Computer-Chip
Getty Images/Marc Mcdermott/Eyeem
Mangelware

Chips als Trumpf im Technologiewettlauf

Lieferengpässe bei Mikrochips haben in den letzten Monaten ganze Industriezweige ausgebremst. Schuld daran waren nicht nur Produktionsausfälle durch die Coronavirus-Pandemie allein. Maßgeblich ist auch das Quasimonopol einiger weniger Hersteller, mit Ausnahme von Intel und Samsung kaum bekannt, aber marktbeherrschend – alles vor dem Hintergrund eines technologischen „Kalten Krieges“.

Speziell die USA und China wären in ihrem technologischen und geopolitischen Wettlauf gerne von diesen Monopolen unabhängig, sind davon aber weit entfernt. Bisher kommt der Großteil der Chips in Auftragsfertigung aus Taiwan, hergestellt von der Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC). Kunden sind unter anderem Apple, AMD und Qualcomm.

Das Unternehmen sei in den letzten Jahren zum bedeutendsten Player in der Branche aufgestiegen, „mit enormem Einfluss auf die Weltwirtschaft“, wie es zuletzt in einer Analyse des „Wall Street Journal“ („WSJ“) hieß.

Unbekannt und marktbeherrschend

Die Chips aus Taiwan seinen praktisch überall verbaut, angefangen vom Smartphone über den PC bis zur Steuerung der Elektronik in Fahrzeugen, auch wenn das Unternehmen nicht zu den bekanntesten weltweit zählt.

Firmenzentrale des Semiconductor Herstellers TSMC in Hsinchu, Taiwan
APA/AFP/Sam Yeh
TSMC beherrscht den Markt für Chips in Auftragsproduktion.

Sehr wohl aber zählt TSMC mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet etwa 465 Mrd. Euro und Platz elf zu den größten der Welt. Die Marktdominanz des taiwanesischen Chipherstellers nannte die US-Zeitung unter Berufung auf das Londoner Beratungsunternehmen Capital Economics ein Risiko für die Weltwirtschaft.

Zu nah an China

Nicht nur, dass auch TSMC bei steigender Nachfrage und Lieferengpässen nicht genug Chips liefern könne. Das Unternehmen hat seinen Sitz eben in Taiwan, dem Inselstaat, den China für sich beansprucht. Das „WSJ“ zog an dieser Stelle einen Vergleich mit der früheren Abhängigkeit von Erdöl aus dem Nahen Osten und der instabilen politischen Lage dort. Jede Krise auf der Insel hätte enorme Folgen für die globale Wirtschaft.

Durch ständige Drohgebärden Chinas, in Taiwan einzumarschieren, sei der Inselstaat lange im Zentrum der militärischen Rivalität zwischen Washington und Peking in Ostasien gestanden, hatte die „Financial Times“ („FT“) im Frühjahr geschrieben. Mittlerweile werde er immer stärker auch in den technologischen Wettlauf zwischen den beiden Supermächten verwickelt.

Aufholen nur noch sehr schwer möglich

Laut der US-Zeitung liegt der globale Marktanteil des Unternehmens bei unterschiedlichen Chips bei 60 bis 92 Prozent. Die USA, europäische Staaten und China wären von derartigen Quasimonopolen gerne unabhängig, nur koste das enorm viel Geld und Zeit zum Aufholen.

Intel-Hauptquartier in Santa Clara, Kalifornien
Intel-Hauptquartier in Santa Clara, Bundesstaat Kalifornien: Die USA wollen unabhängig sein, sind aber davon weit weg.

Die Vereinigten Staaten steckten an die 50 Mrd. Dollar (rund 42 Mrd. Euro) in die heimische Chipproduktion, für China sei das Thema eine nationale strategische Priorität, schrieb das „WSJ“. Aber: Selbst in den USA mit bekannten Herstellern wie Intel sei der – sozusagen – Selbstversorgeranteil in der Produktion von 37 Prozent in den 1990er Jahren auf aktuell zwölf Prozent gesunken.

Enorm hohe Forschungs- und Entwicklungskosten

Die Herstellung der leistungsstärksten Halbleiterprodukte sei derart komplex und kapitalintensiv geworden, dass Produzenten, fallen sie einmal zurück, kaum noch aufholen könnten. Unternehmen könnten Milliarden Dollar und Jahre Zeit investieren, „nur um den technologischen Horizont weiter in die Ferne rücken zu sehen“.

