Autor Clemens J. Setz
ORF/Hans Leitner

Clemens J. Setz erhält Büchner-Preis

Der Grazer Schriftsteller Clemens J. Setz bekommt den Georg-Büchner-Preis 2021. Das teilte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung heute in Darmstadt mit. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland. Der Preis soll am 6. November im Staatstheater in Darmstadt feierlich übergeben werden.

„Mit Clemens J. Setz zeichnet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung einen Sprachkünstler aus, der mit seinen Romanen und Erzählungen immer wieder menschliche Grenzbereiche erkundet“, teilte die Jury zur Begründung mit. Die verstörende Drastik des 38 Jahre alten Künstlers steche ins Herz unserer Gegenwart, weil sie einem zutiefst humanistischen Impuls folge.

Mit seinen Romanen hat sich Setz als virtuoser Sprachkünstler einen Namen gemacht, der das Bizarre, Skurrile und pathologisch Rätselhafte liebt. Zuletzt veröffentlichte er das Buch „Die Bienen und das Unsichtbare“, in dem er den Plansprachen wie Esperanto, Volapük oder Blissymbolic nachspürte, in die Leben und Abgründe ihrer mitunter skurrilen Erfinder eintauchen ließ und von eigenen Plansprachen-Lernerfahrungen berichtete.

Autor Clemens J. Setz
APA/Gert Eggenberger

Vielfach ausgezeichnet

Setz wurde 1982 in Graz geboren und studierte an der dortigen Universität Mathematik und Germanistik. 2007 veröffentlichte er sein Debüt „Söhne und Planeten“ 2007. In den darauffolgenden Jahren feierte er große Erfolge: Seine 700-Seiten-starke, abgründige Vater-Sohn-Geschichte „Die Frequenzen“, für die ihn die Kritik als „Wunderkind der österreichischen Literatur“ feierte, wurde 2009 für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Für den Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ (2011) erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse. 2015 erschien schließlich sein viel beachtetes Buch „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“, ein 1.000-seitiger „philosophischer Psychothriller“, der das Innenleben eines Behindertenwohnheims seziert und über Stalking und sadistischen Psychoterror erzählt. Im Zentrum des Romans steht die junge Bezugsbetreuerin eines Rollstuhlfahrers, der aufgerechnet von jenem Mann Besuch erhält, der sein Leben einst zerstörte, indem er seine Frau in den Suizid trieb.

Leidenschaft für abseitige Wissensgebiete

Setz’ Romane sind dafür bekannt, dass es nicht zwangsläufig eine klar strukturierte Handlung gibt. Der Autor setzt vielmehr auf den Entwurf abgründiger Mikrokosmen. Die Ergebnisse seiner intensiven Recherchen – mit großer Leidenschaft erforscht Setz abseitige, „nerdige“ Wissensgebiete – vermischt er mit fiktiven Elementen und bedient sich dabei unterschiedlichster Stilmittel.

Setz schreibt darüber hinaus Gedichte, so erschien etwa 2014 sein Gedichtband „Die Vogelstraußtrompete“. Auch Theaterstücke und Übersetzungen aus dem Englischen gehen auf das Konto des Autors. Die Hörfassung seines letzten, im Mai uraufgeführten Stücks „Flüstern in stehenden Zügen“, das sich mit den Themen Einsamkeit, Isolation sowie digitale Kommunikationsmittel beschäftigte und erst kürzlich im Ö1-„Kunstradio“ zu hören war, wurde im Juni 2021 von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats gewählt.

„Unerschöpfliche Fabulierlust“

„Clemens J. Setz ist ein Autor, der uns von Buch zu Buch aufs Neue zu überraschen weiß, der aber gleichzeitig in jedem seiner Sätze er selbst bleibt. Mit keinem anderen Autor durchmisst man die Untiefen, Unwägbarkeiten und Verrücktheiten des Lebens so wie mit ihm“, streute Grünen-Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer dem Frischgekürten in einer Gratulation Rosen.

Auch die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) reihte sich in die Riege der Gratulantinnen ein: „Setz gelingt es immer wieder, die Maßstäbe der Normalität zu verrücken und uns Lesende mit unerschöpflicher Fabulierlust und intertextuellem Anspielungsreichtum herauszufordern. Ob in popkulturellen, naturwissenschaftlichen oder philosophischen Diskurse, Setz weiß sein Publikum mit unerwarteten Verknüpfungen zu überraschen.“

Setz selbst reagierte mit Ehrfurcht auf die Auszeichnung mit dem renommierten Literaturpreis: „Der Name Georg Büchner und auch die Preisträgerinnen und Preisträger der letzten Jahre – sich in das eingereiht zu sehen, ist schon eine Ehre, die kann ich noch nicht ganz fassen“, sagte er der dpa.

Frühere Preisträger Max Frisch und Heinrich Böll

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung vergibt den Büchner-Preis seit 1951 jährlich an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben und deren Arbeit sie als herausragend bewertet. Die Preisträger müssen „durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten“ und „an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben“.

Zu den bisherigen Preisträgern gehören Max Frisch (1958), Günter Grass (1965) und Heinrich Böll (1967) sowie zuletzt seit 2015 Rainald Goetz, Marcel Beyer, Jan Wagner, Terezia Mora, Lukas Bärfuss und im vergangenen Jahr die Lyrikerin Elke Erb. Namensgeber ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner („Woyzeck“). Er wurde 1813 im Großherzogtum Hessen geboren und starb 1837 in Zürich.