Palme d’Or in Cannes
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Filmfestspiele Cannes

Hohe Stardichte an der Cote d’Azur

Am Dienstag ist es erstmals seit 2019 wieder so weit: In Südfrankreich geben sich internationale Regie- und Schauspielstars die Ehre, insgesamt 24 Produktionen treten zum Hauptwettbewerb um die Goldene Palme an. Bei der 74. Ausgabe des weltweit größten Filmfestivals übernimmt Spike Lee den Juryvorsitz, die österreichische Regisseurin Jessica Hausner ist eine von fünf Frauen in der illustren Runde der Jurorinnen und Juroren.

Stars, roter Teppich und Goldene Palmen: Cannes ist ein Mythos. Vergangenes Jahr bekam dieser Mythos Risse, als die 73. Ausgabe des Festivals wegen der Pandemie abgesagt werden musste und nur eine kleine Festivalausgabe ohne Stars im Oktober nachgeholt werden konnte. Auch die 74. Ausgabe schien unter einem nicht gerade glänzenden Stern zu stehen, der ursprünglich avisierte Termin im Mai hielt nicht.

Am Dienstagabend war es dann aber endlich so weit. Als Eröffnungsfilm soll „Annette“ das Publikum verzaubern. Der französische Regisseur Leos Carax („Die Liebenden von Pont-Neuf“) konnte für seinen ersten englischsprachigen Film Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard und Adam Driver gewinnen, die in dem Musical-Drama ein Liebespaar spielen.

Filmfestivalbanner in Cannes
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Cannes macht sich seit 2019 erstmals wieder bereit für die internationalen Filmstars

Die Kompositionen stammen von den Sparks, einer der schrillsten und unberechenbarsten Bands der Popgeschichte, deren Mitglieder deutlich über 70 sind. Die Songs der Brüder Meal bewegen sich in „Annette“ zwischen Synthiepop, sinfonischem Art-Rock, Opernbombast und Balladenkitsch. Das Leben der Protagonisten Henry und Ann, eines Promipaars, das im Scheinwerferlicht lebt, gerät gehörig durcheinander, als deren Tochter Annette geboren wird.

Stargedränge auf dem roten Teppich

Auch heuer werden viele Stars an der Cote d’Azur erwartet. Im Wettbewerb um die Goldene Palme dabei ist etwa Regiegröße Wes Anderson, dessen „The French Dispatch“, eine in den 1960er Jahren spielende Geschichte rund um eine amerikanische Nachrichtenredaktion in einer fiktiven französischen Stadt, schon vergangenes Jahr in Cannes präsentiert hätte werden sollen. Allein in diesem Film ist die Stardichte mit Jungstar Timothee Chalamet („Call Me by Your Name“), der für „Nomadland“ bei den diesjährigen Oscars als beste Schauspielerin ausgezeichneten Frances McDormand, Bill Murray, Christoph Waltz und Owen Wilson außergewöhnlich hoch.

Sean Penn schickt das Vater-Tochter-Drama „Flag Day“ ins Rennen, für das er selbst mit seiner Tochter Dylan Penn vor der Kamera stand. Die Französin Catherine Corsini wiederum, eine von vier Regisseurinnen im Wettbewerb, drehte „The Divide“ mit Valeria Bruni Tedeschi. Außer Konkurrenz stellt Tom McCarthy den Thriller „Stillwater“ mit Matt Damon vor, und Catherine Deneuve ist in „Peaceful“ von Emmanuelle Bercot zu sehen.

Für Francois Ozon, der mit der Romanverfilmung „Everything Went Fine“ über aktive Sterbehilfe antritt, ist es bereits die vierte Einladung nach Cannes. Jacques Audiard, der mit seinem vorletzten Spielfilm „Dheepan“ die Goldene Palme gewonnen hat, tritt mit „Paris 13th District“ an. Paul Verhoeven erzählt mit „Benedetta“ die wahre Geschichte einer lesbischen Nonne. Politisch könnte es ebenfalls werden: Der zweifache Oscar-Gewinner Asghar Farhadi („Nader und Simin – Eine Trennung“) drehte sein jüngstes Werk „A Hero“ erneut im Iran, während der in seiner Heimat verurteilte Russe Kirill Serebrennikow wahrscheinlich wieder nicht ausreisen und seinen Film „Petrov’s Flu“ in Cannes nicht vorstellen kann.

Jessica Hausner in der Jury

Erfreulich für die österreichische Filmbranche: Die österreichische Filmregisseurin und Produzentin Hausner ist in die Jury unter dem Vorsitz des US-Regisseurs Spike Lee berufen worden. Hausner, die im Dezember 2020 als Professorin für Regie an die Wiener Filmakademie berufen wurde, war 2019 mit „Little Joe“ im Hauptwettbewerb in Cannes vertreten. Insgesamt werden fünf Frauen und vier Männer aus fünf Kontinenten die 24 Wettbewerbsfilme beurteilen und über die Preise entscheiden.

