Arbeitsminister Martin Kocher
APA/Robert Jäger
Arbeitslosigkeit

AMS soll wieder schärfer sanktionieren

Rund 360.000 Menschen waren Ende Juni in Österreich arbeitslos gemeldet. ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher sieht nun dennoch den richtigen Zeitpunkt für eine „Normalisierung“ der Lage auf dem Arbeitsmarkt gekommen. Dazu sei dem Arbeitsmarktservice (AMS) am Montag eine neue Zielvorgabe übermittelt worden. Es soll wieder schärfer kontrollieren und sanktionieren.

Mit dem Rückgang der Kurzarbeit habe das AMS nun mehr Kapazitäten für die Vermittlung von Arbeitskräften, sagte Kocher bei einer Pressekonferenz mit dem Titel „Auf zu neuen Arbeitswelten“ am Montag. In den vergangenen Monaten sei es teilweise nicht möglich gewesen, die bestehenden Zumutbarkeitsbestimmungen wie die Aufnahme einer Arbeit oder die Teilnahme an Schulungen umzusetzen.

„Die Regeln werden nicht verschärft, sondern man setzt die bestehenden Regeln durch und macht das Ganze verbindlicher“, sagte Kocher. Die Vermittlung durch das AMS sei ganz wichtig, es müsse daher „auch die Verbindlichkeit der Vermittlung über Sanktionen sichergestellt werden“, sagte der Arbeitsminister bereits am Sonntag in der ZIB2. „Das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe können bei der Verweigerung einer zumutbaren Arbeit sechs Wochen, im Wiederholungsfall acht Wochen gestrichen werden“, hieß es es aus dem Arbeitsministerium.

Arbeitsminister Martin Kocher und die Leiterin der Stabsstelle Think Austria Antonella Mei-Pochtler
APA/Robert Jaeger
Kocher (r.) und Mei-Pochtler präsentierten Strategien für „neue Arbeitswelten“

Das AMS habe eine Zielvorgabe vom Ministerium bekommen, wonach die Verbindlichkeit insgesamt stärker betont werde, so der Minister. Nach einer starken Qualifikationsoffensive gehe es jetzt auch mehr um die Vermittlung. „Jetzt geht’s darum, dass dort, wo es schwierig ist, Arbeitskräfte zu finden, dass in dem Bereich auch Vermittlung wieder stattfindet.“ Die Verbindlichkeit betreffe etwa die Wahrnehmung von Terminen beim AMS oder die Annahme eines Arbeits- oder Qualifikationsangebots.

AMS soll wieder schärfer sanktionieren

Rund 360.000 Menschen waren Ende Juni in Österreich arbeitslos gemeldet. ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher sieht nun dennoch den richtigen Zeitpunkt für eine „Normalisierung“ der Lage auf dem Arbeitsmarkt gekommen. Dazu sei dem Arbeitsmarktservice (AMS) am Montag eine neue Zielvorgabe übermittelt worden. Es soll wieder schärfer kontrollieren und sanktionieren.

„Das ist legitim“

Während der Pandemie habe das AMS mehr Nachsicht walten lassen, so Kocher. Er sagte, dass es nicht darum gehe, Ältere und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den Niedriglohnbereich zu drängen: „Es geht um die, die das System nicht so nutzen, wie es genutzt werden sollte. Das ist legitim.“ Es gehe darum, die Regeln bei Menschen durchzusetzen, die arbeitslos seien, nur geringfügig arbeiten wollten, aber Vollzeit arbeiten könnten. Kocher: „Das ist ein Zeichen, dass mit Schwarzarbeit die Anreize so groß sind, nicht zu arbeiten. Das ist auf Dauer eine Ausnützung des Arbeitslosensystems.“

Pressekonferenz: Neue Zielvorgaben für AMS

„Die Regeln werden nicht verschärft, sondern man setzt die bestehenden Regeln durch und macht das Ganze verbindlicher.“ ÖVP-Arbeitsminister Kocher präsentierte am Montag eine neue Zielvorgabe für das AMS.

Die stärkere Vermittlung sei vor allem in Bereichen, wo derzeit ein Mangel an Arbeitskräften herrsche, notwendig. Das betreffe die Gastronomie, den Tourismus und einige Bereiche in der Industrie. Kocher sprach hier von einem „regionalen wie auch qualifikatorischen ‚Mismatch‘“. Entsprechend brauche es auch Anreize, um etwa die Mobilität von Arbeitskräften von Ost nach West zu fördern.

Gerade im Tourismus sei der Arbeitskräftemangel auch auf fehlende Saisonniers zurückzuführen: „Die Saisonnierkontingente wurden bisher nicht ausgeschöpft. Das wird sich von selbst wieder einpendeln.“ Aber die Branche werde daran arbeiten müssen, attraktiv zu bleiben.

