Verdächtigee festgenommene Söldner werden auf Polizeiauto transportiert
AP/Joseph Odelyn
28 Söldner auf Haiti festgenommen

Spur in Präsidentenmord führt nach Bogota

Den Mord an Haitis Präsident Jovenel Moise sollen 26 kolumbianische Söldner und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft begangen haben. Haitis Nationalpolizei führte am Donnerstagabend (Ortszeit) in ihrem Hauptgebäude in der Hauptstadt Port-au-Prince 15 festgenommene Kolumbianer und die zwei US-Bürger vor, wie Interimspolizeichef Leon Charles mitteilte. Die Hintergründe des Attentats blieben unklar.

Acht weitere Kolumbianer seien noch auf freiem Fuß. Drei seien getötet worden, so Charles weiter. Nach Angaben Taiwans wurden elf Verdächtige im Zusammenhang mit dem Mord an Moise auf dem taiwanesischen Botschaftsgelände in Port-au-Prince festgenommen: „Eine Gruppe bewaffneter Männer“ sei Donnerstagfrüh in die diplomatische Vertretung Taiwans eingedrungen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Taipeh am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.

Dort habe die Polizei sie später festgenommen. Auf Anfrage der Regierung Haitis habe die Botschaft den Sicherheitskräften erlaubt, das Gelände zu betreten. Haiti ist eine von nur 15 Nationen, die Taiwan offiziell als unabhängig von China anerkennen.

Verdächtigee festgenommene Söldner und Waffen
AP/Joseph Odelyn
Die mutmaßlichen Attentäter werden der Presse vorgeführt

Kolumbien: Ehemalige Armeeangehörige

Aus Bogota hieß es, dass offenbar mindestens sechs der kolumbianischen Beteiligten „ehemalige Mitglieder der nationalen Streitkräfte“ seien. Er habe Polizei und Armee angewiesen, mit den haitianischen Behörden zusammenzuarbeiten, sagte Kolumbiens Verteidigungsminister Diego Molano. Die mutmaßlichen Verantwortlichen für die Ermordung von Moise seien nach ersten Informationen ehemalige Angehörige der kolumbianischen Armee, sagte Molano in einem Video, das er auf Twitter veröffentlichte.

Die Festgenommenen waren im haitianischen Polizeihauptquartier mit angelegten Handfesseln auf dem Boden sitzend zu sehen. Manche von ihnen waren sichtbar verletzt. Auf einem Tisch lagen Gegenstände, die beschlagnahmt worden seien: mehrere automatische Waffen, Macheten, Vorschlaghammer, kolumbianische Reisepässe und Handys. Mindestens zwei der Festgenommenen waren anscheinend von aufgebrachten Menschenmengen gefangen genommen worden, wie auf Videos in sozialen Netzwerken zu sehen war. Zivilisten hatten laut Charles auch Fahrzeuge angezündet, die mutmaßlich bei dem Attentat zum Einsatz kamen.

Haiti’s Präsident Jovenel Moise
Reuters/Andres Martinez Casares
Der getötete haitianische Präsident Jovenal Moise

Botschafter: Attentäter gaben sich als DEA-Agenten aus

Der 53 Jahre alte Staatschef Moise war in der Nacht auf Mittwoch in seiner Residenz erschossen worden. Seine Ehefrau Martine wurde schwer verletzt und zur Behandlung in die gut 1.000 Kilometer entfernte US-Stadt Miami gebracht. Die Zeitung „Le Nouvelliste“ berichtete, Moises Leichnam habe zwölf Einschusslöcher, zum Teil von großkalibrigen Waffen. Haitis Botschafter in den USA, Bocchit Edmond, hatte die Attentäter vor den Festnahmen als gut ausgebildete und schwer bewaffnete ausländische Söldner bezeichnet. Sie hätten sich als Agenten der US-Drogenbehörde DEA ausgegeben.

Die Behörden untersuchen nun, ob Moises Personenschützer eventuell in die Tat verwickelt sind. Tatsächlich scheinen die Angreifer bei der Tat auf wenig Widerstand gestoßen zu sein. „Ich habe (der Polizei) die Befugnis gegeben, alle Sicherheitsbeamten zu befragen“, sagte der Regierungskommissar von Port-au-Prince, Bed-Ford Claude.

Haitis First Lady wird in ein Krankenhaus gebracht
AP/Miami Herald/Carl Juste
Die Frau des getöteten Präsidenten wurde nach dem Attentat in ein Krankenhaus gebracht

UNO und USA zu Hilfe bereit

Die UNO-Sonderbeauftragte für Haiti, Helen La Lime, sagte am Donnerstag in einer Onlinepressekonferenz, dass Haiti den UNO-Sicherheitsrat um zusätzliche Sicherheitsunterstützung gebeten habe. Es war unklar, worum genau es sich dabei handeln soll. Auch habe Haitis UNO-Botschafter internationale Unterstützung bei den Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat angefragt. La Lime betonte, dass die Vereinten Nationen zu Hilfe bereit seien. Auch die USA sind nach Angaben der Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, dazu bereit. Voraussetzung sei, dass es eine formelle Bitte gebe.

Haiti: Festnahmen nach Mord an Präsident

Nach der Ermordung des Präsidenten von Haiti wurden mittlerweile 17 Personen verhaftet. Es handelt sich um 15 Kolumbianer und zwei Amerikaner haitianischer Abstammung. Acht weitere Beteiligte sollen auf der Flucht sein.

Interimspremier nie von Parlament bestätigt

Das Attentat hinterlässt ein Machtvakuum. Da eine für Oktober 2019 vorgesehene Parlamentswahl unter anderem wegen heftiger Proteste gegen Moise ausgefallen war, gibt es dort seit Jänner 2020 kein handlungsfähiges Parlament mehr. Moise regierte seither per Dekret. Erst am Montag hatte Moise den Neurochirurgen Ariel Henry zum Interimspremier ernannt. Das Amt hatte seit April Claude Joseph inne, der allerdings mangels Parlament nie verfassungsmäßig in dem Amt des Regierungschefs bestätigt wurde.

Weil Henry bisher nicht vereidigt wurde, erklärte sich Joseph zum amtierenden Interimspremier. Er unterzeichnete einen Erlass, mit dem 15 Tage Belagerungszustand ausgerufen wurden. Damit können unter anderem die Befugnisse des Militärs erweitert und Rechte der Bürger beschnitten werden. In einem Interview von „Le Nouvelliste“ sagte Henry, aus seiner Sicht sei Joseph nicht mehr Premierminister.

Blutige Kämpfe zwischen Banden

Moise, der seit 2017 regierte, war äußerst unbeliebt. Ihm wurden Korruption, Verbindungen zu brutalen Banden und autokratische Tendenzen vorgeworfen. Proteste legten Haiti in den vergangenen drei Jahren immer wieder lahm. Zuletzt trieben blutige Kämpfe zwischen Banden um die Kontrolle über Teile der Hauptstadt Tausende Menschen in die Flucht. Am 26. September sind Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum geplant. Joseph hat erklärt, an dem Datum festhalten zu wollen.

Auch Haitis Wahlminister Mathias Pierre sagte, dass sowohl die Präsidentschaftswahl als auch das Verfassungsreferendum wie geplant am 26. September durchgeführt werden sollten. „Die Wahl war nicht für Jovenel Moise als Präsident. Sie wurde als Notwendigkeit gesehen, um das Land und das politische System zu stabilisieren“, sagte Pierre gegenüber Reuters. Die Ermordung des haitianischen Präsidenten habe damit nichts zu tun.