Mehr als 100 Festnahmen nach Protesten in Kuba

Im Zusammenhang mit den ersten Massenprotesten gegen die Regierung in Kuba seit Jahrzehnten sind nach Angaben von Amnesty International mindestens 115 Menschen dort willkürlich festgenommen worden. Darunter waren prominente Dissidentinnen und Dissidenten sowie auch Journalistinnen und Journalisten, wie die Amerika-Direktorin der Menschenrechtsorganisation, Erika Guevara-Rosas, heute auf Twitter schrieb.

Ein Mann wird in Havana (Kuba) während der Proteste gegen die Regierung von der Polizei festgenommen
APA/AFP/Yamil Lage

Berichten zufolge herrschte eine hohe Präsenz der Sicherheitskräfte. Es kursierten Videos, die neue, kleinere Proteste zeigen sollten. Da aber der Internetzugang in Kuba eingeschränkt wurde, drangen wenige Informationen nach außen.

Am Sonntag hatten Tausende Menschen in zahlreichen Städten des autoritär regierten Karibikstaates gegen Mangelwirtschaft und Unterdrückung demonstriert. Sie riefen unter anderem „Patria y Vida“ (Vaterland und Leben) – den Titel eines im Februar veröffentlichten Protest-Lieds. Dieser ist eine Anspielung auf einen viel zitierten Ausspruch Fidel Castros: „Patria o Muerte“ (Vaterland oder Tod).

Präsident: Revolution verteidigen

„Wenn sie die Revolution bezwingen wollen, müssen sie über unsere Leichen gehen“, hatte der kubanische Präsident Miguel Diaz-Canel im Fernsehen gesagt. Er rief dazu auf, die Revolution – sprich: das sozialistische System – auf den Straßen zu verteidigen. Die Sicherheitskräfte griffen Berichten zufolge hart durch. Auf Videos war zu sehen, wie Männer, bei denen es sich laut Aktivisten um Polizisten in zivil handelte, Demonstranten schlugen und mitnahmen.

Die Regierung bezeichnete die Proteste als Provokationen durch Konterrevolutionäre, die von den USA finanziert worden seien, um Kuba zu destabilisieren. Das Volk sei zur Verteidigung der Revolution auf die Straße gegangen, die „subversiven Handlungen“ besiegt worden, berichtete „Granma“, die Zeitung der Kommunistischen Partei (PCC) – der einzigen in Kuba zugelassenen Partei.

USA und EU an Seite der Demonstranten

US-Präsident Joe Biden sagte, seine Regierung stehe an der Seite der Kubanerinnen und Kubaner, die sich nach Freiheit und einem Ende „der jahrzehntelangen Unterdrückung und des wirtschaftlichen Leids“ sehnten. Verantwortlich dafür sei Kubas „autoritäre“ Regierung.

Die EU schloss sich den US-Forderungen an Havanna nach Meinungs- und Versammlungsfreiheit an. „Ich möchte die dortige Regierung auffordern, friedliche Demonstrationen zuzulassen und auf die Unzufriedenheit der Demonstranten zu hören“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Auch Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro drückte seine „Solidarität“ mit den Demonstranten aus, die „ein Ende einer grausamen Diktatur“ forderten.

Mexiko und Russland warnen vor „Einmischung“

Mexikos linksgerichteter Präsident Andres Manuel Lopez Obrador bot der Regierung in Kuba Unterstützung an. Sein Land könne Lebensmittel, Medikamente und Coronavirus-Impfstoff bereitstellen. Zugleich warnte er vor politischer Einflussnahme durch ausländische Regierungen.

Auch Kubas Verbündeter Russland sprach sich gegen jegliche „Einmischung von außen“ in dem kommunistischen Land aus. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, warnte vor „destruktiven Handlungen, die die Destabilisierung der Situation auf der Insel fördern würden“ – womit sie mutmaßlich auf die USA abzielte.

Auch der linke venezolanische Präsident Nicolas Maduro sprach der kubanischen Regierung „alle Unterstützung“ aus. Sein argentinischer Amtskollege Alberto Fernandez forderte die Aufhebung der US-Sanktionen.