Mitarbeiter in einem Labor in Wuhan
APA/AFP
Propagandaflop

China fällt auf Fake-Biologen herein

China und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind keine Freunde mehr. Seit die Institution versucht, dem Ursprung des Coronavirus auf den Grund zu gehen, bemüht man sich in der Volksrepublik, den Spieß umzudrehen. Gelegen kam da wohl ein vermeintlicher Schweizer Biologe, der behauptete, die USA setzten die WHO unter Druck, CoV-Untersuchungen zu fälschen. Recherchen zeigen nun: Diesen Biologen gibt es gar nicht.

Ob Handel, Technologie oder Pharmazie – das Narrativ zu den USA, dem zufolge diese versuchten, China zu diffamieren, ist in der Volksrepublik weit verbreitet. Als die WHO in Wuhan die Mission aufgenommen hatte, den Ursprung des Coronavirus in China herauszufinden, hatte China das der Organisation nicht gerade leichter gemacht. So wollte die Volksrepublik Untersuchungen in Laboren nicht erlauben, und Genehmigungen für WHO-Expertinnen und -Experten wurden lange hinausgezögert.

Zwar kam die WHO zu dem Schluss, dass die vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verbreitete „Laborthese“, wonach das Virus aus einem virologischen Forschungsinstitut in Wuhan entwich, unwahrscheinlich ist. Doch gilt die „Marktthese“, die besagt, dass das Virus auf einem Markt in Wuhan vom Tier auf den Menschen übertragen wurde, als plausibel. Die WHO vermutet außerdem die Fledermaus als wichtiges Reservoir für das Coronavirus.

Schweizer Botschaft um Aufklärung bemüht

Bei all den negativen Schlagzeilen kam chinesischen Medien der vermeintliche Schweizer Biologe namens „Wilson Edwards“ möglicherweise gerade recht. In einem Facebook-Posting behauptete er, die USA wirkten auf seine Kollegen in der WHO ein, ihre Forschungsergebnisse zu fälschen, um so China als den Bösewicht dastehen zu lassen. Die USA seien die Strippenzieher hinter der WHO, die wiederum ihre Nase nicht aus den Angelegenheiten Chinas nehmen wolle. Laut dem Posting hätten die USA eine „Obsession, China anzugreifen“.

Mittlerweile ist der Account auf Facebook zwar nicht mehr zu finden, doch taucht ein Screenshot des Postings, wenn man gezielt nach „Wilson Edwards“ sucht, immer noch im Internet auf. Die Schweizer Botschaft in Peking sah sich deshalb am Dienstag gezwungen, für Klarheit zu sorgen. „Wir freuen uns zwar über die Aufmerksamkeit, die unserem Land zuteilwird, aber die Schweizer Botschaft muss die chinesische Öffentlichkeit leider darüber aufklären, dass diese Nachricht falsch ist“, so die Botschaft in ihrer Erklärung.

Bitte, Artikel zu löschen

Medien wie CGTN, „Shanghai Daily“ und „Global Times“ hatten den vermeintlichen Biologen auf der Grundlage seines Facebook-Profils zitiert. In der auf Twitter veröffentlichten Stellungnahme bat die Schweizer Botschaft chinesische und internationale Medien deshalb darum, Berichte zu „Wilson Edwards“ zu löschen. Viele kamen dem Wunsch bereits nach.

„China Daily“, die als Parteizeitung der KPCh gilt, berichtete zunächst etwa: „(Wilson Edwards) sagte auf seinem Facebook-Konto: ‚Als Biologe habe ich in den letzten Monaten mit Bestürzung beobachtet, wie die Suche nach dem Ursprung von Covid-19 politisiert wurde.‘“ In der geänderten Version wurden alle Hinweise auf „Wilson Edwards“ dann entfernt. Einige Schweizer Medien vermuteten sogleich chinesische Staatspropaganda. „Wilson Edwards ist so rasch verschwunden, wie er aufgetaucht ist“, schrieb etwa der „Blick“.

Botschaft: Kein Schweizer mit diesem Namen

Ihrer Natur nach diplomatischer gab sich die Schweizer Botschaft in ihrem Statement: Es gibt Nachforschungen zufolge überhaupt keinen Schweizer mit dem Namen „Wilson Edwards“. Man habe außerdem keine wissenschaftlichen Publikationen unter diesem Namen gefunden. Zudem verfüge das Facebook-Profil von „Wilson Edwards“ über nur drei Freunde und ein Posting.

Das Profil sei erst am 24. Juli 2021 erstellt worden. Sind die chinesischen Medien, die nahezu alle unter dem Einfluss der KPCh stehen, also einem Fake-Profil aufgesessen? „Es ist wahrscheinlich, dass dieses Facebook-Konto nicht zum Zweck der sozialen Vernetzung eröffnet wurde“, so die Schweizer Botschaft. Auf Twitter machen sich unterdessen die ersten Userinnen und User über die Botschaft lustig: „Es ist nicht das erste Mal, dass ‚China Daily‘ so was abgezogen hat. Aber es ist das erste Mal, dass jemand es ernst genommen hat.“

Biologe Edward O. Wilson
AP/Chitose Suzuki
Das ist der Ameisenforscher Edward O. Wilson. Mit „Wilson Edwards“ hat er nichts zu tun.

Edward O. Wilson, der Ameisenforscher

Die Suchfunktion auf Facebook offenbarte außerdem ein weiteres pikantes Detail. Auf der Plattform findet sich nämlich ein Biologe mit sehr ähnlich klingendem Namen: Edward O. Wilson, ein US-amerikanischer Insektenkundler und Biologe, der für seine Beiträge zur Evolutionstheorie und Soziobiologie bekannt ist.

Wenn schon nicht „Wilson Edwards“, so gibt es zumindest den Wissenschaftler Edward O. Wilson also in echt. Und obwohl, wie ein Blick auf Wikipedia zeigt, kurioserweise die Fledermausart Miniopterus wilsoni nach ihm benannt ist, hat Wilson so gar nichts mit der Erforschung des Coronavirus zu tun. Sein Spezialgebiet sind Ameisen und deren Kommunikation mittels Pheromonen.