Belgische Prinzessin Delphine
Reuters/Yves Herman
Plötzlich Prinzessin in Belgien

Burgfrieden im belgischen Königshaus

In einigen europäischen Nationen sind die Königsfamilien unendlicher Quell für Schlagzeilen über die Landesgrenzen hinaus. Weniger bekannt ist die belgische Königsfamilie. An einem Mangel an Spektakel kann das nicht liegen. Großes Interesse zog etwa Prinzessin Delphine letzte Woche auf sich: Es war der erste Auftritt der 53-Jährigen nach jahrelangem Rechtsstreit um ihre königliche Abstammung.

Prinzessin Delphine war zu den offiziellen Feierlichkeiten zum belgischen Nationalfeiertag am Mittwoch geladen. Es war der erste Auftritt als Teil der Königsfamilie. Dabei setzte sie nicht darauf, in der Masse diskret unterzugehen. In einem auffälligen Outfit belgischer Designer zeigte sie sich offensiv auf dem Podium der Royals.

Um als Prinzessin anerkannt zu werden, kämpfte sich Delphine jahrelang durch die Instanzen. Delphine ist die Tochter von König Albert II., der von 1993 bis 2013 Oberhaupt der belgischen Royals war. Der heute 87-Jährige hatte eine über Jahrzehnte andauernde außereheliche Affäre mit einer belgischen Adeligen, die selbst damals verheiratet war. Aus der Liaison ging 1968 Tochter Delphine hervor. Albert aber wollte die Vaterschaft nie anerkennen – auch aus Angst um seine Ehe mit Königin Paola.

30 Jahre lang Schweigen

Erst 30 Jahre später kamen Gerüchte über eine uneheliche Tochter auf – ein Hinweis darauf, wie diskret die belgische Königsfamilie ist. In einer Biografie über Königin Paola wurde 1999 behauptet, es gebe eine Königstochter, von der niemand weiß. 2005 ging Delphine schließlich selbst mit einem Interview an die Öffentlichkeit, später folgte ihre Autobiografie. Darin schilderte sie die Beziehung zwischen ihren leiblichen Eltern.

Belgische Königin Paola und König Albert II im Jahr 2013
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Paola und Albert (2013): Die Ehe steckte durch den Vaterschaftsstreit in einer schweren Krise

Albert habe sogar Pläne gehabt, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Sie habe freilich keinen Beweis dafür, denke aber, dass sie Alberts Tochter sei. Hoffnung auf eine offizielle Anerkennung habe sie aber nicht. Kontakt zwischen Vater und Tochter habe es zudem lange nicht mehr gegeben, so die Künstlerin.

Delphine entschied sich später dennoch für eine Vaterschaftsklage und verlangte einen DNA-Test. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit mit dem König. Erst 2020 wurde bekannt, dass der Vaterschaftstest Alberts positiv war. Er musste schließlich zugeben, dass Delphine seine Tochter ist. Mit einer Gerichtsentscheidung wurde sie offiziell zur „Prinzessin der Belgier“ und erhielt den Nachnamen „von Sachsen-Coburg und Gotha“ zugesprochen.

Aussöhnung nach Eiszeit

Im vergangenen Oktober kam es nach der langen Eiszeit zum Aussöhnungstreffen. Es sei nun „ein neues Kapitel geöffnet“ worden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Delphine, Albert und seiner Frau Paola. Dieses Kapitel sei „voller Emotionen, Beruhigung, Verständnis und Hoffnung“. Jeder habe ruhig und mit Empathie seine Gefühle und seine Erfahrungen geäußert. Diese ersten Schritte ebneten nun den Weg, den man friedlich verfolgen wolle.

Ehemalige belgische Königin Paola, ehemaliger König Albert II und Prinzessin Delphine
APA/Royal Palace of Belgium
Das Aussöhnungstreffen verlief harmonisch. Seither entwickelt sich die Beziehung weiter.

Ein solches Treffen war zuvor lange nicht vorstellbar gewesen. Auch ihren Halbbruder, den derzeitigen König Philippe, traf Delphine. „Wir hatten Gelegenheit, uns während eines langen und intensiven Austauschs kennenzulernen, der es uns ermöglichte, über unser jeweiliges Leben und unsere gemeinsamen Interessen zu sprechen.“ Die Verbindung werde sich nun in „familiärem Rahmen“ entwickeln, hieß es danach.

