Einsatzkräfte nahe Kechries
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Feuer in Griechenland

Höhepunkt noch nicht erreicht

Die verheerenden Brände im Mittelmeer-Raum nehmen kein Ende. Griechische Meteorologen und die Regierung in Athen warnen nun, dass der Höhepunkt noch nicht erreicht sein könnte. Befürchtet wird vor allem, dass in den nächsten Tagen starke Winde aufkommen – sie könnten den Kampf gegen die Flammen fast unmöglich machen und die Feuer immer weiter anfachen.

In ganz Griechenland herrscht seit Monaten Dürre, zudem erreichen die Temperaturen seit zehn Tagen teils Werte von 40 bis 47 Grad. So kann schon ein Funke reichen, um zerstörerische Großbrände auszulösen. „Uns stehen noch schwierige Tage bevor“, sagte der Chef des griechischen Zivilschutzes, Nikos Chardalias.

Seit Mittwoch versuchte die griechische Feuerwehr in einem gewaltigen Kraftakt, die Brandherde rund um das antike Olympia auf der Halbinsel Peloponnes unter Kontrolle zu bringen. Zuletzt gelang es, das Feuer einzudämmen, kurz bevor die Flammen das UNESCO-Welterbe erreichen konnten. „Die Stätte ist vorerst gerettet“, sagte der Gouverneur der Region Westgriechenland, Nektarios Farmakis, Mittwochfrüh im Staatsfernsehen. Er warnte jedoch: „Die Gefahr ist nicht vorbei.“

Waldbrände nahe dem antiken Olympia
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Waldbrände nahe dem antiken Olympia

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis schwor die Bürger und Bürgerinnen Donnerstagabend auf weitere harte Tage ein. Drei Waldbrände seien von „gewaltigem Ausmaß“. Seit den frühen Morgenstunden fachten am Freitag starke Westwinde die zahlreichen Feuer weiter an.

91 neue Brände in 24 Stunden

So auch auf der Halbinsel Euböa und in zahlreichen Regionen der Halbinsel Peloponnes. An Euböas Küste mussten nahe der Ortschaft Rovies Dutzende Menschen mit Booten in Sicherheit gebracht werden. Zahlreiche Häuser wurden zerstört, mehrere Dörfer evakuiert. Die Menschen bekämpften aktuell mehrere große Brandherde in Eigenregie. Freiwillige Helfer schlagen Schneisen, damit die Flammen nicht überspringen; zum Einsatz kommen Kettensägen, Traktoren und Gartenschläuche.

Landesweit seien innerhalb von 24 Stunden 91 Brände ausgebrochen, hieß es vom griechischen Zivilschutz. Im Norden Athens wütete erneut ein gewaltiger Waldbrand, den die Feuerwehr nicht unter Kontrolle bringen konnte. Die Elektrizitätsgesellschaft schaltete vorsorglich einen großen Verteiler in der Region ab. Das Unternehmen kündigte an, in Athen stellenweise den Strom zu unterbrechen, um die Versorgung insgesamt aufrechterhalten zu können.

Rauchwolke über Athen
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Athen steckt unter einer Rauchglocke

Die Einsatzkräfte der Feuerwehr hatten nur wenig Zeit – sobald die Dunkelheit hereinbricht, können die Löschflugzeuge und -hubschrauber nicht mehr arbeiten. Die Ortschaft Krioneri, 25 Kilometer nördlich vom Athener Stadtzentrum, wurde vorsorglich evakuiert. Auch die zentrale Autobahn des Landes zwischen den Metropolen Athen und Thessaloniki ist mittlerweile in der betreffenden Region gesperrt.

Türkei: „Schlimmste Brände der Geschichte“

Dramatisch ist die Lage auch im Südwesten der Türkei, wo in den vergangenen neun Tagen mehr als 150 Brände ausgebrochen sind – darunter die Großbrände in den Provinzen Antalya und Mugla. Ein Feuer, das ein Kohlekraftwerk bedroht hatte, sei gelöscht worden, teilten die Behörden im Mugla mit. Anrainer mussten von der Marine über das Meer in Sicherheit gebracht.

Laut Doganay Tolunay, Forstingenieur an der Istanbul-Universität, fielen bisher schätzungsweise mehr als 100.000 Hektar Land den Feuern zum Opfer. Allein in Mugla wurden bisher 2.000 Häuser beschädigt, 16.000 Menschen mussten dem Innenministerium zufolge ihre Unterkünfte verlassen. In Antalya schätze man den Schaden noch deutlich höher. Bisher starben acht Menschen durch die Brände. Der Wind soll dort aber nachlassen und so die Gefahr verringern.

