der slowenische Premierminister Janez Jansa
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EU-Gelder fließen

Slowenien legt Kontrolloren Steine in Weg

Vor einem Monat erst hat die neue Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) ihre Arbeit aufgenommen. Sie soll verhindern, dass EU-Gelder in dunklen Kanälen der Mitgliedsstaaten verschwinden. Ausgerechnet Ratspräsident Slowenien entsandte aber keinen Ermittler, die an sich mächtige Behörde kann nun nicht vollständig arbeiten. Bevor Ljubljana Milliarden aus dem EU-Aufbaufonds erhält, dürfte sich das auch nicht ändern.

Am Mittwoch übernahm Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft für das kommende halbe Jahr – nicht ohne etwas Misstrauen aus etlichen anderen Mitgliedsländern. Der konservative Premier Janez Jansa sorgte in den vergangenen Monaten in Brüssel für Irritationen: Ihm wurden Angriffe auf unabhängige Medien und Kontrollinstitutionen des Staates vorgeworfen, man fürchtet eine ähnliche Entwicklung wie in Ungarn, wo Jansas politischer Freund Viktor Orban regelmäßig mit der EU in Streit über rechtsstaatliche Ansprüche gerät.

Dabei gehört die Rechtsstaatlichkeit zu den Prioritäten der slowenischen Ratspräsidentschaft, auch das EU-Verfahren gegen Ungarn wegen Rechtsstaatsdefiziten soll nun wieder aufs Tapet kommen. Slowenien will vermitteln – doch steht es in puncto Rechtsstaat selbst unter Beobachtung. Die NGO European Civic Forum setzte das Land erst kürzlich auf ihre Watchlist jener Staaten, die einen Rückgang bei Bürgerrechten verzeichnen – neben Kolumbien, dem Tschad, Äthiopien und Myanmar. Kritik von mehreren Seiten kam auch wiederholt an Jansas Politik, die Finanzierung für Sloweniens einzige Nachrichtenagentur STA auszusetzen.

Verzögerungstaktik bei Bestellung

Sorgen gibt es derzeit besonders auch deshalb, weil Jansa bisher noch keine Vertretung für die EU-Staatsanwaltschaft schickte. Wochenlang schwelt in Ljubljana der Streit darüber, die Regierung setzte dabei auf eine Verzögerungstaktik. Zunächst wurde die Bestellung verschleppt, später überhaupt auf Eis gelegt. Die Ernennung von zwei delegierten Staatsanwälten wurde gleichzeitig verweigert – laut Regierung aus rechtlichen Gründen, laut Kritikern, weil Jansa die Auswahl der kritischen Ermittler nicht goutierte.

Aus Protest dagegen trat kürzlich gar Sloweniens Justizministerin Lilijana Kozlovic zurück. Ein Rechtsstreit über Jansas Blockade läuft – und verzögert die Bestellung weiter.

Holpriger Start für slowenische EU-Ratspräsidentschaft

Slowenien übernahm Anfang Juli für sechs Monate den Vorsitz in der EU – und der begann gleich einmal mit einem Eklat. Weil Sloweniens Regierungschef Janez Jansa offenbar Richter und EU-Abgeordnete inakzeptabel angegriffen hatte, boykottierte EU-Kommissionsvize Frans Timmermanns demonstrativ den Termin für das Familienfoto.

Große Befugnisse der neuen Kontrollore

Die Staatsanwaltschaft hat nach Jahren der Vorbereitung am 1. Juni ihre Arbeit in Luxemburg aufgenommen. Ihre Aufgabe ist es, gegen Korruption, Bestechung, Geldwäsche oder Veruntreuung im Zusammenhang mit EU-Geldern vorzugehen. Das kann auch gefälschte oder überhöhte Rechnungen umfassen, um sich EU-Fördermittel zu erschleichen. Die Ermittlerinnen und Ermittler sind dabei mit großen Befugnissen ausgestattet, sie können grenzüberschreitend ermitteln und schneller agieren als ihre nationalen Staatsanwaltschaften.

