch Thema könnten die durch Zackzack, das Medium des Ex-Abgeordneten Peter Pilz, am Vortag veröffentlichten Mitschnitte von Kurz’ erster Befragung im Ausschuss werden. Hintergrund: Für die genauere Klärung der Aussagen hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vom Parlament die Mitschnitte angefordert – über einen unbekannten Weg landeten sie bei Zackzack. Die FPÖ hatte in der Veröffentlichung einen „Spin“ der ÖVP vermutet, indem man der WKStA unterstellen wolle, Beweismittel zu leaken. Die ÖVP wies die Spekulation zurück; man habe nichts mit einer Weitergabe zu tun.

Generell war das Finale des „Ibiza“-Ausschusses von breitem Zeugenschwund geprägt. Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache etwa sagte aufgrund des Bootsbrandes in Kroatien ab (und bot ein Erscheinen zum Ersatztermin Mitte Juli an), Ex-ÖBAG-Chef Schmid erschien nicht, gleichsam der ehemalige Casinos-Vorstand und SPÖ-Politiker Dietmar Hoscher, auch Zadics stellvertretende Kabinettschefin Sarah Böhler konnte nicht befragt werden.