Rot-Weiß-Rot-Karte beschleunigen

Auch Antonella Mei-Pochtler, die Leiterin der Stabsstelle ThinkAustria im Bundeskanzleramt, sprach bei der Pressekonferenz die Diskrepanz etwa bei vorhandenen und nachgefragten Qualifikationen und bei regionalen Unterschieden beim Arbeitskräfteangebot an. Auf Basis von Interview mit Vertretern aus rund 40 Unternehmen erarbeitete sie Strategien, um bei der mittel- und langfristigen Entwicklung des Arbeitsmarktes mithalten zu können.

Handlungsbedarf gebe es bei der Digitalisierung, insbesondere bei den KMU, bei der systematischen Gewinnung von Fachkräften – die Rot-Weiß-Rot-Karte müsse beschleunigt werden – und bei der Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Inklusion.

Mei-Pochtler: „Wir haben keine Glaskugel, was in fünf, zehn, 15 Jahren passieren wird. Aber wir müssen schneller reagieren.“ Entscheidend sei auch, dass nicht nur die Deutschsprachigkeit forciert werde, sondern auch die Englischkenntnisse der Österreicher und Österreicherinnen verbessert würden.

Reform des Arbeitslosengeldes geplant

Trotz der Krise habe es 2020 einen Missbrauch von AMS-Leistungen in Millionenhöhe gegeben, so Kocher. Das AMS habe im März 2020 seine Kontrolltätigkeiten aufgrund der angespannten Arbeitsmarktlage vorübergehend ausgesetzt, dennoch wurden im vergangenen Jahr Sanktionen in der Höhe von 66 Millionen Euro verhängt. Gründe waren laut Kocher meistens Arbeits- und Schulungsverweigerung, versäumte Kontrolltermine sowie selbst verschuldete Kündigungen und Selbstkündigungen.

Nicht ausgeschlossen ist für Kocher die Forderung der Wirtschaftskammer, den Zuverdienst bei der Arbeitslosigkeit zu befristen. Das sei „eine Möglichkeit, die man sich anschauen kann“. Das müsse aber in eine größere Reform eingebettet werden. Dabei sei auch ein degressives Modell des Arbeitslosengeldes möglich – also dass am Anfang des Bezuges die Absicherung des Einkommens verbessert werde und das Geld mit der Dauer des Bezuges sinkt.

Langzeitarbeitslose im Fokus

Umso mehr sieht Kocher als einen wesentlichen Teil der bevorstehenden Arbeitsmarktpolitik, die Zahl von derzeit rund 150.000 Langzeitarbeitslosen zu reduzieren. Bis Ende 2022 soll die Langzeitarbeitslosigkeit auf das Niveau von vor der Krise gebracht werden – das wären um 50.000 weniger.

Dafür stehen im kommenden Jahr 300 Millionen Euro zur Verfügung – heuer noch 100 Mio. Euro. Die SPÖ sprach bei dieser Aktion „Sprungbrett“ von einem „Marketing-Schmäh“. Kocher sieht das Programm als „sehr ambitioniert“. Das AMS setzt dafür auf eine Kombination von Eingliederungsbeihilfen und gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung.

Wirtschaft erfreut, Grüne skeptisch

Unterstützung kam von der Industriellenvereinigung (IV). Vermittlung sei der entscheidende Schlüssel für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitsmarktpolitik müsse nicht zuletzt aufgrund des akuten Fachkräftemangels in zahlreichen Produktionsbetrieben wieder in einen „Normalmodus“ zurückfinden.

Auch die Wirtschaftskammer begrüßte den Vorstoß. Fachkräftemangel sei das dringlichste Problem vieler Betriebe, sagte Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer. „Wir müssen daher dafür sorgen, dass Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt wieder besser zusammenpassen. Jede Maßnahme, die dafür sorgt, ist zu unterstützen“, so Kopf.

Zustimmung der ÖVP, Kritik der Grünen

Positives Echo kam vom ÖVP-Wirtschaftsbund: „Arbeit muss sich wieder lohnen – und um das zu erreichen, brauchen wir jetzt die richtigen Anreize“, so dessen Generalsekretär Kurt Egger. ÖVP-Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger forderte: „Wer arbeiten kann und nicht will, gehört sanktioniert.“

Kritischer sieht der grüne Arbeits- und Sozialsprecher Markus Koza Kochers Vorstoß: „Druck auf Betroffene schafft keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz.“ Die Krise sei noch nicht vorbei. Nach wie vor gebe es eine große Lücke zwischen Arbeitssuchenden und Jobangeboten

Opposition kritisch

Heftige Kritik übte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch: „Anstatt Arbeitslose in der Krise zu unterstützen, Jobprogramme zu beschließen und in die heimische Wirtschaft zu investieren, ziehen die Türkisen mit freundlicher Unterstützung der Grünen die Daumenschrauben an …“

Von einer „neoliberalen Einfachlösung“ sprach FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Das sei „soziale Kälte in Reinkultur“. Als „gut“ bezeichnete NEOS die Erkenntnisse der Regierung, dass es Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen brauche. NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker vermisste aber konkrete geplante Maßnahmen.