Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel lächelt während ihrer letzten Pressekonferenz
Reuters/Hannibal Hanschke
Letzte Sommerpressekonferenz

Merkel-Abschied mit Witz und Warnung

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrer letzten Sommerpressekonferenz am Donnerstag zur Impfung aufgerufen und zugleich vor einer vierten Coronavirus-Welle gewarnt. Beim Klimaschutz räumte Merkel Versäumnisse und Enttäuschungen ein – aus der verheerenden Flutkatastrophe wolle man Lehren ziehen. Für Gelächter sorgte unterdessen eine Aussage über Merkels Nähe – oder Distanz – zur CDU.

Launig sollte die Pressekonferenz laut Merkel aber nicht sein: „Das hier wird keine kuschelige Abschiedspressekonferenz“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ aus dem Eingangsstatement. Die Bundeskanzlerin geht traditionell zum Beginn oder am Ende der Sommerpause in die Bundespressekonferenz und steht dort ausführlich Rede und Antwort.

Die Bewältigung der Pandemie stand dabei ganz oben auf Merkels Agenda: „Je mehr Menschen geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein“, sagte die Kanzlerin. Auch diejenigen, die noch zögerten, sollten bedenken: „Jede Impfung ist ein kleiner Schritt zu mehr Schutz für alle.“ Daher sollten auch alle, die bereits überzeugt und geimpft sind, in Familien- und Freundeskreis und am Arbeitsplatz für mehr Impfschutz werben.

Die wieder starke Zunahme der Infektionen, deren Zahl sich regelmäßig verdoppelt, bezeichnete Merkel als „dramatisch“. Daher müssten Vorsichtsmaßnahmen unbedingt weiterhin und auch wieder verstärkt eingehalten werden. „Regelmäßiges Testen muss und wird auch wieder verstärkt eine Rolle spielen“, sagte die Kanzlerin. Das gelte vor allem bei Aufenthalten in Innenräumen, aber auch für Schulen und Kindergärten.

Merkel über Hochwasser: „Werden langen Atem brauchen“

Die Kanzlerin schwor das Land des Weiteren auf eine gemeinsame Kraftanstrengung zur Bewältigung der Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands ein. „Wir werden zur Behebung all dieser Schäden einen langen Atem brauchen“, sagte Merkel. Es gebe schreckliche Verwüstungen durch das Hochwasser, Deutschland trauere um 170 Tote.

Ziel sei eine gemeinsame Finanzierung der Flutschäden, sagte Merkel. Die Bundesregierung habe einen Betrag von 200 Millionen Euro für Soforthilfe zur Verfügung gestellt. In den nächsten Tagen und Wochen werde mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber gesprochen, wie ein gemeinsamer Aufbaufonds organisiert werden kann.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit erhobenem Daumen während ihrer letzten Pressekonferenz
Reuters/Hannibal Hanschke
Für die deutsche Kanzlerin, die seit 22. November 2005 im Amt ist, waren die letzten Wochen mit vielen „letzten Malen“ versehen

Versäumnisse bei Klimaschutz eingeräumt

Kritisch zeigte sie sich im Umgang mit der Klimakrise: Gemessen an dem Ziel, den weltweiten Klimaanstieg bis auf zwei Grad zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlerschaft „nicht ausreichend viel passiert“, gestand Merkel. Sie betonte aber auch ihren persönlichen Einsatz für den Kampf gegen die Erderwärmung. „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschutz aufgewandt habe“, sagte sie. „Und trotzdem bin ich ja mit wissenschaftlichem Verstand ausreichend ausgerüstet, um zu sehen, dass die objektiven Gegebenheiten erfordern, dass man in dem Tempo nicht weitermachen kann, sondern schneller werden muss.“

Als aktuell dringliche Aufgabe nannte Merkel vor allem den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier gebe es zwar Fortschritte, aber ebenfalls „noch nicht ausreichend“. Die scheidende Kanzlerin betonte, sie habe beim Klimaschutz „sehr, sehr viel Kraft in meinem politischen Leben dafür eingesetzt, Mehrheiten dafür zu finden, dass wir wenigstens diesen Weg gehen konnten“. Das habe „eigentlich meine gesamte politische Arbeit geprägt“.

