Johnson fordert im Brexit-Streit Pragmatismus von EU

Der britische Premierminister Boris Johnson fordert von der EU mehr Pragmatismus im Streit über die Brexit-Regelungen für Nordirland. Das habe Johnson in einem Telefongespräch mit dem irischen Regierungschef Michael Martin gestern deutlich gemacht, teilte der Regierungssitz Downing Street mit. Das Nordirland-Protokoll bringe „ernsthafte Herausforderungen“ mit sich, sagte Johnson der Mitteilung zufolge.

Heute will die britische Regierung im Parlament in London ihre Vorschläge für eine Lösung des Streits mit Brüssel vorlegen. Berichten zufolge könnten dabei auch Drohungen erneuert werden, die Vereinbarungen zu brechen.

Hintergrund des Streits ist die im Brexit-Abkommen festgeschriebene Regelung, dass Nordirland weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarkts folgt. Damit sollen Warenkontrollen zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Republik Irland verhindert werden. Ansonsten wird mit einem Wiederaufflammen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion gerechnet. Die mehrheitlich katholischen Befürworter einer Vereinigung mit Irland bestehen auf einer offenen Grenze zu dem Nachbarn.

Supermärkte forderten Einigung

Doch das Nordirland-Protokoll erschwert den Handel zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs. Auch das sorgt für Spannungen, vor allem bei den überwiegend protestantischen Anhängern der Union mit Großbritannien. Brüssel wirft der britischen Regierung vor, das Protokoll nicht richtig umzusetzen. London bezichtigt hingegen die EU-Kommission, die Vereinbarung allzu kleinlich auszulegen.

Mehrere britische Supermärkte hatten erst am vergangenen Wochenende beide Seiten zu einer Einigung aufgerufen. Ansonsten müsse mit Engpässen und höheren Preisen bei Lebensmitteln in Nordirland gerechnet werden, wenn eine Übergangsfrist Ende September ausläuft. Befürchtet wird von britischer Seite auch, dass die Zuliefererketten für Unternehmen in Nordirland zunehmend in die EU verlagert werden könnten.

Gibraltar: Britischer Minister kritisiert EU-Mandat

Zwischen London und Brüssel bahnt sich zudem ein neuer Streit um Gibraltar an. Das britische Überseegebiet im Süden der Iberischen Halbinsel wurde von den Gesprächen über das Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien ausgenommen. Nun müssen beide Seiten separate Verhandlungen führen.

Der britische Außenminister Dominic Raab wies jedoch das kürzlich veröffentlichte Verhandlungsmandat der EU-Kommission zurück und rief Brüssel auf, es zu überarbeiten, wie aus einer Mitteilung hervorgeht. Das Mandat stehe im Konflikt mit dem gemeinsam vereinbarten Rahmen für die Verhandlungen und sei ein Versuch, „die Souveränität des Vereinigten Königreichs zu untergraben“, so die Mitteilung.