Korruptionsstaatsanwaltschaft, WKStA, Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Wirtschaftsstaatsanwaltschaft
ORF.at/Christian Öser
EU-Bericht zu Rechtsstaatlichkeit

Opposition sieht sich bestätigt

Die EU hat in ihrem zweiten Bericht, wie es in den Mitgliedsländern mit der Rechtsstaatlichkeit steht, neben Lob auch Kritik an Österreich parat. Kritisiert wurden vor allem verbale Angriffe von ÖVP-Seite auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). SPÖ und NEOS sehen sich in ihrer Kritik an der Regierung bestätigt. Für den Antikorruptionsexperten Martin Kreutner ist der Befund „beschämend“. ÖVP-Europaministerin Karoline Edtstadler wies die Kritik dagegen zurück.

Die SPÖ sieht in dem EU-Bericht eine konkrete Kritik an „machtversessener Medienpolitik, die mit Millionen an Werbegeldern abgesichert ist“ sowie an Einschüchterungsversuchen gegen die Justiz, wie Europasprecher Jörg Leichtfried laut Aussendung sagte. „Auch in der EU bemerkt man: Die ÖVP kauft sich ihre positive Berichterstattung“, kritisierte Leichtfried.

„Auch die EU-Kommission sieht die Gefahr in den ständigen Angriffen der ÖVP gegen die unabhängige Justiz. Insbesondere die Angriffe gegen die WKStA werden im Bericht festgehalten“, sagte SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim. Insbesondere ein unabhängiger und weisungsfreier Bundesstaatsanwalt an der Spitze der Justiz wird von der EU-Kommission empfohlen. Die SPÖ werde „nicht zulassen, dass die ÖVP einen politisch hörigen Bundesstaatsanwalt einführt“.

Edtstadler: Kritik an Entscheidungen nicht negativ für Rechtsstaat

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wies die Kritik der EU-Kommission in einzelnen Punkten in einem Interview mit der APA zurück. Im Falle Österreichs habe die EU-Kommission bestätigt, dass „ein enorm hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit gegeben“ sei, sagte Edtstadler. Kritik der Brüsseler Behörde, etwa dass auch in Österreich politischer Druck auf Staatsanwälte ausgeübt werde, könne sie nicht nachvollziehen, so die Europaministerin.

„Wenn gewisse Entscheidungen von Staatsanwälten kritisiert werden, ist das nicht negativ für den Rechtsstaat.“ Was die Kritik bezüglich der Inserate betreffe, „kann ich nur feststellen, dass hier in erster Linie auch die Stadt Wien mit mehr als 32 Millionen Euro mehr ausgibt als sämtliche Bundesländer zusammengerechnet“, sagte Edtstadler. Und ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior richtete NEOS aus, statt die Volkspartei zu kritisieren, sollte es lieber in der Wiener Stadtkoalition mit der SPÖ die hohen Inseratenausgaben „gravierend reduzieren“.

Yildirim: Kritik nicht wegreden

„Ministerin Edtstadler täte gut daran, die Kritik des EU-Rechtsstaatlichkeitsberichts nicht wegzureden, sie ist immerhin Verfassungsministerin und sollte demnach eine besondere Hüterin der Rechtsstaatlichkeit sein“, kritisierte Yildirim die Aussagen Edtstadlers. „Leider wissen wir bereits, dass türkise Loyalität in der ÖVP vor dem Rechtsstaat und der Verfassung kommt.“

NEOS: Weckruf für ÖVP und Grüne

Auch NEOS sieht sich von der EU-Kommission in seinen Forderungen voll bestätigt. „Die Kritik der Kommission zeigt klar und deutlich, dass unser Rechtsstaat und damit ein Grundpfeiler unserer Demokratie bedroht ist. Das muss ein Weckruf für die ÖVP und vor allem für die Grünen sein“, erklärte der stellvertretende Klubobmann Niki Scherak.

Kreutner: Forderungen „längst überfällig“

Auch die Proponenten des Rechtsstaats- und Antikorruptionsvolksbegehrens sehen sich durch die jüngste Kritik der EU-Kommission an der Rechtsstaatlichkeit in Österreich bestätigt. „Dieser EU-Bericht ist beschämend für Österreich und ein klares Zeichen dafür, dass die Umsetzung der Forderungen des Rechtsstaats- und Antikorruptionsvolksbegehrens längst überfällig ist“, sagte der frühere Leiter der internationalen Antikorruptionsakademie, Martin Kreutner, am Mittwoch laut Aussendung.

Der aktuelle EU-Bericht stelle Österreich ein im internationalen Vergleich teils sehr negatives Zeugnis aus. Unter anderem werde darin kritisiert, dass Staatsanwälte, die nach den jüngsten politischen Skandalen gegen politische Korruption auf höchster Ebene ermitteln, mit einem negativen Narrativ von Politikern konfrontiert seien.

Auch die aufwendigen Berichtspflichten für spezialisierte Staatsanwaltschaften wie die WKStA würden bemängelt, da sie zu Verzögerungen führen, die sich negativ auf die Effektivität der Antikorruptionsuntersuchungen auswirkten.

Grundsätzlich positives Zeugnis

Generell stellt der Bericht Österreich aber ein positives Zeugnis aus: Die Justiz profitiere weiterhin von einem „sehr hohen Niveau an wahrgenommener Unabhängigkeit“. Dieser Formulierung findet sich praktisch wortwörtlich auch im Bericht zu Deutschland. Ermittlungen gegen hochrangige Politiker hätten sich nach jüngsten Politskandalen intensiviert, heißt es im Österreich-Bericht. Weiter heißt es dann wörtlich: „Doch Staatsanwälte, die an diesen Fällen arbeiten, waren mit negativen Erzählungen von Politikerin konfrontiert.“

Berichtspflichten, Parteienfinanzierung und Regierungsinserate

Berichtspflichten für die WKStA seien eine Belastung und „führen zu Verzögerungen mit negativen Folgen für die Effektivität der Antikorruptionsermittlungen, aber jüngste Änderungen zielten darauf ab, die Berichtspflichten zu reduzieren“. Der EU-Bericht bemängelt auch die nur geringen Maßnahmen, um das Bestechlichkeitsrisiko von Parlamentsabgeordneten zu senken. So gebe es keine Verpflichtung, Vermögen, wirtschaftliche Interessen oder Schulden offenzulegen. „Die Kontrolle der Parteienfinanzierung ist weiter eine Sorge“, heißt es zudem im Bericht.

Kritisiert wird auch die zwar geplante, aber noch nicht umgesetzte Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Bedenken bestehen laut EU-Bericht in Sachen Fairness und Transparenz der Verteilung des Werbebudgets der Regierung an die verschiedenen heimischen Medien, mit „möglicher politischer Einflussnahme“ bei der Vergabe und „nicht ausreichender Berücksichtigung des Medienpluralismus“. Extra erwähnt werden dabei die großen Informationskampagnen während der Pandemie. Diese seien zwar großteils effektiv gewesen, „aber Zweifel an ihrer objektiven Verteilung wurden laut“.