Junge Eltern mit zwei kleinen Kindern
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Teilzeitarbeit

ÖGB und AK wollen halbe-halbe für Eltern

Gewerkschaft (ÖGB) und Arbeiterkammer (AK) wollen bei der ungleichen Verteilung der Teilzeitarbeit zwischen Müttern und Vätern gegensteuern. Laut ihrem am Montag präsentierten Modell für eine „Familienarbeitszeit“ soll es eine Förderung geben, wenn beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren. Nach wie vor gibt es starke geschlechtsspezifische Lohnunterschiede – die sich nicht zuletzt auf die Pension auswirken.

Je 250 Euro monatliche Förderung soll es für jeden Elternteil geben. Die Voraussetzung: Nicht nur ein, sondern beide Elternteile reduzieren ihre Arbeitszeit auf 29 bis 32 Stunden die Woche. Derzeit würden Eltern im Durchschnitt auf eine Erwerbsarbeitszeit von 60 Stunden in der Woche kommen – nur sei die Aufteilung eben 20 zu 40.

Während der Mann also weiterhin Vollzeit arbeite, werde Teilzeit hauptsächlich von Frauen in Anspruch genommen, so ÖGB und AK in einer Aussendung – mit allen nachteiligen Folgen für Einkommen und Berufschancen bis zur Pension. „Die Familienarbeitszeit soll das ändern und Frauen raus aus der Teilzeitfalle holen“, erklärte AK-Präsidentin Renate Anderl.

Junger Vater mit kleinem Kind in der Küche
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Statt wie bisher oft der Vater 40 und die Mutter 20, sollen in Zukunft beide 30 Stunden arbeiten – je Elternteil gibt es dafür 250 Euro

Mehr Einkommen für Mütter, mehr Familienzeit für Väter

ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann hofft, dadurch die zukünftige Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern positiv zu beeinflussen. Das Modell soll Frauen ein besseres Einkommen bringen, Männern mehr Familienzeit und Kindern mehr Zeit mit ihren Vätern.

Das Modell sieht für die Teilzeitaufteilung eine Untergrenze von vier Monaten vor, maximal soll das Familienarbeitszeitgeld bis zum vierten Geburtstag des Kindes bezogen werden können. Alleinerziehende, die ebenfalls zwischen 28 bis 32 Stunden arbeiten, sollen den gleichen Bonus wie ein Elternteil bei der Familienarbeitszeit erhalten. Das Geld für die Förderung soll aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) kommen.

Anderl kommentierte die Förderung in einer Aussendung folgendermaßen: „Das ist transparent, einfach zu verwalten und verteilungspolitisch positiv, weil niedrigere Einkommen relativ mehr bekommen. Für Eltern mit niedrigeren Einkommen ergibt mehr Partnerschaft in Form der Familienarbeitszeit sogar einen Gewinn. Das beugt Armut in Familien vor.“

Expertin sieht „wichtigen Schritt“

Auch Ingrid Moritz, Leiterin der Frauenabteilung in der Wiener Arbeiterkammer, sieht in dem Modell einen wichtigen Schritt – wenn auch nur einen von vielen. Denn neben familienfreundlichen Arbeitszeiten mit finanzieller Unterstützung brauche es etwa auch den Ausbau von Kinderbetreuung.

Die Wirtschaft werde sich zwar nicht erfreut darüber zeigen, allerdings sei es eine „Möglichkeit, die Väter und die Mütter im Betrieb zu halten, und das mit einem Stundenausmaß, wo man beruflich natürlich auch viel machen kann“, so Moritz im Ö1-Morgenjournal.

Nicht zuletzt sei der Vorstoß aber vor allem im Hinblick auf die Verbesserung der Frauenpensionen entscheidend, „weil es macht einfach einen Unterschied, ob man 20 Stunden arbeitet, was jetzt sehr viele machen, wenn sie kleine Kinder haben, oder ob es 30 Stunden sind“. Schließlich würde jeder einbezahlte Euro in die Pension auch die Pension verbessern. „Das heißt, auch hier geht dann die Schere zusammen“, so Moritz.

AMS-Chef Kopf skeptisch

AMS-Chef Johannes Kopf zeigte sich im Ö1-Mittagsjournal etwas skeptisch: „Es wäre absolut notwendig, dass es uns gelingt, die Väterbeteiligung an der Betreuung von Kindern zu erhöhen. Ich bin noch nicht sicher, ob die Methode die richtige ist mit dem Bonus", so Kopf.