Diese Entwicklung verlief offenbar nach Plan. Am Mittwoch saß sie zusammen mit anderen Mitgliedern der Königsfamilie auf dem Podium, um die traditionelle Militärparade zu sehen. Der regierende König Philippe war somit ebenso Teil der Parade wie auch Delphine und ihr texanischer Ehemann Jim O’Hare.

Belgiens Prinzessin Delphine und ihr Ehemann James O’Hare
Reuters/Yves Herman
Delphine und ihr Mann Jim O’Hare. Gemeinsam haben sie zwei Kinder.

Am Nationalfeiertag wurde die Unabhängigkeit Belgiens gefeiert. Nach den napoleonischen Kriegen wurde auf dem Wiener Kongress 1814/1815 die Neuordnung Europas beschlossen und dabei auch das Vereinigte Königreich der Niederlande gegründet. Dazu gehörten damals Holland, Luxemburg sowie das bis dahin österreichische Belgien. Inspiriert von den Freiheitsbestrebungen anderer Länder gärte es in der Folge auch in der belgischen Bevölkerung, 1830 kam es zur Revolution. Ein Jahr später folgte die Thronbesteigung des ersten Königs der Belgier, Leopold I.

Anders als die anderen Royals

Heute hat das Königshaus in Belgien viele repräsentative Aufgaben, aber nicht nur. Wie in Österreich der Bundespräsident ist der König der Oberbefehlshaber über die Streitkräfte. Im tatsächlichen Konfliktfall allerdings würde die NATO wohl das Kommando übernehmen. Der politischen Rolle des Königs wird immer nach Wahlen dann große Aufmerksamkeit geschenkt. Dann wählt er einen „Informateur“, später einen „Formateur“ der Regierung. Ansonsten sieht er seine politische Rolle vor allem im Ausgleich verschiedener Interessen.

Laut Königshaus besteht seine „tägliche Aufgabe“ darin, „gegenüber seinen Ministern als Vermittler aufzutreten, wenn sich die Bürger mit ihren privaten Bitten an ihn wenden, wenn sie unter dem politischen und Verwaltungssystem zu leiden hatten“. Belgiens Royals unterscheiden sich durch einen weiteren wesentlichen Punkt von den anderen Dynastien in Europa: Der König kann erst dann den Thron besteigen, wenn er den Eid auf die Verfassung abgelegt hat und nicht sofort, wenn etwa der Vorgänger gestorben ist.

Nicht arm an Skandalen

Das mangelnde Augenmerk internationaler Gazetten gegenüber dem belgischen Königshaus ist auch deshalb verwunderlich, weil die royale Familie früher nicht minder skandalträchtig war als ihre britischen oder spanischen Pendants. Die italienischstämmige Paola galt in den 1960er Jahren als „Party-Prinzessin“. Sowohl ihr als auch ihrem Mann Albert wurden diverse Affären nachgesagt.

Der Bruder des aktuellen Königs, der heute 56-jährige Laurent, trägt in Belgien den Spitznamen „Prinz Vollgas“, weil er durch seine Vorliebe für Sportwagen zahlreiche Strafzettel einsammelte und sogar seinen Führerschein abgeben musste. Wiederholt widersetzte er sich auch diplomatischen Regeln und offiziellen Anweisungen, weshalb ihm 2008 die Bezüge gekürzt wurden. Im Jahr zuvor war Laurent in einen Untreueskandal verwickelt, er musste vor Gericht als Zeuge aussagen.

Den stillen Gegenpol bildet seit 2013 König Philippe. Oft als farblos verschrien, brachte er Ruhe ins Schloss Laeken. Gut dosiert lassen er und seine Frau, Königin Mathilde, an ihrem Leben auf sozialen Netzwerken teilhaben, ohne je zu viel preiszugeben. Das spröde Image soll Bodenständigkeit signalisieren. Philippe will in einem Land, das vom flämisch-wallonischen Konflikt geprägt ist und dem eine Sieben-Parteien-Regierung in der Krise vorsteht, Stabilität herstellen.