Traktor fährt über ein vertrocknetes Feld und wirbelt Staub auf
Reuters/Pascal Rossignol
Schlimm bis schlimmer

Fünf Szenarien der Erderwärmung

Angesichts des Berichts des Weltklimarats (IPCC) drängen Fachleute die Politik zum Handeln. Eine Erwärmung von 1,5 Grad könnte schon gegen 2030 erreicht werden, zehn Jahre früher als 2018 prognostiziert. Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen und Hitze werden häufiger. Auf den Weckruf müssen jedoch auch Taten folgen, mahnen Fachleute. Um diese Entwicklung zu bremsen, sei nämlich schnelles Handeln notwendig.

Beispielhaft hatte der Weltklimarat für seinen Bericht fünf Szenarien betrachtet: Darunter sind zwei, in denen die Welt im Jahr 2050 eine Klimaneutralität erreicht und danach mehr CO2 speichert als ausstößt. Nur damit könnte laut Experten der Anstieg der Mitteltemperatur Ende dieses Jahrhunderts bei 1,8 Grad oder darunter bleiben.

Bleibt der Ausstoß der Emissionen bis 2050 allerdings gleich hoch, würde die Temperatur Ende dieses Jahrhunderts um bis zu 3,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit einer Verdoppelung der derzeitigen CO2-Emissionen bis 2050 wäre ein Temperaturanstieg um bis 5,7 Grad möglich.

Klima: Weltweiter Appell an Politiker

Auch wenn der Bericht des Weltklimarats am Montag eine drastische Entwicklung prognostiziert, sehen Länder wie etwa China oder Australien keinen Grund zur Kursänderung. Weltweit appellieren jetzt Klimaschützer an die Politiker, aufzuwachen.

Selbst wenn die Schreckensszenarien nicht eintreten, werden die Folgen der Erderwärmung schneller um sich greifen: Als sehr wahrscheinlich gilt etwa, dass Starkregenereignisse in vielen Regionen ebenso zunehmen wie die Zahl und Intensität von Wirbelstürmen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde der Meeresspiegel weiter steigen, heißt es im Bericht. Bis 2100 wird mit einem Anstieg von 28 bis 55 Zentimetern im Vergleich zu den Jahren 1995 bis 2014 gerechnet.

Luftbild vom überfluteten Gebiet Erftstadt-Blessem, nach den Überschwemmungen in Deutschland im vergangenen Juli
Reuters/Rhein-Erft-kreis
Extremwetter wird wahrscheinlicher, sagen die Experten und Expertinnen

„Die Folgen, die wir jetzt schon spüren, bleiben“

„Um den Klimawandel und seine Folgen zu begrenzen, ist eine starke, schnelle und nachhaltige Reduktion von Treibhausgasemissionen notwendig“, heißt es in einer Reaktion des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz, an dem Klimaforscher Douglas Maraun tätig ist. „Regional etwas zu tun reicht nicht, um den Klimawandel zu bremsen“, sagte der Mitautor des IPCC-Berichts am Dienstag im Ö1-Interview. Man brauche die großen Industriestaaten wie China und die USA. Doch Österreich könne innerhalb der EU vorangehen. „Dann schaffen wir, das Pariser Klimaziel einzuhalten.“

Ähnlich sieht es auch Marc Olefs, Leiter der Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Es sei noch nicht zu spät, eine Trendumkehr einzuleiten, sagte er im Gespräch mit ORF.at. Allerdings müsse auch ein viel stärkeres Umdenken stattfinden. Wichtig sei, dass man sich über die Folgen der Klimakrise im Klaren ist, so der Experte. „Die Folgen, die wir jetzt schon spüren, bleiben uns erhalten. Es geht nicht darum, das derzeitige Niveau der Auswirkungen herunterzuschrauben. Wir müssen versuchen, den CO2-Ausstoß zu drosseln, bevor die Folgen verheerender werden.“

Wie stark die Klimakrise bereits in Österreich angekommen ist, zeigen aktuelle Daten der ZAMG. Die Durchschnittstemperatur stieg seit Beginn der Industrialisierung um etwa zwei Grad Celsius. Erfolgt keine Trendumkehr, könnten es bis zum Jahr 2100 fünf Grad sein. Bei Einhaltung des Pariser Klimaziels könnte sich die Erwärmung in Österreich und weltweit in den nächsten Jahrzehnten knapp über dem aktuellen Niveau einpendeln, sagte Olefs. Die Frage sei jedoch immer, wie man das nun schaffen kann bzw. auch will.