Einzelne Länder müssten fünf Jahre lang jeweils 30 Mrd. Dollar (über 25 Mrd. Euro) investieren, um eine „vernünftige Chance“ zu haben, zu TSMC oder dem südkoreanischen Elektronikkonzern Samsung aufzurücken, zitierte das „WSJ“ das Consultingunternehmen IC Insights, spezialisiert auf Marktforschung in der Halbleiterindustrie mit Sitz in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona. TSMC plane innerhalb der nächsten fünf Jahre Investitionen von 100 Mrd. Dollar (rund 85 Mrd. Euro).

Ein „Dreh- und Angelpunkt“ der Weltwirtschaft

Auch die „FT“ hatte dem Aufstieg des taiwanesischen Unternehmens im März eine ausführliche Analyse dahingehend gewidmet, wie dieses zum „Dreh- und Angelpunkt“ der globalen Wirtschaft geworden sei, auch wenn es noch so unbekannt. In der Welt der Halbleiter sei Taiwan – die TSMC hat ihren Hauptsitz in der Stadt Hsinchu wie etwa auch die United Microelectronics Corporation (UMC) – mittlerweile „das Zentrum des Universums“, schrieb die britische Wirtschaftszeitung.

In dem Wettlauf geht es um immer kleiner, leistungsfähiger, weniger Energieverbrauch. Erst mit Lieferengpässen wie etwa in der Fahrzeugindustrie hätte die Marktdominanz von TSMC die politische Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nun versuchten Staaten, die Lieferketten „näher nach Hause“ zu bringen, um Produktionsausfällen und geopolitischen Konflikten nicht mehr ausgeliefert zu sein.

Eine „Maschine“ und der „technologische Kalte Krieg“

Vor diesem Hintergrund sei speziell auch ein Unternehmen bzw. seine Technologie zum Objekt der Begierde geworden, schrieb die „NYT“ Anfang Juli, und nannte dieses die „komplizierteste Maschine“ in der Chipproduktion und einen Angelpunkt im „technologischen Kalten Krieg“ – gemeint ist auch hier hauptsächlich der Wirtschaftskonflikt zwischen den USA und China.

Die niederländische ASML Holding N.V. ist der weltweit größte Anbieter von Lithografiesystemen, die bei der Herstellung von Chips eine wichtige Rolle spielen. Die „Maschine“ aus Veldhoven sei zu einem „entscheidenden Hebel“ für die Politik geworden – „und zeigt, wie Hoffnungen, eine komplett eigenständige Versorgungskette in der Halbleiterindustrie unrealistisch ist“, analysierte die „NYT“.

Frage „mit geopolitischen Folgen“

Die Technologie sei dazu notwendig, die leistungsstärksten Chips herzustellen, mittlerweile eine Frage „mit geopolitischen Folgen“. Sie kostet laut der US-Tageszeitung rund 150 Mio. Dollar (knapp 127 Mio. Euro), für die Lieferung brauche es 40 Schiffscontainer, 20 Lkws und drei Frachtflugzeuge.

Der Wert des niederländischen Unternehmens wird auf gut 285 Mrd. Dollar (knapp 241 Mrd. Euro) geschätzt. Es sei wohl „das wichtigste Unternehmen, von dem Sie nie gehört haben“, zitierte die Zeitung C.J. Muse, Analyst bei Evercore ISI, einem Beratungsunternehmen für Investmentbanking mit Sitz in New York.

Für China „eine frustrierende Angelegenheit“

Ex-US-Präsident Donald Trump habe seinerzeit 2019 erfolgreich in den Niederlanden lobbyiert, die Technologie nicht nach China zu verkaufen, sein Nachfolger Joe Biden halte an dieser Position fest.

Für die Produktion der leistungsstärksten Chips brauche es genau ein solches System, und das habe nur ASML, zitierte die „NYT“ Will Hunt, einen Analysten der Georgetown University in Washington D.C. China würde etwa zehn Jahre brauchen, um eine vergleichbare Technologie zu entwickeln. Aus Sicht der Volksrepublik sei das „eine frustrierende Angelegenheit“.