In Maastricht in der Provinz Limburg im Süden der Niederlande forderten die Behörden 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner zum Verlassen ihrer Häuser auf. Die Maas dürfte zahlreiche Stadtviertel überschwemmen, so die Befürchtung. Auch Teile der Stadt Roermond werden evakuiert. Die Provinz Limburg ist besonders stark vom Hochwasser betroffen. Zahlreiche Häuser wurden beschädigt, es gibt Berichte über Todesopfer. In Valkenburg nahe Maastricht strömt das Wasser durch die Straßen. Keller, Wohnungen und Geschäftsräume sind vollgelaufen. Hunderte von Haushalten haben keinen Strom.

Auch in Belgien verschärft sich die Hochwsserlage. Mehrere Menschen kamen nach Behördenangaben ums Leben. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Lüttich (Franz.: Liege) wurden aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Wer die Stadt verlassen könne, solle das tun, sagte Bürgermeisterin Christine Defraigne. Die Maas, die durch die knapp 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Stadt fließt, führt bereits Hochwasser. Die Pegelstände dürften Prognosen zufolge um weitere 1,5 Meter steigen und Straßen und Gebäude überfluten. Unterstützung erhalten die örtlichen Einsatzkräfte von 100 Feuerwehrleuten aus Niederösterreich – mehr dazu in noe.ORF.at.
Dutzende Tote in Deutschland
Auch im Westen Deutschlands bleibt die Situation angespannt. Dutzende Menschen starben, zahlreiche weitere galten noch als vermisst. Dauerregen verwandelte Flüsse und Bäche in reißende Ströme. Ganze Landstriche wurden von den Wassermassen weggespült. Vielerorts stürzten Häuser ein, Hunderte Gebäude wurden beschädigt. Offiziellen Angaben zufolge wurden bis Freitagfrüh mindestens 59 Todesopfer gezählt. Viele weitere Menschen gelten als vermisst. Wegen der unübersichtlichen Lage – teilweise fiel das Telefon- und Mobilfunknetz aus – ist unklar, wie viele der Vermissten sich in Sicherheit bringen konnten.
Besonders betroffen sind die deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, wo der Rhein, die Mosel, die Ruhr und zahlreiche kleinere Flüsse über die Ufer traten. Retter und Retterinnen brachten Menschen in überschwemmten Orten zum Teil mit Booten in Sicherheit. Viele suchten auf Bäumen und Hausdächern Schutz vor den Fluten, Rettungshubschrauber waren im Einsatz. Unterstützung erhielten sie von der deutschen Bundeswehr.
Bis zu 148 Liter Regen pro Quadratmeter
In einigen Orten fiel die Trinkwasserversorgung aus. Probleme gab es mancherorts auch mit der Stromversorgung und im Bahnverkehr. Die Deutsche Bahn rief dazu auf, Fahrten von und nach Nordrhein-Westfalen nach Möglichkeit zu verschieben. Aufgrund von Streckensperren fahren zahlreiche S-Bahn- und Regionallinien nicht oder nur eingeschränkt. Auch auf den Autobahnen gibt es erhebliche Wetterfolgen. Teile des Rheins wurden für die Schifffahrt gesperrt.
Schaltung ins Katastrophengebiet
ORF-Korrespondentin Verena Gleitsmann meldete sich in der ZIB2 aus dem von den katastrophalen Unwettern betroffenen Swisttal in Nordrhein-Westfalen.
Bei den Unwettern im Norden von Rheinland-Pfalz fielen bis zu 148 Liter Regen pro Quadratmeter. Diese Menge ging im Laufe des Mittwochs und in der Nacht nieder, wie das Klimaschutzministerium in Mainz mitteilte. Für den Hochsommer sei das „ein neues Phänomen“, sagte Ministerin Anne Spiegel (Grüne).
Merkel erschüttert, Laschet verspricht Hilfe
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich erschüttert über die vielen Toten der Katastrophe. „Noch wissen wir die Zahl nicht, aber es werden viele sein“, sagte sie. „Friedliche Orte durchleben in diesen Stunden eine Katastrophe, man kann sagen eine Tragödie“, sagte Merkel weiter. „Ich bin erschüttert von den Berichten aus den Orten, die jetzt ganz unter Wasser stehen.“
Die deutsche Kanzlerin kündigte Hilfen des Bundes für die Unwettergebiete an. Derzeit stehe noch die „akute Situation im Fokus“ – die Regierung werde aber bald darüber beraten, wie sie die „Aufbauarbeiten“ unterstützen könne.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident, CDU-Chef und -Kanzlerkandidat Armin Laschet, versprach den Opfern und den betroffenen Kommunen ebenfalls rasche Hilfe. Als Konsequenz forderte Laschet eine schnellere Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Die Häufung von Starkregen- und Hitzeepisoden sei „verbunden mit dem Klimawandel“, so Laschet.
UNO sieht Zusammenhang mit Klimakrise
Die Vereinten Nationen sehen die Hochwasserkatastrophe in Deutschland als Folge des fortschreitenden Klimawandels. Es sei ein größerer Trend in Bezug auf den Klimawandel, dass er zu größeren Wetterextremen führe, sagte eine UNO-Sprecherin am Donnerstag in New York.
Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise seien nötig, um Vorfälle wie jenen in Deutschland künftig zu begrenzen. Die UNO bedauerte die zahlreichen Toten und sprach ihren Angehörigen ihr Beileid aus.
„Wir haben zunehmend Extremwetterereignisse. Die Fluten, die einige Teile Deutschlands im Augenblick erleben und die wirklich dramatisch sind mit vielen tragischen Todesfällen auch, sind ein Beispiel dafür“, sagte auch Merkel. „Wenn wir uns über die Jahreszahlen das anschauen, dann hat es immer mal einen Sturm und eine Flut gegeben“, sagte Merkel. „Aber die Häufung macht einfach Sorge und fordert uns zum Handeln auf.“
Wetterextreme und Klimakrise
Die deutschen Klimaforscher Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber schreiben in ihrem Werk „Der Klimawandel“, dass Wetterextreme wie Stürme, Überschwemmungen und Dürren jene Auswirkungen des Klimawandels seien, die viele Menschen „am direktesten zu spüren bekommen“. Eine Zunahme sei allerdings nicht so leicht nachweisbar, „da die Klimaerwärmung bislang noch moderat und Extremereignisse per Definition selten sind – über kleine Fallzahlen lassen sich kaum gesicherte statistische Aussagen machen“.
Buchhinweis
Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber: Der Klimawandel. Verlag: C. H. Beck Wissen, 144 Seiten, 10,30 Euro.
Ein paar Zeilen weiter darunter heißt es allerdings: „Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen. Doch man kann zeigen, dass sich die Wahrscheinlichkeit (oder Häufigkeit) bestimmter Ereignisse durch die globale Erwärmung erhöht.“ Vergleichbar sei das mit der Tatsache, dass Raucher und Raucherinnen häufiger Lungenkrebs bekämen, es sich im Einzelfall aber nicht beweisen ließe, ob der Patient nicht auch, ohne zu rauchen, Krebs bekommen hätte.