Merkel kritisiert Punkte im Unionswahlprogramm

Am Unionswahlprogramm kritisierte sie, dass danach auch mit Klimaschutz im Ausland die deutschen Ziele erreicht werden sollten: „Bei dieser Frage der Anrechnung von Investitionen, die man auch außerhalb Deutschlands oder der Europäischen Union macht, bin ich kritisch.“ Das stehe wohl nicht mit dem Pariser Weltklimavertrags von 2015 im Einklang.

Im Programm der Union heißt es: „Wir wollen, dass internationale Erfolge beim Klimaschutz auch in nationalen Klimabilanzen berücksichtigt werden – zusätzlich zu den eigenen Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland.“ Schließlich sei es egal, wo die Tonne CO2 eingespart werde. Daher wolle man sich Ende des Jahres beim Weltklimatreffen in Glasgow mit den anderen Staaten darauf verständigen, „Emissionsminderungen durch Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern auf nationale Klimaziele anteilig anzurechnen.“

Merkel erklärte, der Klimaschutz werde alle gesellschaftlichen Bereiche betreffen. Es komme daher darauf an, möglichst viele Menschen mitzunehmen. So dürften Mieter den CO2-Aufschlag bei den Heizkosten nicht komplett alleine tragen. Hier müsse eine neue Regierung kluge Lösungen finden. Menschen auf dem Land etwa empfänden den Bau von Windrädern und Überlandstromleitungen als Belastung. Sie sähen beim Wandel zu erneuerbaren Energien kaum Vorteile für sich. „Das Ganze wird vielleicht mit dem tiefstgreifenden Wandel, den wir kennen – von Wirtschaften, Leben, Energieversorgung –, einhergehen.“

EU-Asylpolitik als Baustelle

Die Festlegung auf eine gemeinsame EU-Asylpolitik bezeichnete Merkel darüber hinaus als wichtige Herausforderung. Es sei noch nicht gelungen, für die EU eine gemeinsame Asylpolitik festzulegen. Das sei eine schwere Bürde für die EU und müsse gelöst werden. Es agierten immer noch in einem erheblichen Maße Schlepper und Schleuser.

In ihrer fast 16-jährigen Amtszeit hatte Merkel aus eigener Sicht nur Krisen zu bewältigen, die ihre Ursachen nicht in Deutschland hatten. Die deutsche Kanzlerin zählt dazu die Finanzkrise von 2007/08, die Euro-Rettung, die Flüchtlingskrise von 2015, den Klimawandel und die Coronavirus-Pandemie. „Was meine Amtszeit schon durchzogen hat immer, ist, dass wir halt nicht alleine mit nationaler Politik unsere Herausforderungen bewältigen können, sondern dass wir Teil einer Weltgesamtheit sind, und das ist ja auch das Thema, das wir beim Klima sehen“, sagte Merkel.

Verhältnis zur CDU sorgt für Gelächter

Für Schmunzeln sorgte ihre Antwort auf die Frage, wie die Kanzlerin den Abend der Bundestagswahl im September zu verbringen gedenke. Merkel entgegnete: „Ich werde schon Verbindung zu der Partei haben, die mir nahe… – deren Mitglied ich bin.“ Unter dem Gelächter anwesender Journalisten stellte sie mit Blick auf die CDU klar: „Also, sie steht mir nahe, und ich bin ihr Mitglied – also ein doppeltes Bekenntnis.“

Viele letzte Male

Für die deutsche Kanzlerin, die seit 22. November 2005 im Amt ist, waren die letzten Wochen mit vielen „letzten Malen“ versehen – der letzte Washington-Besuch, der letzte G-7-Gipfel, die letzte Regierungserklärung im Bundestag und nun eben auch auch die letzte Sommerpressekonferenz. Denn am 26. September findet die deutsche Bundestagswahl statt, bei der die Langzeitkanzlerin nicht mehr antreten wird.

Sie will sich dann aus der aktiven Politik zurückziehen. „Ein Leben ohne Krisen ist einfacher. Aber wenn sie da sind, müssen sie bewältigt werden. Dafür sind wir Politiker“, sagte Merkel. Angesprochen darauf, was Merkel nach ihrer letzten Sommerpressekonferenz vermissen wird, sagte die Noch-Kanzlerin: „Was man vermisst, merkt man meistens erst, wenn man’s nicht hat.“