„Erstmals können wir sagen, dass die Situation etwas besser ist – es gibt aktuell nur noch zwei Feuerfronten“, sagte Nikos Peppas, Vizegouverneur der Region Attika, am Mittag dem Fernsehsender Skai. Es bestehe Hoffnung, die Brände bis zum Abend unter Kontrolle zu bringen. „Wenn wir es heute nicht schaffen, die Brände einzudämmen, dann werden wir ein Riesenproblem haben“, sagte der für den Zivilschutz zuständige Vizegouverneur des Großraums Athens, Wassilis Kokkalis, Samstagfrüh im griechischen Fernsehen.
Die Luft in der Millionenmetropole Athen ist mittlerweile stark von Rauch durchzogen, seit drei Tagen geht Asche nieder. „Schließen Sie alle Fenster und gehen Sie nicht aus dem Haus“, riefen die Behörden die Einwohner auf. Die ganze Nacht hindurch loderten im Norden der griechischen Hauptstadt die Flammen.

Internationale Hilfe im Kampf gegen die Flammen
Noch am Abend wurden Orte nördlich Athens evakuiert und die Menschen in Hotels, bei Verwandten und Bekannten untergebracht. Auf der Insel Euböa mussten die rund 2.000 Bewohner des Ortes Limni per Fähre evakuiert werden, weil der Landweg von den Flammen abgeschnitten war. Jene, die in den vergangenen Tagen vor den Feuern flohen, wohnen momentan auf Staatskosten in Hotels bzw. bei Bekannten und Verwandten. In den vom Feuer betroffenen Gegenden gibt es vielfach noch keinen Strom und kein Wasser.
Fanis Spanos, der für die Insel zuständige Gouverneur der Region Mittelgriechenland, setzte am Samstag über Facebook einen verzweifelten Hilferuf ab. „Das Feuer geht unvermindert weiter, es verbrennt Wälder und zerstört Häuser, es bedroht Menschenleben! Wir wollen endlich eine ernsthafte Anzahl von Löschflugzeugen, die wir seit dem ersten Tag fordern! Und mehr Löschzüge!“
ORF-Reporter zu Lage der Brände in Griechenland
ORF-Reporter Alex Kofler berichtet aus Athen über die aktuelle Lage der Waldbrände und darüber, inwieweit es gelingen wird, mit Hilfskräften aus dem Ausland die Brände in den Griff zu bekommen.
Die Feuer könnten nicht alleine mit Bulldozern bekämpft werden, fügte Spanos hinzu. „Wenn wir nichts unternehmen, wird sich das Feuer wirklich überall ausbreiten“, warnte er. Auf Euböa waren in den vergangenen Tagen zahlreiche Ortschaften evakuiert worden. Viele Häuser sind bereits abgebrannt – genaue Zahlen des Ausmaßes liegen jedoch noch nicht vor. Die Einsatzkräfte konzentrieren sich derzeit noch auf die stärker besiedelte brennende Region im Norden Athens.
Auch die Halbinsel Peloponnes, Kreta weit im Süden des Landes und Städte wie Grevena hoch im Norden sind von den seit Tagen nach langer Hitze und Trockenheit ausgebrochenen Bränden betroffen. Nach ersten Schätzungen verbrannten bisher mindestens 60.000 Hektar bzw. 600 Quadratkilometer Fläche. Das berichtete am Samstag der öffentlich-rechtliche Sender ERT unter Berufung auf das Nationale Observatorium Athen.

Auch Türkei hofft auf schwächeren Wind
In der Türkei wird den zehnten Tag in Folge gegen die schwersten Waldbrände seit Jahren gekämpft. Besonders betroffen sind die süd- und westtürkischen Küstenregionen Antalya, Marmaris, Bodrum und Milas. In Milas verschlangen die Flammen in der Nacht mehrere Viertel, die zuvor evakuiert worden waren. Mindestens acht Menschen kamen in der Türkei schon ums Leben.
Nach offiziellen Angaben mussten seit Beginn der Brände mehr als 36.000 Menschen ihre Häuser verlassen. Sie wurden in Schulen untergebracht. Die Behörden verbreiten immer wieder Listen mit Dingen, die benötigt werden: Besteck, Teller, Kissen und Decken – der Bedarf ist groß.
In Nähe der Städte Aydin und Mugla brannten am Samstag noch sechs unkontrollierte Feuer, wie Forstminister Bekir Pakdemirli mitteilte. In den Regionen Antalya, Marmaris und Bodrum gelang es Feuerwehrleuten unterdessen, einige Brände unter Kontrolle bringen, wie es hieß. Pakdemirli sprach von einer Katastrophe, die in die Geschichte eingehen werde.
Kritik an türkischer Regierung
Nach offiziellen Angaben wurden seit dem 28. Juli mehr als 200 Flächenbrände in 47 Provinzen unter Kontrolle gebracht. Rund 5.250 Feuerwehrleute und mehr als 80 Hubschrauber, Flugzeuge und Drohnen sowie etwa 1.000 Fahrzeuge seien zum Löschen im Einsatz, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Kritiker und Kritikerinnen bemängeln unterdessen, die Regierung habe zu langsam und unzulänglich auf die Bedrohung reagiert. Im Fokus steht der Mangel an Löschflugzeugen und -hubschraubern, weswegen die Türkei in erheblichem Umfang auf Maschinen aus anderen Ländern zurückgreift.