Die Türkei kämpft nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen die schlimmsten Waldbrände ihrer Geschichte, wie er am Mittwochabend in einem TV-Interview erklärte. Seit Beginn der Datenerfassung 2003 seien dort keine derart intensiven Feuer beobachtet worden, bestätigte auch Parrington.

Löschhubschrauber über Waldbrand nahe Kechries
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Mehr als 100.000 Hektar Land wurden bereits ein Raub der Flammen

Ermittlungen wegen Bitten um internationale Hilfe

Derweil hat die türkische Generalstaatsanwaltschaft wegen einer Kampagne in sozialen Netzwerken Ermittlungen aufgenommen. Unter dem Hashtag #HelpTurkey hatten User im Kampf gegen das Feuer um internationale Hilfe gebeten. Seit Beginn der Brände vergangene Woche wird immer wieder Kritik an der Ausstattung der Einsatzkräfte laut.

Ermittelt werde nun unter anderem wegen „Erzeugung von Sorge, Angst und Panik“ in der Bevölkerung und Anstiftung des Volkes zu Hass und Feindschaft, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Untersuchungen gebe es auch wegen des Vorwurfs der Beamtenbeleidigung, Beleidigung des Präsidenten und Herabwürdigung des türkischen Staates.

Erdogan wies am Mittwochabend in einem Interview erneut Vorwürfe zurück und warf der Opposition vor, „Lügen-Terror“ zu verbreiten. Erdogan sagte, inzwischen seien 20 Löschflugzeuge und 51 Helikopter im Einsatz. Unterstützung kommt nach offiziellen Angaben aus Kroatien, Spanien, der Ukraine, Russland, dem Iran und Aserbaidschan.

Brandherde in Griechenland am 4.8.2021 gemäß NASA-Feuerwarnsystem FIRMS

Auch in Süditalien wüten Feuersbrünste

Auch in Italien kämpften die Einsatzkräfte am Donnerstag weiter gegen die Flammen. Unter anderem Sizilien und Kalabrien waren betroffen. Mehrere Löschflugzeuge seien in den Provinzen Messina und Palermo im Einsatz, teilte die Feuerwehr auf Twitter mit. Feuerwehrkräfte aus anderen Teilen Italiens kamen zur Unterstützung. Bei sengender Hitze und Trockenheit trieben zuletzt immer wieder kräftige Winde die Flammen an. Oft ist Brandstiftung ein Grund für derartige Feuer.

Für über 70 Prozent der Brände in Italien sind Menschen verantwortlich. Das berichtete am Donnerstag Umweltminister Roberto Cingolani bei einer Fragestunde im Parlament in Rom. „Die Zahlen sind besorgniserregend: 57,4 Prozent der Brände sind gestiftet, 13,7 Prozent sind auf Fahrlässigkeit zurückzuführen.“ Auch die hohen Temperaturen und der Klimawandel seien mitverantwortlich.

Die Großbrände in Italien haben sich heuer gegenüber Sommer 2020 fast verdreifacht. Sie verursachten Schäden in Millionenhöhe für Umwelt, Wirtschaft und Tourismus, geht aus einer vom Bauernverband Coldiretti durchgeführten Analyse hervor. Zehntausende Hektar Wald und mediterraner Macchia seien vernichtet worden.

Nordmazedonien, Bulgarien, Albanien und Kosovo

Wegen ständig auflodernder Waldbrände rief Nordmazedoniens Regierung am Donnerstag den Krisenzustand aus. Während der kommenden 30 Tage sollen neben Feuerwehr auch Militär und Sicherheitskräfte des Innenministeriums die Brände und deren weitere Ausbreitung bekämpfen, wie die Regierung in Skopje entschied. Derzeit seien insgesamt acht Brände aktiv, der größte sei in der Nähe des Dorfs Pehcevo im Zentrum des Landes. Ein erstes Todesopfer der Flammen habe es im Dorf Staro Nagoricane im Norden des Landes gegeben, meldete das Portal Press24.mk und berief sich auf Augenzeugen: Eine Frau sei in ihrem brennenden Haus ums Leben gekommen.

In Bulgarien wurde am Donnerstag die zweithöchste Alarmstufe Orange für 24 der 28 Regionen ausgerufen – auch in der Hauptstadt Sofia mit rund 1,5 Millionen Einwohnern. Die beiden Großbrände im Süden des Balkan-Landes konnten zunächst unter Kontrolle gebracht werden. Allerdings kamen zwei Forstarbeiter bei Löschversuchen an der Grenze zu Griechenland ums Leben, ein weiterer erlitt schwere Verbrennungen. Auch bei Waldbränden in Albanien und im Kosovo kamen zwei Menschen ums Leben.