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AP/Jae C. Hong
Belästigungsvorwürfe

Gamer-Aufstand gegen ‚Warcraft‘-Entwickler

Der US-Bundesstaat Kalifornien hat Spieleentwickler Activision Blizzard geklagt, der unter anderem „Call of Duty“ und „World of Warcraft“ herausgibt. Der Arbeitgeber sei eine „Brutstätte für Belästigungen und Diskriminierungen von Frauen“, heißt es in der Klagsschrift. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe protestierten Spielerinnen und Spieler – auch direkt in den Spielen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Konzern in der Kritik steht.

In der Klagsschrift des Department of Fair Employment & Housing (DFEH), einer kalifornischen Behörde, die für die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen zuständig ist, werden schwere Vorwürfe erhoben. Wie Bloomberg berichtet, fördere der Arbeitgeber ein Klima wie in „einer Studentenverbindung“. Eine zweijährige Untersuchung der Behörde habe ergeben, dass es das Unternehmen verabsäumt habe, Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung und Belästigung von Frauen zu ergreifen, heißt es in dem Bloomberg-Artikel.

In dem Behördenschreiben werden zahlreiche Vorfälle aufgelistet, die von Mitarbeiterinnen gemeldet wurden: Weibliche Angestellte behaupten, dass sie von Beförderungen abgehalten werden, weil sie schwanger werden könnten, dass sie kritisiert werden, wenn sie ihre Kinder vom Kindergarten abholen, und dass sie aus Stillräumen geworfen werden, damit männliche Kollegen den Raum für Besprechungen nutzen können. Männliche Beschäftigte sollen auch offen Witze über Vergewaltigungen gemacht und Vorgesetzte Mitarbeiterinnen bedrängt haben.

Klage enthält auch Bericht über Suizid von Mitarbeiterin

Auch der Suizid einer Activision-Mitarbeiterin wird darin thematisiert: Sie soll sich auf einem Betriebsausflug mit ihrem männlichen Vorgesetzten das Leben genommen haben. Die Mitarbeiterin war der Klage zufolge vor ihrem Tod sexueller Belästigung ausgesetzt, einschließlich der Weitergabe von Nacktfotos auf einer Betriebsfeier, heißt es. Von der Behörde wird nun eine einstweilige Verfügung gefordert, damit die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet wird. Auch unbezahlte und zu niedrig ausgezahlte Löhne für Mitarbeiterinnen sollen nachgezahlt werden. Die Klage ging diese Woche an ein Gericht in Los Angeles.

Unternehmen kritisiert „Staatsbürokraten“

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe ging eine Stellungnahme des Unternehmens an US-Medien und wies die Beschuldigungen zurück. „In unserem Unternehmen oder in unserer Branche oder in jeder Branche ist kein Platz für sexuelles Fehlverhalten oder Belästigung jeglicher Art.“ Der DFEH-Bericht enthalte „verzerrte und in vielen Fällen falsche Beschreibungen der Vergangenheit von Blizzard“, heißt es in dem Statement weiter. Es sei „diese Art von unverantwortlichem Verhalten“ von „Staatsbürokraten, die viele der besten Unternehmen des Staates aus Kalifornien vertreibt“, so Activision Blizzard.

Betroffene berichten in sozialen Netzwerken

Gleichzeitig meldeten sich auch einige ehemalige Mitarbeiterinnen in sozialen Netzwerken zu Wort. Eine Spezialeffekt-Expertin, die knapp zehn Jahre in dem Unternehmen gearbeitet hatte, schrieb auf Twitter: „Ich habe zehn Jahre lang versucht, diesen ‚Boys-Club‘ zu durchbrechen. Wenn man dieses Verhalten zulässt, hat das einen Dominoeffekt. Glaubt den Frauen.“ Eine Entwicklerin schrieb: „Ich habe Blizzard geliebt. Das habe ich wirklich. Aber sie beschäftigen Raubtiere in jeder Hinsicht, und wir haben das seit Jahren intern gesagt.“

Spielerinnen und Spieler üben scharfe Kritik

Vor allem Spiele von Blizzard – das Unternehmen fusionierte 2008 mit Activision – haben eine riesige Anhängerschaft. Spiele wie „World of Warcraft“ und „Overwatch“ wurden von Millionen Spielerinnen und Spielern gekauft – nach den Medienberichten stiegen viele der Fans auf die Barrikaden. So gab es etwa auf Reddit einen Zusammenschluss sämtlicher inoffizieller Blizzard-Foren – in einem gemeinsamen Statement hieß es: „Wir bemühen uns, unsere Communitys inklusiv und sicher für alle zu machen, und fordern Activision Blizzard auf, Schritte zu unternehmen, um zu zeigen, dass sie das auch tun.“

Wie das Spieleportal Polygon berichtet, bildete sich auch in den Spielen selbst Protest: In „World of Warcraft“ trafen sich Spielerinnen und Spieler eines Servers zu einer virtuellen Sitzblockade, andere errichteten Warnhinweise für Spielcharaktere, die auf den Beschuldigten basieren.

Hongkong-Skandal führte schon einmal zu Protesten

Blizzard stand erst 2019 in der Kritik vieler langjähriger Fans: Bei einem „Hearthstone“-Turnier äußerte sich „Blitzchung“, ein Spieler aus Hongkong, positiv über die prodemokratischen Proteste in Hongkong. Blizzard strich ihm darauf das Preisgeld und verbannte ihn von künftigen Turnieren. Erst Spielerproteste und Boykottaufrufe sowie ein Brief des US-Kongresses führten dazu, dass Blizzard die Strafe letztlich verringerte. Seither gilt das Verhältnis zu den Fans aber als angeschlagen.

Auch andere Unternehmen in der Kritik

Activision Blizzard ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit Vorwürfen konfrontiert sind. Schon 2018 klagte ebenfalls das DFEH einen Entwickler – das „League of Legends“-Studio Riot Games. Das Unternehmen wurde dazu verurteilt, mehrere Millionen Dollar an Frauen zu zahlen, die in dem Unternehmen diskriminiert wurden.

Belästigungsvorwürfe wurden im Vorjahr auch bei Ubisoft laut – das „Assassin’s Creed“-Studio entließ daraufhin einige Mitarbeiter. In einem Bericht der französischen Tageszeitung „Le Telegramme“ vom Mai hieß es, dass Ubisoft aber immer noch mit dem „toxischen“ Arbeitsumfeld kämpfe. Diese medialen Enthüllungen führten meistens dazu, analog zur „#MeToo“-Bewegung, dass Betroffene aus der Branche ihre Erfahrungen teilten. Polygon sieht nun einen weiteren derartigen Moment: Die Klage habe „eine neue Runde eingeläutet, in der Mitarbeiterinnen in sozialen Netzwerken von Belästigung, Sexismus und Rassismus berichten, denen sie bei Activision Blizzard und anderswo ausgesetzt waren.“