Möglicherweise gebe es im Steuerrecht Anreize, die mehr dafür sorgen würden, der Schlüssel „ist sicher, dass wir Männer unsere Verantwortung auch wahrnehmen“. Dennoch handle es sich bei dem Modell um einen „interessanten Vorschlag“. Und weiter: „Ich finde auch noch keine bessere Lösung, bin aber nicht so ganz glücklich.“

Kocher: Geht darum, dass Beruf und Familie vereinbar ist

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sagte dazu bei einer Pressekonferenz, aus Arbeitsmarktsicht sei es wichtig, es zu schaffen, dass mehr Frauen Vollzeit arbeiten bzw. ihre Teilzeitarbeit auf mehr Stunden pro Woche aufstocken. „Mir ist wichtig, dass es die Möglichkeit gibt, Vollzeit zu arbeiten“. Dabei gehe es um den Ausbau der Kinderbetreuung, wo Österreich mehr Betreuung für unter dreijährige Kinder brauche. „Es geht darum, dass Beruf und Familie vereinbar ist.“

Zustimmung kam von der SPÖ und den Grünen. „Die Coronavirus-Krise hat die Ungleichheit noch weiter verschärft. Da müssen wir dringend gegensteuern“, fordert SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner. Es brauche ein ganzes Paket für die Frauen, etwa halbe-halbe in der Familie und im Beruf, ein Arbeitsmarktpaket für Frauen, die Hälfte der Mittel aus der Coronavirus-Arbeitsstiftung für Frauen, Lohntransparenz und einen raschen Ausbau der Kinderbetreuung.

Eine Friseurin bei der Arbeit
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Das Modell könne sich auch positiv auf die Frauenpensionen auswirken, zeigen sich Befürworter überzeugt

Grüne dafür, FPÖ und NEOS dagegen

Die Grünen begrüßten das Modell ausdrücklich. „Vorschläge für eine gerechtere Aufteilung bezahlter Erwerbs- und unbezahlter ‚Elternarbeit‘ gibt es schon länger und wurden auch schon von den Grünen bei den Regierungsverhandlungen eingebracht", so Markus Koza, Arbeits- und Sozialsprecher der Grünen, in einer Aussendung. Ein solidarisches Elternteilzeitmodell sei eine weitere wichtige Säule im Kampf gegen Frauenarmut im Alter und der gerechteren Verteilung von bezahlter Erwerbs- und oft genug unbezahlter Sorgearbeit“, meinte auch Frauensprecherin Meri Disoski. Keine Reaktion gab es vorerst von der ÖVP.

Bei der FPÖ lehnt man das Modell ab. Eine Arbeitszeitverkürzung sei der falsche Weg, vielmehr sollten Kindererziehungszeiten besser angerechnet werden, meinte Sozialsprecherin Dagmar Berlakowitsch im Ö1-„Mittagsjournal“.

Keine Zustimmung kam auch von NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard: „Wir brauchen kein halbe-halbe bei Teilzeit, sondern ein System der Gleichberechtigung. Die Teilzeitfalle, die den Menschen nicht nur jede Selbstverwirklichung nimmt, sondern auch zu Altersarmut führt, auch noch zu fördern, ist der genau falsche Weg.“

Equal Pension Day am 1. August

Dass Altersarmut nach wie vor ein Thema ist, zeigt etwa der Equal Pension Day, also jener Tag, an dem Männer bereits so viel Pension erhalten haben, wie Frauen erst bis Jahresende erhalten haben werden. Dieser fiel heuer auf den 1. August. Frauen bekommen demnach durchschnittlich um 851 Euro im Monat weniger Pension als Männer, das entspricht einer Differenz von 41,6 Prozent.

Die Gründe dafür sind vielfältig, wie aus den Statistiken hervorgeht: So haben Frauen im Schnitt zehn Beitragsjahre weniger als Männer, größtenteils verursacht durch betreuungsbedingte Erwerbsunterbrechungen. Frauen haben zwar ein um fünf Jahre niedrigeres gesetzliches Antrittsalter, das tatsächliche Antrittsalter unterscheidet sich aber nur durch zwei Jahre.

Männer gingen im Vorjahr durchschnittlich mit 61,3, Frauen mit 59,3 Jahren in Pension. Dazu kommt die Lohnschere, die sich auch in der Pension auswirkt: Frauen verdienen in Österreich in Vollzeit um 18,3 Prozent weniger als Männer während sie oft in schlechter bezahlten Branchen arbeiten.

Nur jede zweite Frau wechselt direkt aus Beruf in Pension

Eine kürzlich präsentierte Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) zeigt zudem: Nur jede zweite Frau wechselt direkt aus dem Beruf in die Pension.

Und: Mehr als die Hälfte der Frauen über 45 Jahren kann sich laut einer Sonderauswertung des Arbeitsklimaindex 2020 nicht vorstellen, im aktuellen Beruf bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter durchzuhalten.

Noch deutlich höher ist der Anteil in Branchen, in denen hauptsächlich Frauen beschäftigt sind – in der Altenpflege und Behindertenbetreuung 73 Prozent, bei Reinigungskräfte 66 Prozent, in der Pflege und medizinischen Betreuung 62 Prozent. Angesichts der von 2024 bis 2033 kommenden Erhöhung des Frauenpensionsalters von 60 auf 65 Jahre gelte es auch hier, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, so der ÖGB.