Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Ibiza U-Ausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Justiz hat entschieden

Richter und nicht WKStA wird Kurz befragen

Bezüglich des bestehenden Verdachts der falschen Beweisaussage vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss wird Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), sondern von einem Richter bzw. einer Richterin vernommen. Einen entsprechenden Medienbericht bestätigte das Justizministerium am Montagabend.

„Diese Entscheidung zur gerichtlichen Beweisaufnahme betrifft ausschließlich die Beschuldigteneinvernahme des Bundeskanzlers“ und sei „ausschließlich aus rechtlichen Erwägungen“ getroffen worden, hieß es dazu in einer Aussendung. In dieser hält das Justizministerium schließlich auch ausdrücklich fest, dass mit dieser Entscheidung keinerlei Vorbehalt gegenüber der WKStA verbunden sei.

Diese bleibe den Ministeriumsangaben zufolge „als fallführende Staatsanwaltschaft“ auch weiterhin „Herrin des Verfahrens“. Darüber hinaus handle es sich um „eine Einzelfallentscheidung, die keine unmittelbaren Schlüsse für andere Verfahren und Beschuldigte zulässt“. Was das weitere Prozedere betrifft, werde die WKStA nun beim Landesgericht für Strafsachen Wien einen Antrag stellen. Wann die Beschuldigteneinvernahme stattfindet, ist derzeit noch offen.

„Besonderer Fall und besondere Persönlichkeit“

Einem „Presse“-Bericht zufolge habe die WKStA Kurz an sich selbst befragen wollen – und das habe zuletzt zu Unstimmigkeiten zwischen den Anwälten des Kanzlers und der Korruptionsstaatsanwaltschaft geführt. Nun werde, so die Zeitung, per Weisung dem Wunsch des Kanzlers entsprochen. Beim Justizministerium verweist man dazu auf die „besondere Bedeutung der Straftat und des Beschuldigten“ – und für solche Fälle sehe das Gesetz vor, dass die Vernehmung durch eine Person, „die außerhalb der regulären Weisungshierarchie steht“, zu erfolgen habe.

„Zum ersten Mal wird gegen einen amtierenden Bundeskanzler wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, die dieser während der laufenden Amtszeit und in der Funktion als Bundeskanzler vor einem verfassungsmäßig garantierten parlamentarischen Kontrollgremium (‚Ibiza‘-Untersuchungsausschuss) mutmaßlich begangen haben soll. Daher sind sowohl der Beschuldigte als auch die Strafsache von besonderer Bedeutung“, erklärte das Justizministerium seine Entscheidung. Diese Rechtsansicht werde auch vom Weisungsrat und der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft Wien geteilt.

Dass die Befragung nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern durch einen Richter erfolgen soll, hatte APA-Angaben zufolge zuvor auch ÖVP-Anwalt Werner Suppan gefordert – handle es sich doch um einen „besonderen Fall und eine besondere Persönlichkeit“. Sowohl Kurz selbst als auch die ÖVP hatten die WKStA in der Vergangenheit wiederholt attackiert und ihr vorgeworfen, parteipolitisch zu agieren. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) stellte sich dagegen hinter die Ermittler, die Staatsanwaltschaft selbst beklagte politisches Störfeuer gegen ihre Ermittlungen.

„Jetzt amtlich“

Geht es nach dem Fraktionsführer der ÖVP im „Ibiza“-U-Ausschuss, Andreas Hanger, hätten einzelne WKStA-Staatsanwälte „schon bei der BVT-Razzia und vielen anderen Aktionen gezeigt, dass sie von Objektivität weit entfernt sind“. Nun sehe „auch das Justizministerium auf Antrag des Anwalts von Bundeskanzler Kurz die Notwendigkeit auf eine Vernehmung durch einen unabhängigen Richter anstatt der WKStA“, wie Hanger in einer mit „Mangelnde Objektivität der WKStA jetzt amtlich“ betitelten Aussendung weiter mitteilte.

Für den Kanzler werde „das gelebte Recht gebogen und somit der Eindruck einer Zwei-Klassen-Justiz erweckt, weil er sich nicht durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einvernehmen lassen will“, kritisierte unterdessen SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim. Zadic müsse nun „erklären, warum Kurz eine Sonderbehandlung erhält“, so Yildirim, die dem Justizministerium per Aussendung ein „Einknicken vor Bundeskanzler Kurz“ vorwirft und „ein weiteres Warnzeichen für unseren Rechtsstaat“ ortet.

Ermittlungen nach Anzeige

Die WKStA ermittelt nach einer Anzeige gegen Kurz wegen des Verdachts, den „Ibiza“-U-Ausschuss in mehreren Punkten falsch informiert zu haben. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie intensiv Kurz unter Türkis-Blau in die Reform der Staatsholding ÖBAG involviert war. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Bei seiner Befragung im Ausschuss hatte der Kanzler seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung des umstrittenen Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid heruntergespielt und sinngemäß von normalen Vorgängen gesprochen. Später aufgetauchte Chatprotokolle legen allerdings eine enge Abstimmung zwischen Schmid und Kurz nahe.

Zuletzt hatte Kurz gemeint, auch bei einer Anklageerhebung gegen ihn nicht zurücktreten. „Ja, selbstverständlich“, antwortete Kurz in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung auf die Frage, ob ein Angeklagter Bundeskanzler sein könne. Er wisse, was er getan und nicht getan habe. „Ich habe definitiv immer vorsätzlich die Wahrheit gesagt“, bekräftigte der ÖVP-Chef seine Verteidigungslinie.

„Nicht gleichzeitig auf Regierungs- und Anklagebank“

Kritik an den Aussagen von Kurz kam am Montag von der Opposition. „Ein Kanzler kann nicht gleichzeitig auf der Regierungsbank und Anklagebank sitzen“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst ortete eine „Unverfrorenheit von ÖVP-Kanzler Kurz“, die „langsam unerträglich“ werde.

Auch NEOS zeigte sich kritisch: „Dass sich Kanzler Kurz offenbar nur Gedanken über die drohende eigene Anklage macht, dabei einmal mehr die unabhängige Justiz zu diskreditieren versucht und sich selbst freispricht, zeigt, dass er vor allem mit sich selbst beschäftigt ist“, so der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak.

Für Kritik sorgten auch Aussagen des ÖVP-Chefs von vergangener Woche: In einem Interview mit Vol.at hatte der Kanzler einen Vergleich zwischen Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche und der Justiz gezogen. NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos sprach am Montag von einer „Entgleisung“ des Kanzlers und forderte deutliche Worte der Entschuldigung. Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Deutsch sei die ÖVP-„Dauerkampagne gegen die unabhängige Justiz“ schon schlimm genug – nun aber Staatsanwältinnen und Staatsanwälte „mit pädophilen Priestern in den Vergleich zu ziehen, ist ungeheuerlich und ein absoluter Tiefpunkt“.