Generalstaatsanwältin Laura Kövesi (Leiterin des EPPO)
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Laura Kövesi leitet die neue EU-Staatsanwaltschaft. Mit Sloweniens Verzögerungen ist sie nicht zufrieden.

Nur 22 der 27 EU-Länder sind bei der EU-Staatsanwaltschaft dabei. Ungarn, Polen, Irland, Schweden und Dänemark wollten sich nicht anschießen. Die einzigen teilnehmenden Länder, die bisher keine Anklägerinnen und Ankläger nach Luxemburg schickten, sind Finnland und Ratspräsident Slowenien.

Geld „mit Argusaugen“ nachverfolgen

Das wird die Arbeit der Behörde behindern, so die Befürchtung. Denn die eigentliche Ermittlungsarbeit machen delegierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den Mitgliedsstaaten. Und sie hätten eigentlich in naher Zukunft viel zu tun: Durch den 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds der EU werden sich die Zahlungen aus dem EU-Haushalt in den kommenden Jahren quasi verdoppeln, und damit steigt auch die Gefahr von Betrugsdelikten. Man werde deshalb die Geldmittel „mit Argusaugen“ nachverfolgen, sagte dazu EU-Justizkommissar Didier Reynders. Auch Slowenien wird aus dem EU-Topf zum Aufbau schöpfen: Grünes Licht vorausgesetzt, soll das Land 2,5 Milliarden Euro für die nächsten sechs Jahre aus dem Recovery Fund erhalten.

Ärger in neuer Behörde

EPPO-Leiterin Generalstaatsanwältin Laura Kövesi, hatte Slowenien mehrfach aufgefordert, doch noch rechtzeitig Ermittlerinnen und Ermittler zu schicken. Gerade der Wiederaufbaufonds berge die Gefahr, dass EU-Gelder missbräuchlich verwendet würden. Der Mangel an Transparenz bei der Vergabe, etwa direkt an Unternehmen, bedeute eine „echte Gefahr“. Die Behörde sei geschaffen worden, „um den Schutz der finanziellen Interessen der EU zu verbessern“, so ein EPPO-Statement, „und nicht, um jemandem zu erlauben, Fälle in einer Schublade verschwinden zu lassen“.

Man könne zwar auch ohne Delegierte aus Slowenien arbeiten, "aber das bedeutet, dass die finanziellen Interessen der EU in Slowenien nicht vollends geschützt werden könnten. „Der offensichtliche Mangel an aufrichtiger Zusammenarbeit der slowenischen Behörden“ mit der EU-Staatsanwaltschaft untergrabe „ernsthaft das Vertrauen in das wirksame Funktionieren der Verwaltungs- und Kontrollsysteme für EU-Mittel in Slowenien“.

Eklat bei Treffen mit Kommission

Laut der Europaausgabe des Magazins „Politico“ dürfte es sich nicht ausgehen, dass Ljubljana noch rechtzeitig bevor die Gelder aus dem Aufbaufonds kommen, Ermittlerinnen und Ermittler schickt. Laut Jansa soll der Nominierungsprozess nun erst im Herbst abgeschlossen werden. „Ich sehe bei Slowenien ein enormes Risiko, weil das Geld fließt, aber das Management und das Kontrollsystem für den EU-Fonds in Slowenien wird wirklich beeinträchtigt sein“, so Kövesi zu „Politico“.

Familienfoto am Beginn der Slownischen EU-Präsidentschaft
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Eklat bei Treffen mit Jansa: Gruppenbild ohne Timmermans

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte Kritik an Jansas Verzögerungen. „Slowenien muss liefern“ und mit der EU-Staatsanwaltschaft kooperieren, sagte von der Leyen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Jansa am Donnerstag. Zuvor hatte Jansa bei einem Treffen mit der EU-Kommission noch für einen Eklat gesorgt. Er hatte sich im Beisein von der Leyens darüber beschwert, dass die Justiz in Slowenien von Linken infiltriert sei. Daraufhin verweigerte der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans das gemeinsame Gruppenbild – ein holpriger Start für die EU-Präsidentschaft.