Eine Frau in Uganda erhält eine Impfung gegen das Coronavirus.
AP/Nicholas Bamulanzeki
Ärmere Länder

Impfstoffspenden bisher leere Versprechen

In vielen Ländern Europas gibt es genügend Impfstoff, während langsam die Impfwilligen ausgehen – doch in vielen ärmeren Ländern ist es genau umgekehrt. Trotz Zusagen sind in vielen Länder Afrikas etwa noch kaum Lieferungen angekommen. Und auch die Zusagen der EU, Millionen von Dosen weiterzugeben, wurden bisher kaum eingehalten.

Die EU hatte sich verpflichtet, bei der Impfung der am meisten gefährdeten Menschen auf der ganzen Welt zu helfen, aber wie andere wohlhabende Länder haben sich die EU-Staaten bisher auf den Kauf von Impfstoffen konzentriert, um ihre eigenen Bürger zu impfen, was zu einer Verknappung von Impfstoffen anderswo beiträgt, berichtete Reuters.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Donnerstag an, an Entwicklungs- und Schwellenländer bis Ende des Jahres mindestens 200 Millionen Coronavirus-Impfdosen spenden. Im Mai hatte die EU bereits 100 Millionen Dosen zugesagt. Zuvor hatte Reuters unter Berufung auf ein EU-Dokument berichtet, die europäischen Länder hätten etwa 160 Millionen Impfdosen zugesagt – allerdings meist ohne Angabe des Bestimmungsortes und ohne Zeitplan. Laut dem eingesehenen Dokument wurden bisher erst vier Millionen Dosen weitergegeben.

Eigene Beschaffung schwierig bis unmöglich

Die bisher verteilten Impfdosen gingen vor allem an Länder und Territorien mit einer Verbindung zum Geber, da die Mitgliedsstaaten versuchen, die Beziehungen zu den Nachbarländern zu stärken und die diplomatischen Beziehungen zu vertiefen. Frankreich etwa habe bisher etwa 800.000 Dosen geliefert, von denen die Hälfte an seine ehemaligen Kolonien Senegal, Mauretanien und Burkina Faso ging, wie das Dokument zeigt.

Aus dem EU-Dokument geht hervor, dass die meisten Dosen über das Covax-Programm verteilt werden. Viele arme Länder verlassen sich bei der Versorgung mit Impfstoffen auf Covax, aber das Programm hat bisher weltweit nur 135 Millionen Impfungen geliefert und ist laut Reuters stark von gespendeten Dosen abhängig. Pläne, selbst Impfstoffe zu kaufen, wurden vorübergehend durch Produktionsprobleme der Impfstoffhersteller und Exportbeschränkungen in einer Reihe von Ländern zum Scheitern gebracht.

Beim G-7-Gipfel vergangenen Monat hieß es, mit direkten Spenden und den Finanzzusagen würden mehr als zwei Milliarden Impfdosen bis Ende 2022 für ärmere Länder in Aussicht gestellt. Zu den G-7-Ländern zählen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Doch auch hier gab es bisher nur Zusagen und wenige tatsächliche Lieferungen.

Afrika muss Impfziel verschieben

In Afrika rückt unterdessen das Ziel einer Impfung von 60 Prozent der Bevölkerung gegen Covid-19 ins kommende Jahr. „Wir bleiben sehr optimistisch, bis zum Jahresende 25 Prozent geimpft zu haben“, sagte am Donnerstag John Nkengasong von der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union, der Africa CDC. Das ursprünglich für dieses Jahr anvisierte Ziel einer Impfung von 60 Prozent der Bevölkerung sei somit kaum vor Ende 2022 zu erreichen.

Laut CDC sind bisher gerade mal 1,39 Prozent der Bevölkerung auf dem Kontinent komplett geimpft. Marokko ist mit 21,3 Millionen Dosen der kontinentale Spitzenreiter, vor Südafrika mit 5,6 Millionen verabreichten Dosen. Die Länder Burundi, Eritrea und Tansania hätten nicht einmal mit Impfungen begonnen – obwohl Tansania sich nun bei der Bekämpfung stärker engagiere.

Die CDC versucht über die nun zum Trust ausgebaute AVAT-Kommission (African Acquisition Trust), die Mittel der afrikanischen Staaten zu bündeln und Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie zu koordinieren. Bisher hat Afrika laut CDC erst 82,7 Millionen Impfdosen von den für dieses Jahr geplanten 700 Millionen beschafft – 74 Prozent wurden verabreicht.

Biontech und Pfizer lassen in Südafrika ab 2022 abfüllen

Deutschland hatte vergangene Woche angekündigt, seine internationale Hilfe in der CoV-Pandemie aufzustocken. In Genf sagte Gesundheitsminister Jens Spahn bei einem Besuch bei der Weltgesundheitsorganisation, Deutschland werde wahrscheinlich mehr als die angekündigten 30 Millionen Impfdosen abgeben können. Zugesagte waren vor allem die Vakzine von AstraZeneca und Johnson & Johnson – also jene, die wegen seltener Nebenwirkungen in vielen Teilen Europas weniger eingesetzt wurden. Zudem rechnet auch Deutschland mit einer „Überversorgung“ an Impfstoffen in den nächsten Wochen.

Dass ärmere Länder auch in die Produktion eingebunden sind, wird wohl noch länger dauern – auch wenn es bereits konkrete Pläne gibt: So soll das südafrikanische Biotech-Unternehmen Biovac ab Ende des Jahres den Impfstoff von Biontech und Pfizer abfüllen. Erste Lieferungen sind für Anfang 2022 geplant. Es wird erwartet, dass Biovac bei vollem Betriebsumfang mehr als 100 Millionen Impfdosen im Jahr fertigstellen kann. Dazu wird es die Verteilung innerhalb der Afrikanischen Union, für die alle Dosen ausschließlich gedacht sind, unterstützen.

Immer wieder Appelle des WHO-Chefs

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, kritisierte erst am Mittwoch erneut die weltweite Impfstoffverteilung. „Anstatt breit eingesetzt zu werden, sind die Impfstoffe in den Händen einiger weniger Glücklicher gebündelt.“ Die Pandemie werde erst enden, wenn die Welt sich entscheide, sie zu beenden. „Wir haben alle Werkzeuge, die wir brauchen. Wir können dieser Krankheit vorbeugen, wir können auf sie testen und wir können sie behandeln. Es liegt in unseren Händen.“

Der WHO-Generaldirektor setzte sich seit längerem für eine befristete Freigabe der Impfstoffpatente ein: „Der Markt hat hier versagt.“ Bisher hagelte es für seine Forderungen aber – auch aus Europa – sehr oft Absagen. Lediglich US-Präsident Joe Biden sprach sich bisher zumindest für eine Lockerung aus.

Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass es auch durchaus im Interesse der Industriestaaten sein sollte, dass auch ärmere Ländern im Kampf gegen die Pandemie mit Impfstoffen gerüstet sind. Sie könnten sonst zum „Brutkasten“ für weitere Varianten werden – vielleicht auch solche, bei denen die nun verfügbaren Impfungen weniger gut oder gar nicht wirken.