Regisseurin Jessica Hausner
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Jessica Hausner ist Österreichs prominentester Beitrag bei der diesjährigen Festivalausgabe – als Teil der hochkarätigen Jury

Neben Lee und Hausner sind die franko-senegalesische Regisseurin Mati Diop, die franko-kanadische Sängerin Mylene Farmer, die US-Schauspielerin und Regisseurin Maggie Gyllenhaal, die französische Schauspielerin Melanie Laurent, der brasilianische Regisseur Kleber Mendonca Filho, der französische Schauspieler Tahar Rahim sowie der koreanische Schauspieler Song Kang Ho in diesem Jahr Jurymitglieder.

ORF-Koproduktionen bei „Un Certain Regard“

Zwei vom ORF im Rahmen des Film- und Fernseh-Abkommens kofinanzierte Produktionen feiern in der Sektion „Un Certain Regard“ ihre Weltpremiere: „Große Freiheit“ erzählt von Hans, der im repressiven Nachkriegsdeutschland wegen seiner – damals strafbaren – Homosexualität immer wieder eingesperrt wird, aber beharrlich auf der Suche nach Freiheit und Liebe bleibt. Vor der Kamera standen für dieses 2020 in Deutschland und Österreich gedrehte Drama unter anderem Franz Rogowski, Georg Friedrich, Anton von Lucke und Thomas Prenn. Regie führte Sebastian Meise, der gemeinsam mit Thomas Reider auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet.

Bo Chens „Moneyboys“ erzählen von Fei (Kai Ko), einem Mann, der in Peking illegal auf dem Strich arbeitet, um seine Familie zu unterstützen. Doch seine Familie kann seine Homosexualität nicht akzeptieren, und so löst sich Fei und scheint durch die Beziehung zum eigenwilligen Long (Bai Yufan) einen Neuanfang zu schaffen – bis ihm seine Jugendliebe Xiaolai (Lin Zehngxi) begegnet und ihn mit der Vergangenheit konfrontiert. Das Drama wurde 2019 in Taiwan gedreht.

Der internationale, parallel zum Festival stattfindende Marche du Film hat außerdem das kurz vor Fertigstellung befindliche Spielfilmdebüt von Magdalena Lauritsch als Teil der Spezialauswahl „Frontieres Buyers Showcase“ eingeladen. An Bord der titelgebenden Weltraumstation „Rubikon“ forschen im Jahr 2056 Julia Franz Richter, George Blagden und Mark Ivanir an einem Algenprojekt – bis die Erde unter ihnen plötzlich verschwindet und jeglicher Kontakt abbricht. Die drei müssen sich fragen, ob sie die letzten überlebenden Menschen sind.

Ehrenpalmen an Jodie Foster und Marco Bellocchio

US-Star Jodie Foster wird Ehrengast der Eröffnung sein und eine Ehren-Palme erhalten und tritt damit in die Fußstapfen von etwa Jeanne Moreau, Jane Fonda und Alain Delon. Sie verdanke dem Festival sehr viel, „es hat mein Leben komplett verändert“, sagte Foster bei der Bekanntgabe. „Mein erstes Mal an der Croisette war ein entscheidender Moment für mich. Einen meiner Filme hier vorstellen zu dürfen war immer ein Traum von mir. Tatsächlich hatte ich sogar einige Gelegenheiten, ihn wahrzumachen.“

Als 13-Jährige hatte Jodie Foster 1976 mit „Taxi Driver“ von Martin Scorsese ihren ersten Cannes-Auftritt. Der Film erhielt die Goldene Palme. 45 Jahre später wird sie nun selbst mit dieser Auszeichnung geehrt – für ein Werk, das rund 50 Arbeiten als Darstellerin und vier abendfüllende Regiearbeiten umfasst sowie zweimal mit einem Hauptrollen-Oscar ausgezeichnet wurde (1989 für „Angeklagt“, 1992 für „Das Schweigen der Lämmer“).

Der italienische Regisseur Marco Bellocchio („Der Sprung ins Leere“, „Der Verräter“) erhält beim diesjährigen Filmfestival in Cannes eine Goldene Ehrenpalme. Mit der Auszeichnung werde sein einzigartiges Schaffen geehrt, das das zeitgenössische Kino mit Kraft und Freiheit geprägt habe, hieß es in einer Mitteilung der Festivalleitung. Festivalpräsident Pierre Lescure sagte, Bellocchio revolutioniere mit jedem seiner Werke die etablierte Ordnung. Dem 81-Jährigen soll der Preis zum Abschluss des Filmfestivals am 17. Juli überreicht werden.

Cannes-Kollektion auf Flimmit

Flimmit feiert die Internationalen Filmfestspiele von Cannes mit einer eigenen Kollektion, in der zahlreiche teilnehmende, nominierte oder ausgezeichnete Filme der vergangenen Jahre zusammengefasst sind. Darunter sind Filmschätze wie die kanadisch-französische Produktion „Laurence Anyways“, Jessica Hausners Drama „Amour Fou“ und Andreas Horvaths Roadmovie „Lillian“, das im Rahmen der Reihe „Quinzaine des Realisateurs“ bei den Filmfestspielen Cannes 2019 Weltpremiere feierte.