„Keine Entspannung“ in Nordmazedonien
Auch auf dem Westbalkan kämpften Katastrophenschützer und -schützerinnen weiter gegen Waldbrände. Zugleich erwarteten die Meteorologen für die gesamte Region in Kürze eine regnerische Kaltfront, die die Brandgefahr vermindern dürfte. Aktive Brände gebe es in Nordmazedonien, in Albanien ist die Situation unterdessen unter Kontrolle, während man im Kosovo noch keine Entwarnung geben konnte.

In Nordmazedonien wurde wegen anhaltender Brände der Krisenzustand ausgerufen. Die Einsatzkräfte werden durch Hilfe aus dem Ausland, darunter neben Serbien, Bulgarien und Slowenien auch eine Hilfsmission aus Österreich, unterstützt. Nach Angaben vom Bundesfeuerwehrverband (ÖBFV) wurden im Rahmen des europäischen Zivilschutzmechanismus (EUCP) 120 Einsatzkräfte der Landesfeuerwehrverbände Niederösterreich und Steiermark nach Nordmazedonien entsandt. Im Kampf gegen die meterhohen Flammen hat man laut ÖBFV zwar erste Erfolge erzielt, aber „von Entspannung kann noch keine Rede sein“.
Im Nachbarland Albanien gab es noch einen heftigen Brandherd im Norden bei Kukes, wie Verteidigungsminister Niko Peleshi sagte. Alle anderen Waldbrände seien unter Kontrolle gebracht worden. Der Kosovo wurde von fast 500 Waldbränden heimgesucht, auch hier brannten mehrere Bauernhöfe. Die Brände konnten mit Unterstützung der im Kosovo stationierten KFOR-Truppe der NATO gelöscht werden. Doch fürchten die Behörden weitere Ausbrüche.
Abkühlung in Bulgarien
In den Brandgebieten von Bulgarien brachte in der Nacht auf Freitag Regen Abkühlung und Entspannung. Die im Osten des Landes gelegenen Feriengebiete am Schwarzen Meer waren von den Wald- und Flächenbränden im Süden nicht betroffen. Bei Löscharbeiten kamen am Mittwoch zwei Forstarbeiter ums Leben, einer erlitt schwere Verbrennungen. Die Brände umfassten deutlich kleinere Gebiete als etwa in Griechenland. Eine Kaltfront sorgte am Freitag dafür, dass die Temperaturen von rund 40 Grad auf etwas über 20 Grad sanken.
Brände und Überschwemmungen in Italien
Zweigeteilt erscheint unterdessen die Lage in Italien. Im Süden kämpft die Feuerwehr seit Tagen gegen Brände. Im Norden machen Starkregen, Gewitter und Überschwemmungen das Leben schwer. Ende Juli brannte es auf Sardinien, Einwohner und Touristen wurden evakuiert. Jetzt stehen eher Sizilien und Kalabrien im Fokus. Die Regionalregierung von Sizilien erklärte für sechs Monate den Not- und Krisenfall. Seit Ende Juli brenne es auf Sizilien, und in den kommenden Wochen herrsche ein permanentes Risiko durch die außergewöhnliche Wetterlage auf Sizilien, begründete Regionalpräsident Nello Musumeci die Entscheidung heute in einer Facebook-Nachricht.
Für die nächsten Tage sagen Meteorologen wieder um die 40 Grad für Orte im Süden vorher. Dagegen drohen im Norden an den Alpen ab dem Wochenende wieder Unwetter. Zu Überschwemmungen kam es zuletzt etwa am Comer See und in Südtirol. Geht es nach Umweltminister Roberto Cingolani, seien rund 70 Prozent der Brände auf Fehlverhalten oder Brandstiftung zurückzuführen – der Klimawandel tue den Rest.
Lage in Russland zunehmend dramatisch
Derweil nimmt die Waldbrandsituation auch in Russland zunehmend dramatische Ausmaße an. Im flächenmäßig größten Land der Erde meldeten die Behörden am Samstag mehr als 250 Brände mit einer Gesamtfläche von mehr als drei Millionen Hektar.
Löscharbeiten liefen bei 180 Feuern mit einer Fläche von rund 1,3 Millionen Hektar, teilte die für den Forstschutz zuständige Behörde Avialesoochrana mit. Vor allem betroffen war die sibirische Region Jakutien im Nordosten Russlands.