Ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache im Gerichtssaal
AP/Lisa Leutner
Korruptionsprozess gegen Strache

Anklage sieht „schwerwiegende Straftat“

Am Dienstag ist am Wiener Landesgericht für Strafsachen unter regem Medieninteresse ein erster Prozess gegen den über das „Ibiza-Video“ zu Fall gekommenen Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache eröffnet worden. Es geht um einen vermuteten Gesetzeskauf im Zusammenhang mit der Privatklinik Währing. Strache wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Er bekannte sich – wie auch Klinikbetreiber Walter Grubmüller – „nicht schuldig“.

Oberstaatsanwältin Silvia Thaller sprach in ihrem Eröffnungsplädoyer von einer „schwerwiegenden Straftat“. Es handle sich „um kein Kavaliersdelikt, keine zu vernachlässigende Form von Freunderlwirtschaft“. Aus sichergestellten Chats, Zeugenaussagen und weiteren Ermittlungsergebnissen sei „klar ableitbar“, dass eine Spende an die FPÖ „nicht aus altruistischen Motiven, sondern in Verbindung mit Amtsgeschäften von Heinz-Christian Strache“ ergangen sei.

Thaller ortete im Zusammenhang mit der Parteispende „strafbare Korruption“, Straches Verhalten sei „strafrechtlich verpönt“ gewesen. Es sei ihm „um geldwerte Vorteile für sich, seine Ehefrau und die Partei“ gegangen, Strache habe „die vom Strafrecht gezogenen Grenzen überschritten“. Mitangeklagt ist der Betreiber der Klinik, Grubmüller, dem Bestechung angekreidet wird.

Anwalt: „Ist er bestechlich? Nein, definitiv nicht“

Strache wurde zu Beginn der Verhandlung zu seinen Vermögensverhältnissen befragt. Er wollte weder zu seinem Vermögen noch seinem Nettoeinkommen noch allfälligen Schulden Angaben machen. Auf die Frage nach seiner beruflichen Tätigkeit erwiderte er: „Unternehmer.“ Unterhaltspflichtig sei er für drei Kinder im Alter von zweieinhalb, 19 und 21 Jahren, gab Strache auf Befragen von Richterin Claudia Moravec-Loidolt bekannt.

Medienvertreter vor Prozessbeginn im großen Schwurgerichtssaal im Landesgericht Wien
APA/Herbert Neubauer
Der Prozessauftakt wurde von regem Medieninteresse begleitet

Während Oberstaatsanwältin Thaller die Anklage verlas, machte sich der Ex-Politiker eifrig handschriftliche Notizen. Thaller betonte, das gegenständliche Verfahren sei das erste, das im Zuge der Ermittlungen rund um das „Ibiza-Video“ verhandelt werde. Zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren würden geführt, die meisten seien noch nicht abgeschlossen.

Straches Anwalt Johann Pauer verwies zu Beginn seines Eröffnungsstatements auf die im „Ibiza-Video“ festgehaltene Aussagen seines Mandanten, wonach alles legal sein müsse, er immer korrekt vorgehe und Strache auch gesagt habe, er mache grundsätzlich nichts Rechtswidriges. „Warum sollte so jemand plötzlich etwas Unkorrektes tun?“, fragte Pauer. „Die einzige Frage, die wesentlich ist: Ist er bestechlich? Nein, definitiv nicht.“ Strache habe sich auf Ibiza „zweifellos katastrophal verhalten“, sei aber „definitiv nicht bestechlich“.

Spende an FPÖ für Gesetzesänderung?

Strache soll laut Anklage dafür gesorgt haben, dass Grubmüllers Klinik während der türkis-blauen Koalition in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) aufgenommen wurde. Das hatte zur Folge, dass die Einrichtung Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen verrechnen konnte.

Ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache im Gerichtssaal
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Strache wird Bestechlichkeit vorgeworfen

Als Gegenleistung für die Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) und des PRIKRAF-Gesetzes soll Grubmüller der Bundes-FPÖ am 29. August 2017 eine Spende von 10.000 Euro überwiesen und Strache und dessen Ehefrau Ende April/Anfang Mai 2018 übers Wochenende auf Korfu eingeladen und die Kosten für Unterkunft sowie die An- und Abreise mit einem Privatjet übernommen haben. Beide Angeklagte haben die Vorwürfe bisher zurückgewiesen.

Beziehung „sehr freundschaftlich, andererseits distanziert“

Strache und der ehemalige Glücksspielmanager und Rennfahrer Grubmüller wird eine Freundschaft nachgesagt. Sein Verhältnis zu Strache bezeichnete Grubmüller vor Gericht als „sehr freundschaftlich. Andererseits war er distanziert.“ Strache habe ihn unter Anspielung auf seine jahrzehntelange SPÖ-Mitgliedschaft „den Roten“ genannt: „Ich weiß nicht, wie sehr er mir vertraut hat.“

Pauer sagte am Dienstag zu den Vorwürfen vor Gericht, es habe während Straches Amtsträgerzeit keine Vorteilsannahme gegeben. Denn der vorgeworfene Flug nach Korfu habe nicht – wie von der WKStA behauptet – 2018, sondern bereits 2016 stattgefunden. „Es gab in seiner Amtsträgerzeit keine Vorteile, die er angenommen hat“, der Vorwurf sei damit widerlegt. Außerdem habe es sich dabei nur um den Rückflug gehandelt, auch habe sich Strache an den Kosten beteiligt.