Rechnerisch sechs Prozent weniger CO2-Emissionen nötig

Das Ziel lautet freilich auch weiterhin, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Doch dafür ist es bis Mitte des 21. Jahrhunderts notwendig, den Ausstoß von Emissionen so weit zu reduzieren, bis das ganze System wieder im Gleichgewicht ist (Klimaneutralität). Schon jetzt hat sich aber die Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um knapp 1,1 Grad Celsius erwärmt, also noch 0,4 Grad Celsius bis zum Pariser Klimaziel. Laut Olefs muss man nun pro Jahr sechs Prozent der weltweiten CO2-Emissionen kappen, um die Klimaneutralität 2050 zu erreichen. „So viel CO2-Emissionen wurden im Coronavirus-Jahr 2020 reduziert, also zu einem hohen Preis, ökonomisch und sozial.“

Weltklimabericht als Weckruf an die Politik

Im Wesentlichen als dringenden Weckruf haben Politik und Umweltschutzorganisationen den am Montag veröffentlichten aktuellen Weltklimabericht aufgenommen. Der Weltklimarat (IPCC) spricht darin von unumkehrbaren Folgen der Klimakrise, häufigen Wetterextremen, dem Verschwinden der arktischen Eisdecke. Die UNO nannte die Entwicklung eine „unmittelbaren Bedrohung“, vor der niemand mehr sicher sei.

Olefs gibt aber zu bedenken, dass die Drosselung wichtig sei. Denn es gebe zwar „keine fixen Temperaturen“, die Kipppunkte im Klimasystem auslösen würden. Aber je näher man zu einer Erderwärmung in Höhe von zwei Grad Celisus kommt, desto verheerender seien die Folgen, so der Experte. Um das zu verhindern, dürfe ab sofort etwa nicht mehr in die Versorgung mit fossilen Treibstoffen investiert wird. Auch die Maßnahmen, die die EU in ihrem „Fit for 55“-Paket definiert hat, wie höhere Kosten für das Heizen mit Kohle, Erdgas oder Öl, müssten rasch umgesetzt werden.

Die Maßnahmen aus dem „Fit for 55“-Paket soll es den EU-Staaten ermöglichen, die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Österreich ist bisher allerdings laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) säumig. Denn im Zeitraum 1990 bis 2018 haben sich die Treibhausgasemissionen kaum verändert, während andere Länder den Ausstoß reduzieren konnten. Der größte Faktor in Österreich ist der Verkehr: Seit 1990 ist im Verkehrssektor eine Zunahme der Treibhausgase um rund 74,4 Prozent zu verzeichnen.

Gewessler verweist auf Maßnahmen

Laut Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist Österreich aber bereits „auf Aufholjagd“. In den ersten eineinhalb Jahren der ÖVP-Grünen-Regierung habe man im Bereich des Klimaschutzes „enorm Meter gemacht und aufgeholt“, sagte die Ministerin am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal. Konkret meinte sie etwa das bereits beschlossene Erneuerbaren-Ausbaugesetz. Das Gesetz besagt, dass Österreichs Stromversorgung bis zum Jahr 2030 komplett auf erneuerbare Energiequellen umgestellt sein soll.

„Jetzt geht es darum, unser Regierungsprogramm ambitioniert und rasch umzusetzen […] und da werde ich mich auch sicher nicht bremsen lassen“, so Gewessler. An der ökosozialen Steuerreform werde noch gearbeitet. Klar sei aber, dass sich klimafreundliches Verhalten künftig finanziell lohnen soll. „Klimaschädliches Verhalten soll im Gegenzug einen gerechten Preis bekommen. Also, wenn ich mich entscheide, mit dem SUV in die Innenstadt zu fahren, dann soll ich auch einen gerechten Beitrag dafür zahlen“, so die Ministerin und zählte weitere Maßnahmen wie das 1-2-3-Ticket auf.

Ausbau erneuerbarer Energien

Vor kurzem ist das Gesetz zum Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen worden. Bis 2030 soll der gesamte in Österreich verbrauchte Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wien, Wasser oder Sonnenenergie kommen.

Die Maßnahmen bezeichnete Olefs als wichtig, weil zwei Drittel der Emissionen die Industrie, den Energiebereich und die Moblität betreffen. Aber es gebe mehrere Baustellen, die uns auch in Zukunft erreichen werden. Deshalb betonte er im Gespräch auch die Relevanz des Umdenkens. „Wir müssen uns bewusst sein, was gerade passiert, und wie sich eine Verschärfung der Situation für künftige Generationen auswirkt.“