Pauer: Es ging nicht nur um Privatklinik Währing

Zum Vorwurf der Spende sagte Pauer, Grubmüller sei seit 40 Jahren SPÖ-Mitglied und habe sich dann der FPÖ zugewandt, „weil er nicht mehr mit der SPÖ zufrieden war“. Die Spende habe auch nichts mit dem Initiativantrag des FPÖ-Parlamentsklubs, mit dem das ASVG und das PRIKRAF geändert werden sollten, zu tun gehabt.

Strache habe sich vielmehr gegen Missstände eingesetzt. So verwies Pauer auf Aussagen seines Mandanten aus dem Frühjahr 2017, bei dem er im Zusammenhang mit dem PRIKRAF von einem Sumpf im Umfeld der ÖVP gesprochen habe. Und im Initiativantrag selbst sei es nicht um die Privatklinik Währing – ein 20-Betten-Haus – gegangen, sondern darum, dass jede Privatkrankenanstalt über den PRIKRAF abrechnen kann.

Außenansicht der Privatklinik Währing
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Die Privatklinik Währing steht im Mittelpunkt des Prozesses

Es sei aus politischer Überzeugung geschehen, so Straches Anwalt. Auch Grubmüllers Verteidiger sagte zuvor, dieser habe sich „für alle Privatkliniken“ und nicht nur für die Privatklinik Währing um die Aufnahme in den PRIKRAF bemüht. Grubmüller brachte dahingehend sogar eine Klage ein und ging bis zum Verfassungsgerichtshof (VfGH). Er scheiterte mit seinem Ansinnen, „eine sachliche Begründung dafür hat es nicht gegeben“, so Grubmüller.

Grubmüller: „Absichtlich 10.000 Euro überwiesen“

Zur Parteispende merkte Grubmüllers Verteidiger an, sein Mandant habe die 10.000 Euro „nicht heimlich“, sondern „spontan“ an die FPÖ als „Wahlkampfhilfe“ gespendet. Einen Bezug zum PRIKRAF habe es dabei nicht gegeben: „Er wollte kein Gesetz kaufen.“ Motiv für die Spende sei Enttäuschung über andere Parteien gewesen, während die FPÖ „eine kritische Haltung zur Kammer“ an den Tag gelegt habe, was Grubmüller honoriert habe.

Grubmüller selbst betonte in seiner Einvernahme, er habe der FPÖ „absichtlich 10.000 Euro überwiesen. Ich wollte, dass es an den Rechnungshof geht. Weil mir die Linie der Freiheitlichen Partei bei der Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern gefallen hat.“ Eine andere Intention habe er nicht gehabt. „Andere“ hätten von ihm Geld verlangt, diese könne er nicht nennen, „sonst kann ich mir eine Wohnung neben dem Gericht nehmen“, deutete Grubmüller an, dass er in dem Fall wohl geklagt würde. Strache habe nie eine Parteispende verlangt.

Der entsprechende Gesetzestext soll laut Anklage zustande gekommen sein, nachdem Strache beim Klinikchef angefragt hatte, welches Bundesgesetz für diesen „wichtig“ wäre, „damit die Schönheitsklinik endlich fair behandelt wird?“ In diesem Kontext – so belegen es jedenfalls sichergestellte Chats – regte Strache bei Grubmüller eine „genaue Gesetzesänderung, damit ihr zu euren Genehmigungen kommt“, an.

Zusammenhang laut Oberstaatsanwältin offensichtlich

Thaller warf Strache in ihrem Eingangsstatement vor, Vorteile für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften entgegengenommen zu haben. Der damalige FPÖ-Chef habe sich „nicht uneigennützig“ für Grubmüllers Anliegen eingesetzt, sondern sich dafür „entgeltliche Vorteile“ für sich, seine Ehefrau sowie seine Partei versprochen.

Die Änderung des PRIKRAF-Gesetzes und des ASVG habe Strache als damaliger FPÖ-Klubobmann auf den Weg gebracht, indem die Fraktion am 19. Juli 2017 einen entsprechenden Initiativantrag einbrachte. Wenige Wochen später hatte Grubmüller der FPÖ eine Spende von 10.000 Euro überwiesen – der Zusammenhang zum Gesetzesantrag sei „bei lebensnaher Betrachtung“ offensichtlich, sagte Thaller. Das sieht auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) so.

Angeklagten drohen Haftstrafen

Die Verhandlung ist vorerst auf vier Tage anberaumt. Am Mittwoch sollen dann Julian Hadschieff, Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender der PremiQaMed Group, die mehrere Privatkliniken betreibt, der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich, Matthias Krenn, und eine FPÖ-Buchhalterin gehört werden.

Für Donnerstag sind unter anderen die Einvernahmen der ehemaligen Gesundheits- und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), der FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, des FPÖ-Abgeordneten Fritz Simhandl und der ehemaligen Kabinettschefs von Hartinger-Klein und Strache geplant. Ob es – wie ursprünglich vorgesehen – am Freitag Urteile geben wird, ist unsicher und hängt von allfälligen weiteren Beweisanträgen ab. Im Falle von Schuldsprüchen drohen den Angeklagten Haftstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Es gilt die Unschuldsvermutung.